"Die Ohrfeige war das Klangvollste des ganzen Konzertabends"
Nein, der Donauwalzer ist nicht von ihm. Und der Radetzkymarsch auch nicht. Arnold Schönberg schuf eine völlig neue Musikrichtung, die jahrhundertealte musikalische Gesetze über Bord warf. Der „Vater der Zwölftonmusik“ gilt als einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts, stieß und stößt mit seinen atonalen Klangfolgen aber auch vielfach auf Unverständnis. Dabei wäre er gern so populär wie Johann Strauss gewesen. So dissonant wie seine Musik war auch das Leben des Komponisten.
Schönbergs bis heute berühmteste Aufführung schrieb als „Watschenkonzert“ Musikgeschichte. Sie fand am 31. März 1913 im Wiener Musikvereinssaal statt. Schönberg dirigierte eigene Werke und auch solche von Alban Berg, Alexander von Zemlinsky und Anton von Webern. Das Publikum war so erbost über die neuartige Musik, dass es zu einem Tumult kam und das Konzert abgebrochen wurde.
Im Zuge der Ausschreitungen zwischen Schönberg-Gegnern und -Anhängern verabreichte der spätere Burgtheaterdramaturg Erhard Buschbeck einem störenden Konzertbesucher eine Ohrfeige, die ein gerichtliches Nachspiel hatte: Der Operettenkomponist Oscar Straus bestätigte, als Zeuge befragt, den tätlichen Angriff mit den Worten: „Die Ohrfeige war so ziemlich das Klangvollste des ganzen Konzertabends.“
Schönberg verlässt Wien
Arnold Schönberg wurde 1874 als Sohn eines Schuhmachers in Wien geboren. Als junger Musiker noch weit weg von der atonalen Musik, bearbeitete er Operetten und fand über Inserate seine ersten Schüler.
Da er in Wien nicht die erhoffte Anerkennung fand, ging Schönberg nach Berlin, wo er sich als Dirigent, Pianist und Kompositionslehrer betätigte. Auch dort nicht zufrieden, kehrte er zurück und entwickelte 1921 in Mödling die Technik, die ihn berühmt machte: die „Komposition mit 12 nur aufeinander bezogenen Tönen“, auch „Zweite Wiener Schule“ genannt.
Schönberg hatte 1901 Mathilde, die Schwester seines Lehrers Zemlinsky geheiratet, die zwei Kinder zur Welt brachte. Die Ehe hatte eine schreckliche Tragödie zur Folge: Mathilde und Arnold Schönberg nahmen Malunterricht bei dem angesehenen Expressionisten Richard Gerstl, der bald zum Freundeskreis des Ehepaares zählte und mit diesem den Sommer 1908 in Gmunden verbrachte.
In flagranti überrascht
Während Schönberg auch im Urlaub unermüdlich komponierte, kamen sich Mathilde und Gerstl nahe. Eines Tages überraschte der 50-jährige Komponist seine 30-jährige Frau mit dem 25-jährigen Maler in flagranti, worauf Mathilde die Affäre – vor allem der Kinder wegen – beendete.
Nachdem Gerstl damit nicht nur die Geliebte, sondern auch den Freundeskreis um Schönberg verloren hatte, erhängte er sich in seinem Atelier in der Wiener Liechtensteinstraße.
Nach Mathildes Tod 1923 heiratete Schönberg seine zweite Frau Gertrud, mit der er drei weitere Kinder hatte. 1925 ging Schönberg wieder nach Berlin, wo er Kompositionslehrer an der Preußischen Akademie der Künste wurde. Als Hitler an die Macht kam, verließ Schönberg Berlin infolge seiner jüdischen Herkunft und emigrierte mit seiner Familie in die USA, wo er sich fortan Schoenberg nannte und zunächst in eher bescheidenen Verhältnissen lebte.
Da kam das Angebot von Metro-Goldwyn-Mayer, eine Filmmusik zu schreiben, gerade recht. Filmboss Louis B. Mayer empfing Schoenberg (wie uns Friedrich Torberg überliefert) in Hollywood persönlich und sagte: „I’m a great admirer of your lovely music, Mr. Schoenberg.“
Worauf der erwiderte: „My music isn’t lovely.“ Er machte kehrt, ließ den mächtigen Filmmogul stehen und das Engagement, das seine Existenzsorgen behoben hätte, war geplatzt.
