Burgenlands unterirdischer Zeitzeuge des Kalten Krieges
Neben den Gleisen der Ostbahn lauert ein Zeitzeuge des Kalten Krieges in seinem Versteck. Würde nicht seit einigen Jahren ein Verkehrsschild auf der B10 mit der Aufschrift „Bunkermuseum“ darauf hinweisen, hätte man seine liebe Mühe, die stillgelegte Militäreinrichtung im Nordburgenland zwischen Parndorf und Bruckneudorf zu finden.
Die Bunkeranlage wurde in den Jahren 1959 und 1960 errichtet, als sich Österreich, flankiert von NATO- und Warschauer-Pakt-Staaten, als neutrales Land zwischen den Fronten sah. Der schwer bewaffnete Bunker war Teil eines etwa 60 Kilometer langen Verteidigungswalls. Wäre in den Jahren 1960 bis 1991 jemals ein Militärkonvoi aus dem Osten in kriegerischer Absicht Richtung Wien gerollt, dann wären die Invasoren kurz vor der Grenze zu Niederösterreich mit Kanonenfeuer begrüßt worden.
Im Inneren der drei Meter dicken Betonwände der Anlage Ungerberg kennt sich kein Zweiter so gut aus wie Josef Hatos. Der 56-jährige Berufssoldat ist für die Lagerverwaltung in der Benedek-Kaserne in Bruckneudorf zuständig. Der Bunker ist, neben dem Schießsport (Hatos ist sechsfacher Heeresmeister), sein Hobby.
Der Bunker als Hobby
Gemeinsam mit dem pensionierten Vizeleutnant Leo Pichler hat er aus der aufgelassenen Militäreinrichtung ein Museum gemacht. „Wir wollten das hier einfach herzeigen. Wir haben klein angefangen, 2011 waren nur ein paar Leute da“, erzählt Hatos. Das sollte sich rasch ändern: 2014 wurde die Anlage als Außenstelle in das Heeresgeschichtliche Museum (HGM) integriert. Seither hat Josef Hatos 160 Führungen pro Jahr für rund 30.000 Besucher gemacht.
Mit Ausbruch der Corona-Pandemie wurden die Führungen eingestellt. Was dahinter steckt: Das Grundstück, auf dem sich die Anlage befindet, ist im Besitz der ÖBB – es gibt einen Pachtvertrag mit dem Bundesheer, der 2025 ausläuft. Danach könnte dem Bunker der Abriss drohen (siehe Artikel rechts).
Besichtigungen mit Zivilisten wären erst wieder erlaubt, wenn neue Sicherheitseinrichtungen im Bunker installiert werden. Diese Investition werde aber nur getätigt, wenn man von der ÖBB die Garantie bekommt, dass die Anlage erhalten bleibt, erklärt Hatos.
Bis auf Weiteres bleibt das Bunkermuseum daher geschlossen. In der Zwischenzeit macht Josef Hatos aber noch „Einweisungen“, wie er es nennt, mit in Bruckneudorf stationierten Soldaten. Bei einer solchen durfte auch der KURIER dabei sein.
Wir betreten den Bunker über den einzigen Eingang. Im Ernstfall wäre die Panzertür hinter der 50-Mann starken Besatzung dichtgemacht worden. „Solange draußen der Einsatz gewesen wäre, wäre keiner aus der Anlage herausgekommen“, erklärt Hatos. Nicht einmal Luft konnte eindringen: Ein 100 Meter langer Gang mit einem Gefälle von 1,5 Metern erzeugt einen Kamineffekt, der verhindert, dass ungefilterte, potenziell durch chemische Waffen verseuchte, Luft in den Bunker gelangt.
Umzingelt von der dicken Betonschicht herrschen konstant 8 Grad Celsius. Obwohl es sich mit 700 Quadratmetern Grundfläche um einen ziemlich großen Bunker handelt, fühlt es sich überall recht eng an – vor allem im bereits erwähnten schmalen, etwa mannshohen Gang.
