Der Antisemitismus war in Österreich praktisch zu allen Zeiten präsent – leider nur allzu oft mit verheerenden Folgen. Doch es gab auch "die anderen", die gegen den Judenhass ankämpften, sich an die Seite der Verfolgten stellten. Die Anti-Antisemiten. Sie waren in Staatsfunktionen ebenso zu finden wie in der Kirche oder als Privatpersonen.
Viele Habsburger haben Jüdinnen und Juden verfolgt oder getötet, wie Herzog Albrecht V., der 1421 mehr als 200 jüdische Bürger ermorden ließ, um mit deren Geld Kriege zu finanzieren. Kaiser Maximilian I. befahl 1496 die Vertreibung der Juden aus Kärnten und der Steiermark, Leopold I. verjagte sie 1670 aus Wien und Maria Theresia zwang die Juden 1744 Prag zu verlassen.
Das Toleranzpatent
Ganz anders ihr Sohn und Thronfolger, Kaiser Joseph II., unser erster Anti-Antisemit. Während seine Mutter die "Israeliten" ablehnte, hob der "Reformkaiser" mit dem 1782 erlassenen "Toleranzpatent" Bestimmungen auf, die seit Jahrhunderten galten. So war es jüdischen Mitbürgern jetzt endlich erlaubt, jedes Gewerbe auszuüben, außerhalb der Ghettos zu wohnen, Universitäten zu absolvieren, öffentliche Lokale zu besuchen und Dienstboten aufzunehmen. Ebenfalls erst seit Joseph II. durften Juden "Familien- und deutsche Vornamen" tragen.
Sein Nachfolger, Kaiser Leopold II., übernahm die – aus damaliger Sicht – revolutionäre Haltung seines Bruders. Erstmals wurden jüdische Advokaten zugelassen, und auch sonst setzte er einiges zur Gleichstellung der Bürger aller Religionsgemeinschaften durch.
Mittellose Juden
Der Judenhass des 19. Jahrhunderts richtete sich in erster Linie gegen die aus Osteuropa nach Wien zugewanderten mittellosen Juden, die sich durch ihr auffallendes Äußeres und die religiösen Riten von den "Assimilierten" unterschieden.
Kaiser Franz Joseph I. wird von den Juden als ihr größter Freund unter den Habsburgern gesehen. Jahrelang weigerte er sich, Karl Lueger als Bürgermeister von Wien zu akzeptieren, weil dieser Antisemit war. Franz Joseph sagte mehrmals: "Ich dulde keine Judenhetze in meinem Reich."
Unter seiner Regentschaft wurden die Juden, als deren Beschützer er sich sah, zu gleichberechtigten Bürgern, weshalb Antisemiten ihn geringschätzig als "Judenkaiser" bezeichneten. Die Juden aber beteten an jedem Schabbat in der Synagoge für ihren Kaiser.
Schließlich hob der Monarch wohlhabende jüdische Kaufleute und Bankiers, die so genannten "Ringstraßenbarone", in den Adelsstand.
Befand sich Kronprinz Rudolf ansonsten in dauerndem Widerspruch zu den Ansichten seines Vaters, so waren sie in dieser Frage einig: Der Sohn des Kaisers zählte zum engeren Freundeskreis des jüdischen Verlegers Moriz Szeps, in dessen Neuem Wiener Tagblatt Rudolf unter einem Pseudonym Artikel veröffentlichte, in denen er sich vehement gegen jede Form des Antisemitismus einsetzte. Als engagierte Philosemitin schrieb auch Kaiserin Elisabeth Geschichte, geprägt von den Schriften ihres jüdischen Lieblingsdichters Heinrich Heine, als dessen Jüngerin sie sich empfand.
Jüdische Abgeordnete
In den Jahren 1861 bis 1933 war es möglich, dass dem Wiener Parlament insgesamt 80 jüdische Abgeordnete angehörten, darunter die sozialdemokratischen Parteiführer Victor Adler und Otto Bauer, die Christlichsoziale Hildegard Burjan, die – zum Katholizismus konvertiert – die Caritas socialis gründete. Jüdischer Herkunft war auch der liberale Abgeordnete Josef Neuwirth, ein Onkel Bruno Kreiskys.
1906 wurde im Reichsrat die Jüdisch-Nationale Partei (JNP) gegründet, die antisemitische Tendenzen bekämpfte, zumal die jüdische Bevölkerung trotz formaler Gleichstellung in vielen Bereichen immer noch diskriminiert wurde.
War es in der Monarchie die Friedens-Nobelpreisträgerin Bertha von Suttner, die den "Verein zur Abwehr des Antisemitismus" gründete und von ihren Gegnern deshalb als "Judenbertha" verunglimpft wurde, so nahm die Wienerin Irene Harand mit ihrem viel beachteten Buch "Sein Kampf" in der Ersten Republik massiv gegen Hitlers Rassenhass Stellung. Später, nach Amerika geflüchtet, verhalf sie Juden zu Visa für die USA, wodurch rund 100 Verfolgte den nationalsozialistischen Verbrechen entkommen konnten.
Als "Gerechte" geehrt
Irene Harand ist eine von 112 Österreichern, die vom Staat Israel in der Gedenkstätte Yad Vashem als "Gerechte unter den Völkern" geehrt wurden, weil sie Juden schützten, die von der Deportation in Vernichtungslager bedroht waren. Zu den "Gerechten" zählen auch die Schauspielerin Dorothea Neff, die eine jüdische Freundin unter Lebensgefahr vier Jahre lang in ihrer Wohnung versteckte, und der Komponist Gottfried von Einem, der in der NS-Zeit jüdische Musiker unterstützte.
Auch und gerade in der katholischen Kirche fand der Antisemitismus in früheren Zeiten gefährliche Verbreitung. Doch war es immerhin möglich, dass am Höhepunkt der antisemitischen Bewegung der getaufte Jude Theodor Kohn zum Fürsterzbischof von Olmütz geweiht wurde.
Wiens Kardinal Theodor Innitzer wird zu Recht vorgeworfen, im März 1938 den "Anschluss" befürwortet zu haben. Man kann ihm aber auch zugutehalten, dass er nach Hitlers Einmarsch im Erzbischöflichen Palais eine "Hilfsstelle für nichtarische Christen" errichtete, durch die "rassisch Verfolgten" die Ausreise ermöglicht wurde. Wie unter katholischen Priestern und Ordensfrauen auch Helden zu finden sind, die – inzwischen heilig oder selig gesprochen – während des Dritten Reichs ihr Leben ließen, um Juden zu schützen.
Unter Österreichs Philosemiten spielen auch Aristokraten, die in der Nazizeit aktiven Widerstand leisteten, eine wichtige Rolle. Während auf Bänken öffentlicher Grünanlagen Tafeln mit der Aufschrift "Nur für Arier" angebracht waren, beschilderte der damalige Fürst Adolph Schwarzenberg den Park seines Wiener Palais mit den Worten: "Auf diesen Bänken sind Juden erwünscht."
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