„Happy birthday, Mr. President“
Es gibt im Zusammenhang mit John F. Kennedy nur eine Szene, die sich noch mehr ins kollektive Gedächtnis der Amerikaner eingeprägt hat: jene, in der er in Dallas, von einer Kugel getroffen, sterbend zusammenbricht. Eineinhalb Jahre davor feierte er noch ausgelassen seinen 45. Geburtstag, dessen Höhepunkt die von Marylin Monroe ins Mikrofon gehauchten Worte „Happy birthday, Mr. President“ sein sollten. Doch auch die scheinbar lockere Darbietung hatte einen dramatischen Hintergrund.
Die Szene hat schon Wochen vor John F. Kennedys Geburtstagsparty am 19. Mai 1962 für Aufsehen gesorgt. Denn ganz Amerika tuschelte, dass JFK und die Monroe ein Verhältnis hätten. Nicht nur Kennedys Ehefrau fand den Auftritt bereits im Vorfeld geschmacklos: Jackie blieb dem Geburtstagsfest für ihren Mann daher auch demonstrativ fern.
Krönender Abschluss
Kennedys Schwager Peter Lawford moderierte den Abend in dem mit 15.000 Menschen voll besetzten New Yorker Madison Square Garden, an dem Stars wie Maria Callas, Ella Fitzgerald, Jack Benny und Harry Belafonte dem Präsidenten die Ehre erwiesen. Alle hatten ihren Auftritt zugunsten einer Spendenaktion für die Demokratische Partei bereits hinter sich, da sollte Marilyn als krönender Abschluss erscheinen. Lawford hatte sich den ganzen Abend schon über ihr chronisches Zuspätkommen lustig gemacht. Und musste sie dann tatsächlich mehrmals ansagen, ehe sie endlich auf der Bühne stand.
Niemand hatte damit gerechnet, dass die Monroe ihr Erscheinen als erotische Einlage gestalten würde. Während das auch für Kindergeburtstage geeignete „Happy birthday“-Lied im Normalfall keineswegs anrüchig vorgetragen wird, sang die Monroe nicht, sie hauchte. Sie ließ die Hände über ihren Körper gleiten. Schaute von der Bühne herab dem Präsidenten tief in die Augen. Fraß ihn geradezu auf. Zeigte mit jedem Wimpernschlag ihre Liebe zu ihm.
Der Auftritt war für sie Therapie. Denn die Monroe hatte schwere Zeiten hinter sich. Ihre Ehe mit Arthur Miller war zerbrochen, sie hatte psychische Probleme, fühlte sich nach einer Gallenblasenoperation noch rekonvaleszent, und ihr letzter Film Misfits – Nicht gesellschaftsfähig war alles andere als ein Erfolg.
Diskreter Nebeneingang
Da kam Kennedy, Amerikas begehrtester Mann, gerade recht. Ihr letztes Date hatten sie wenige Wochen davor, als sie nach einer Party in Bing Crosbys Haus in Palm Springs die Nacht zusammen verbrachten. Die Affäre soll schon länger angedauert haben, angeblich trafen sich das Sexidol und Kennedy regelmäßig im New Yorker Carlyle Hotel, das praktischerweise über einen diskreten Nebeneingang verfügt, durch den der Präsident ungesehen Einlass fand.
Und auch beruflich schien es bei der Monroe wieder aufwärts zu gehen. Sie hatte mit den Dreharbeiten eines neuen Films, Something’s Got to Give, begonnen. Allerdings wurde ihr von der 20th Century-Fox ausdrücklich untersagt, an der Kennedy-Gala teilzunehmen, da durch krankheitsbedingte Ausfälle ihrerseits bereits drei Wochen Drehzeit verloren gegangen waren. Marylin missachtete die Anweisung des Studios und flog von L. A. nach New York. Wodurch drei weitere Drehtage ausfielen.
Hautfarbenes Kleid
Dann der Auftritt im Madison Square Garden. Laut ihrer Biografin Barbara Leaming soll Marylin dabei leicht angeheitert gewesen sein. Als das Licht anging, sie allein auf der Bühne stand und ihre Pelzstola ablegte, hatte man für einen Moment den Eindruck, dass sie nackt war. Denn das mit 2.500 Strass-Steinen besetzte Kleid war eng anliegend, hautfarben und wirkte transparent. Geschickt leitete sie das „Happy birthday“-Ständchen zu ein paar Takten des Songs „Thanks for the Memory“ über. Dann forderte sie das Publikum auf, sich ihren Geburtstagswünschen anzuschließen. Und schon wurde eine Torte zum Podium gerollt, und der Auftritt war vorbei.
Liebesakt vor 40 Millionen
Kennedy kam auf die Bühne, bedankte sich beim Publikum und sagte – warum weiß man nicht so genau – dass er jetzt in Pension gehen könnte. Danach gab’s noch eine Backstage-Party, auf der das einzige bekannte Foto des Präsidenten mit der Monroe entstand (auf dem auch sein Bruder Robert zu sehen ist, mit dem ihr ja auch eine Affäre nachgesagt wird).
Die im Fernsehen übertragene Gala mit dem erotisch gehauchten Song nährte die ohnehin kursierenden Gerüchte einer Romanze John F. Kennedys mit der Schauspielerin. Eine Zeitung beschrieb den Auftritt der Monroe sogar als „Liebesakt mit dem Präsidenten vor 40 Millionen Amerikanern“.
Während Marylin für „Jack“ eine von vielen Liebschaften war, glaubte sie allen Ernstes an eine gemeinsame Zukunft. Das wurde Kennedy zu viel, er wusste, dass ihm das Gerede schaden würde und beschloss, die Beziehung zu beenden. Sie versuchte ihn noch mehrmals im Weißen Haus zu erreichen, doch er nahm die Anrufe nicht mehr entgegen. Ein totaler Zusammenbruch der so unfein abservierten Geliebten war die Folge.
Schadenersatzklage
Nicht genug damit, erfuhr Marylin, als sie zu den Dreharbeiten von Something’s Got to Give zurückkehren wollte, dass sie wegen Vertragsbruchs gefeuert war – der Film wurde nie fertiggestellt. Und 20th Century-Fox klagte sie auf 750.000 Dollar Schadenersatz.
Apropos Geld. Das Kleid, das die Monroe an besagtem Abend anhatte, war 1962 für 1.400 Dollar gekauft worden. Es wurde so berühmt, dass es 1999 bei einer Auktion 1,2 Millionen und 2016 bei einer weiteren Auktion 4,8 Millionen Dollar erzielte. TV-Star Kim Kardashian trug das Original vor wenigen Tagen bei der heurigen Gala im Metropolitan Museum.
Kennedy und die Monroe haben einander nie wieder gesehen. Sie starb keine drei Monate nach der Party an einer Medikamentenüberdosis, er wurde im November des darauffolgenden Jahres ermordet.
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