Die Anlage hatte ihre eigene Strom-, Luft- und Wasserversorgung. Auch sonst fanden die Milizsoldaten, die hier alle zwei Jahre zehn Tage lang geübt haben, im Bunker alles vor, was sie zum Überleben brauchten. Lebensmittel-Konserven gab es in Hülle und Fülle, und auch sonst wurde an alles gedacht: Sogar an einen Sargraum. Wie es sich anfühlt, tagelang hier eingeschlossen zu sein, wollte Josef Hatos Ende der 1990er-Jahre einmal am eigenen Leib erfahren.
Der Selbsttest
„Viele haben gesagt, so ein Bunkertest, das ist hart. Wir hatten eine Partie zusammen und haben gesagt, wir machen das“, erinnert sich der Berufssoldat. Fünf Tage hat die Bunker-Partie durchgehalten, dann war Schluss. Hatos erzählt: „In den ersten zwei Nächten schläft man nicht und danach ist das Gefühl für die Tageszeit weg. Man sieht die ganze Zeit dieselben Leute, dasselbe Licht, hört dieselben Geräusche. Irgendwann weiß man nicht mehr, was man tun soll.“
Ausstattung
Der Bunker hatte Sanitäranlagen mit zwei WCs, eine Luftfilteranlage, Fließwasser aus einem 30 Meter tiefen Brunnen, Zentralheizung, eine Fernmeldevermittlung und ein Stromaggregat.
Die Anlage ist 200 Meter lang, 50 Meter breit und 15 Meter tief. Die Mauerstärke beträgt drei Meter. Mit den Waffen der 1960er-Jahre war der Bunker nicht zu knacken.
Waffen
Die Bunkeranlage war mit mehreren Waffensystemen ausgerüstet: 2 Centurion-Panzertürme mit 10,5 cm Kanonen, 2 Charioteer-Panzertürmen mit 8,34 cm Kanonen, 2 Feldhaubitzen (10,5 cm), 5 MG-Kuppeln, 4 Panzerabwehr-Kuppeln und 10 Zwei-Mann- Kampfdeckungen.
Als Hatos und seine Kameraden ihren Bunkertest wagten, war die Anlage schon seit fünf Jahren außer Dienst gestellt. Der Ernstfall, für den sie gebaut wurde, ist zum Glück nie eingetreten. Aus heutiger Sicht ist sie militärisch obsolet, versichert Josef Hatos; sie bleibt aber ein einzigartiges Mahnmal an die Zeit des Kalten Kriegs.
Wie ein Bahnprojekt dem Bunker gefährlich werden könnte
Mit der Flughafenspange plant die ÖBB, eine neue hochrangige Bahnverbindung zwischen dem Flughafen Wien und Bruck an der Leitha zu errichten.
Statt wie bisher auf zwei soll die Ostbahn in Zukunft auf vier Gleisen fahren. Dadurch könnte es stellenweise aber eng werden – so auch im Bereich der Bunkeranlage Ungerberg, die sich direkt neben den Gleisen befindet.
Der Baustart für die Flughafenspange ist für 2025 anvisiert. Just in diesem Jahr läuft auch der Pachtvertrag zwischen ÖBB und dem Bundesheer für jenes Grundstück aus, auf dem sich das Bunkermuseum in Bruckneudorf befindet. Die Anlage würde somit in den Besitz der ÖBB übergehen, wenn der Pachtvertrag nicht verlängert wird. Es gibt die Befürchtung, dass die historische Anlage oder Teile von ihr für das Infrastrukturprojekt geopfert werden könnten.
Christopher Seif, Pressesprecher der ÖBB, bestätigt auf KURIER-Anfrage: „Im Zuge dieses Vorhabens sind auch Arbeiten an den Bahnanlagen im Nahbereich der Bunkeranlage Ungerberg notwendig. In Kürze wird es einen Abstimmungstermin geben, bei dem auch die möglichen Auswirkungen auf die Bunkeranlage abgestimmt werden.“ Laut Seif bestehe jedenfalls eine Option auf Verlängerung des Pachtvertrages.
Zu einem möglichen Abriss des Bunkers erklärt der ÖBB-Sprecher: „Ein Abriss ist derzeit nicht vorgesehen. Ob dieser für den Gleisbereich erforderlich ist, ist noch intern abzuklären.“
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