Ungarns Mega-Projekt am Neusiedler See: Das planen die Naturschützer
Die Wellen schlagen trotz niedrigen Wasserstands auf Europas größtem Steppensee höher als sonst. Der KURIER-Bericht „Orbáns Griff nach dem See“ beleuchtete ein Tourismusprojekt im Ausmaß von 75 Millionen Euro am ungarischen Ufer des Neusiedler Sees bei Fertörákos – unter angeblicher Beteiligung von Orbáns Tochter Ráhel.
Die Aufregung war auch am Mittwoch in Mörbisch zu bemerken, wo Walter Pelikan, Vorsitzender des Ramsar-Komitees, und Christian Schuhböck (Allianz für Natur) zu einer Informationsveranstaltung geladen hatten. Vertreter der Gemeinde Mörbisch waren ebenso anwesend wie Mitglieder des ungarischen Vereins „Freunde des Neusiedler See“, die Grüne Landtagsabgeordnete Regina Petrik und sogar Gastronom Walter Eselböck, der das „Haus Im See“ betreibt.
Mit Staunen vernahmen die Anwesenden erstmals vorgetragene Informationen aus Ungarn über die Größe des Projekts – ein ungarischer Umweltschützer hatte diese von der Behörde in Györ erhalten: 136 Hektar Fläche werden versiegelt, 880 Parkplätze sind geplant. Laut Prognosen des Umweltschützers beziehungsweise Hochrechnungen wird mit einem zusätzlichen Verkehrsaufkommen von rund 8.000 Fahrzeugen gerechnet – täglich, in der Hochsaison.
Deshalb sei die von Ungarn an Österreich kommunizierte Position, dass das Projekt keine grenzüberschreitenden Auswirkungen auf Österreich habe, auch nicht haltbar, sind sich die Projektgegner einig. Sie sehen sich bestärkt in ihren Befürchtungen, dass das Projekt den Status Weltkulturerbe gefährden könnte und fordern weiter eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Rein rechtlich könnte Österreich an Ungarn einen Antrag auf Feststellung der UVP-Pflicht stellen.
„Aber der Hund liegt darin begraben, dass Ungarn das dann auch bei Projekten auf österreichischer Seite machen könnte. Hier bei uns gibt es ja ähnlich größenwahnsinnige Tendenzen“, erklärt Ramsar-Vorsitzender Pelikan und bestätigt damit die Befürchtungen von Schuhböck, der bezweifelt, dass „sich Österreich auf mit Ungarn anlegen will“.
Die Grüne Landtagsabgeordnete Regina Petrik kündigte eine Anfrage im Landtag an und will auch auf Bundes- sowie Europaebene initiativ werden: „Die Entwicklung des Neusiedler Sees muss ein grenzüberschreitendes Projekt sein, der See hört nicht bei der Grenze auf.“
Die Naturschützer und Projektgegner selbst wollen ein Netzwerk bilden und in gemeinsamen Informationsveranstaltungen, Pressegesprächen und mit Anfragen an Behörden und Politikern ihrer Forderung nach einer grenzüberschreitenden UVP Nachdruck verleihen.
Rätselraten über das Tourismusprojekt in Ungarn
Insider wissen seit 2016 über das am ungarischen Südufer geplante touristische Megaprojekt bei Fertörákos Bescheid. Die ersten Medienberichte darüber stammen aus dem Jahr 2017. Schon damals wurde von verschiedenen Organisationen vor der weiteren Verbauung des größten Steppensees Europas gewarnt – sowohl auf ungarischer als auch auf österreichischer Seite.
Spärliche InformationenOffizielle Informationen zum umgerechnet rund 75 Millionen Euro teuren Projekt gibt es kaum. Wie allerdings auf einem im Jänner 2019 von Sopronmédia auf YouTube veröffentlichten Video zu sehen ist, soll am ungarischen Ufer auf rund 136 Hektar eine moderne Freizeitanlage entstehen, die alle Stücke spielt. Angefangen von einem Hotel am Wasser mit 100 Betten, einem Wasser- und Freizeitpark mit Öko- und Besucherzentrum sowie Anlegeplätze für 800 Schiffen oder Segelbooten sowie Campingplatz und zahlreichen Parkplätzen ist die Rede.
Ungarns Megaprojekt am Neusiedler See ruft Naturschützer auf den Plan
Auch in regierungsfreundlichen ungarischen Medien wird das Projekt als „Sehnsuchtswunsch der regionalen Bevölkerung“ inszeniert und immer wieder darauf hingewiesen, dass das Projekt ökologisch unbedenklich sei. In diesem Zusammenhang ist wohl auch die Ablehnung der ungarischen Behörden hinsichtlich einer von Österreich geforderten grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zu sehen: Ungarn will diese einfach nicht.
Nach einem KURIER-Bericht vom 10. Juli („Orbáns Griff nach dem See – Ungarisches Tourismus-Projekt bedroht Weltkulturerbe Neusiedler See“), in dem erstmals über eine mögliche Beteiligung der Familie Orbán, genauer Orbáns Tochter Ráhel, der kolportierten „neuen starken Frau in Ungarns Tourismus“ und ihrem Gatten István Tiborcz, beteiligt an zahlreichen Bauprojekten am Plattensee, berichtet wurde, kam abermals Bewegung in die Angelegenheit.
In Ungarn formiert sich Widerstand, weil das Projekt ohne Einbindung der Bevölkerung umgesetzt wird (der KURIER hat berichtet). Auf beiden Seiten der Grenze sorgt man sich außerdem um den Status des Neusiedler Sees als Weltkulturerbe. Auch in Paris, im World Heritage Center der UNESCO, ist man bereits aufmerksam geworden und hat Stellungnahmen aus Ungarn angefordert.
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