Aversion gegen die Zahl 13
Die finanzielle Situation besserte sich erst, als Schoenberg an der University of California eine Professur für Musik erhielt.
Dramatisch war der Tod des Komponisten in Los Angeles. An einem 13. geboren, entwickelte er eine krankhafte Aversion gegen die 13. Eine Wahrsagerin hatte ihm prophezeit, dass ihm die Zahl Unglück bringen würde. So richtete er sein ganzes Leben danach ein, der 13 aus dem Weg zu gehen, setzte sich im Theater nie in die 13. Reihe, sagte Termine an entsprechenden Daten ab oder verschob sie. Seine Freunde scherzten sogar, dass die Zwölftonmusik eigentlich Dreizehntonmusik heißen müsste, Schönberg aber den letzten Ton infolge seines Aberglaubens weggelassen hätte.
Im Alter von Herzbeschwerden geplagt, steigerte sich seine Psychose dermaßen, dass er überzeugt war, an einem 13. sterben zu müssen.
Man schreibt Freitag, den 13. Juli 1951. Schoenberg ist 76 Jahre alt und wie an jedem 13. des Monats schrecklich aufgeregt. Er wartet sehnsüchtig auf die Minute, in der die Zeiger der Uhr darauf hinweisen, dass der gefürchtete Tag vorbei ist.
Thomas Manns Ehefrau Katia, die mit den Schoenbergs befreundet war, schildert den 13. Juli 1951 in ihren Memoiren so: „An jenem 13. war Schoenberg unruhig, abends musste sich Gertrud zu ihm setzen und seine Hand halten. Auf der anderen Seite des Wohnzimmers war eine Uhr, und er sah zu, wie der 13. verging. Endlich war es Mitternacht. Schoenberg ging hinauf, um sich schlafen zu legen, Gertrud ging wie immer in die Küche, um seinen Schlaftrunk zu machen. Als sie ihm dann die Tasse hinaufbrachte, lag er leblos in seinem Zimmer. Gertrud erschrak zu Tode und schaute auf die Uhr. Da sah sie, dass es noch nicht Mitternacht war.“
Die Uhr ging falsch
Jetzt erst fiel Gertrud ein, dass die Uhr im Wohnzimmer, in dem sie sich gerade noch aufgehalten hatten, um einige Minuten vorging. Als ihr Mann sein Schlafzimmer betrat, erkannte er, dass in Wahrheit immer noch der 13. Juli war. Und er fiel tot um.
Schoenbergs Witwe war überzeugt davon, dass ihr Mann sich so sehr über die tatsächliche Uhrzeit aufgeregt hatte, dass ihn der Schlag traf. Er wäre, so behauptete sie, nicht in diesem Moment gestorben, hätte er nicht erkannt, dass der 13. Juli noch nicht vorüber war.
Arnold Schoenbergs Leichnam wurde nach Wien überführt, wo er ein Ehrengrab am Zentralfriedhof erhielt. Eine spät erfolgte Anerkennung, viele meinen: eine zu spät erfolgte Anerkennung.
georg.markus
- Arnold Schönberg
Geboren am 13. September 1874 in der Wiener Leopoldstadt. Komponierte als Jugendlicher Märsche und Polkas, arbeitete als Banklehrling. 1901–1923 Ehe mit Mathilde Zemlinsky, 1924– 1951 zweite Ehe mit Gertrud Kolisch.
- Die Werke
„Gurrelieder“ (1900-1911), „Pelleas und Melisande“ (1903), „Die Jakobsleiter“ (1917-1922), „Moses und Aron“ (1930-1932), „Ein Überlebender aus Warschau“ (1947), Kammermusik u.v.a. Schönberg war auch ein hochbegabter Maler und begeisterter Tennisspieler.
- Der Tod
Arnold Schönberg starb am 13. Juli 1951 im Exil in Los Angeles
- Der Enkel
Schönbergs Enkel Randol Schöberg (*1966) wurde als Anwalt der gebürtigen Wienerin Maria Altmann im Prozess gegen die Republik Österreich bekannt, in dem es um die Rückgabe mehrerer in der NS-Zeit geraubter Gemälde Gustav Klimts ging, darunter die „Goldene Adele“. Schönberg gelang es, die Rückgabe zu erwirken.
- TV-Dokumentation
Morgen, Montag, 9. September, 23.15 Uhr, ORF 2, „Arnold Schönberg – Der rastlose Visionär“.
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