Wenn Töne zur Poesie werden: Besonderer Schönberg-Abend bei den Salzburger Festspielen

Von Susanne Zobl
Ein Arnold Schönberg gewidmetes Konzert mit Alban Bergs Radio-Interview aus dem Jahr 1930 zur Frage „Was ist Atonalität?“ zu eröffnen, famos vorgetragen von Jedermanns gutem Gesell/Teufel Christoph Luser, verweist bereits auf die stimmige Programmierung.
Die manifestierte sich auch im Titel des mit Stefan Georges Gedicht „Entrückung“ überschriebenen Abends im Mozarteum. Arnold Schönberg vertonte dieses im Finalsatz seines 2. Streichquartetts. Dieses und die vorangestellte „Litanei“ lassen sich als Reflexion seiner privaten Krise deuten. Denn Schönbergs Ehefrau Mathilde hatte ihn vorübergehend mit dem Maler Richard Gerstl, der mit dem Ehepaar befreundet war, verlassen.
Das kommt auch im darin verarbeiteten Wiener Volkslied „O du lieber Augustin, alles ist hin“, dezent vom Minguet Quartett hervorgehoben, zum Ausdruck. Mehr als diese außerkünstlerischen Umstände könnte jedoch eine Zeile dieses Gedichts die Essenz des Abends fassen: „ich löse mich in tönen“.
Bevor die Sopranistin Anna Prohaska mit dem Minguet Quartett Schönbergs Opus 10 in fis-Moll fesselnd, intensiv, berückend interpretiert, widmet sich Markus Hinterhäuser, der Intendant der Salzburger Festspiele, als Pianist mit dem Bariton Georg Nigl einem Schlüsselwerk des späteren Schöpfers der Zwölftonmusik. 1808/09 vertonte dieser 15 Gedichte Stefan Georges zum Liederzyklus „Das Buch der hängenden Gärten“.
Das ist eines der ersten Werke, in dem sich Schönberg von der herkömmlichen Harmonielehre löst. Die Gedichte schildern, wie ein Jüngling in einem Garten seine Erweckung zum Mann erfährt. Schönberg setzt auf äußerste Knappheit. Hinterhäuser schlägt die ersten Töne so an, als würde er das Tor in diesen Garten aufstoßen, hält die Balance in seinem sublimen Spiel, das zwischen leichtem Verwehen und schwere Schwüle changiert, und selbst zur Poesie wird. Nigl arbeitet mit seinem wortdeutlichen Sprechgesang das Artifizielle der Gedichte heraus und lotet die Nuancen zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit in harmonischem Austausch mit Hinterhäuser feinsinnigen Anschlägen aus. Ovationen!
KURIER-Wertung: Fünf Sterne
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