Ungarn und Slowaken retten die Kaufkraftbilanz des Burgenlandes
Alle drei Jahre geht die Wirtschaftskammer Burgenland der Entwicklung der Kaufkraft im Land genau auf den Grund. Die aktuellen Zahlen, unlängst vorgelegt vom Unternehmen „Gut & Co – Gumpinger Test & Consultigung“, bestätigen den seit Jahren erkennbaren Trend: Die Eigenbindung geht zurück, insgesamt geben also immer weniger Burgenländerinnen und Burgenländer ihr Geld im eigenen Bundesland aus.
Bei der ersten Analyse im Jahr 2009 betrug der Anteil noch 78,8 Prozent, mittlerweile ist er auf 72,7 Prozent gesunken.
Und das, obwohl die Einzelhandelsflächen im selben Zeitraum um 26 Prozent zugenommen haben. Damit liegt das Bundesland mit exakt 2,0 m² Verkaufsfläche pro Einwohner an der Spitze der österreichischen Bundesländer in puncto Handelsflächen-Ausstattung. In Vorarlberg liegt dieser Wert bei nur 1,3 m2 pro Einwohner.
Das Burgenland im Vergleich
Die Kaufkraft-Eigenbindung liegt im Burgenland an der untersten Skala aller österreichischen Bundesländer. Hauptverantwortlich sind vor allem die hohen Kaufkraft-Abflüsse in den Internethandel sowie zu den leistungsstarken und nahen Mitanbietern in Wien, Niederösterreich und der Steiermark.
Seit 2009 hat sich auch der Anteil des Onlinehandels an der burgenländischen Kaufkraft prozentuell verfünffacht und beträgt nun rund 14 Prozent des Kaufkraft-Volumens. Mehr als die Hälfte aller Abflüsse von insgesamt 468 Millionen Euro entfallen auf den nicht stationären Einzelhandel in Form des Internethandels/E-Commerce.
Die Entwicklung der Kaufkraft
Dass die gesamte Kaufkraft-Bilanz mit einem Einzelhandelsumsatz von knapp über zwei Milliarden Euro positiv ist, ist einerseits den „Streuumsätzen“ (Tourismus) und andererseits hauptsächlich den Kunden aus Ungarn und der Slowakei zu verdanken. Vor allem die ungarischen Gäste erweisen sich mit 186 Millionen Euro als wichtige Umsatzbringer für die heimische Wirtschaft. Aber auch aus der Slowakei wurde 2022 ein hoher Kaufkraft-Zufluss von 111 Millionen Euro verzeichnet, vor allem in die Einkaufszentren im Norden.
Die Lage in den Innenstädten
Seit 2009 hat sich der Anteil der innerstädtischen Verkaufsflächen kontinuierlich von 20 Prozent auf nur mehr zwölf Prozent reduziert. Somit findet in vielen Bezirksvororten der überwiegende Teil des Handels nicht mehr „innen“ statt, der Einzelhandel spielt also kaum mehr eine Rolle in den Innenstädten.
Außerdem steht das Burgenland österreichweit auch beim Anteil der „uniformen austauschbaren Großhandelsformen“ und beim Filialisierungsgrad an erster Stelle, wodurch die Einzigartigkeit der Standorte leidet. Seit 2009 ist der Filialisierungsgrad in den burgenländischen Zentren inklusive Parndorf von 51 Prozent auf 64 Prozent gestiegen, nur mehr 36 Prozent der Flächen sind noch „Inhabergeführte Geschäfte“.
Burgenlands Betriebe und der Online-Handel
Viele burgenländische Einzelhändler haben sich bereits auf die starke Konkurrenz aus dem Internet eingestellt. Außerdem hat Corona die digitale Präsenz in den Medien verstärkt. 93 Prozent der befragten Händler sind bereits „digital sichtbar“, viele auf mehreren Kanälen – 40 Prozent sogar auf mehr als vier (Homepage, Social-Media-Plattformen, etc.). Rund ein Viertel hat auch einen eigenen Online-Shop.
Die Empfehlungen der Experten
Die Analyse beleuchtet nicht nur den Istzustand, sondern gibt auch Empfehlungen für die zukünftige Raumordnungspolitik und Standortentwicklung. Vorrangiges Ziel sei eine „sensible Ansiedlungspolitik bei Großprojekten außerhalb der Kernbereiche“. Außerdem sollte die Bedeutung der Ortskerne besser hervorgestrichen werden, dazu gehören zum Beispiel auch Orts- und Stadtmarketing sowie die Förderung von gemeinschaftlichen Aktivitäten. Großes Potenzial sehen die Experten im Bereich des Einkaufstourismus. Dieses werde derzeit nur an vereinzelten Standorten genutzt.
Analyse: Alle drei Jahre dieselben Probleme
Vergleicht man die seit 2009 im dreijährigen Rhythmus erschienen Kaufkraft-Analysen, zeigt sich eine Fortsetzung der bereits vor 14 Jahren erkennbaren Trends: Kaufkraftabfluss in den Online-Handel, Marginalisierung der Innenstädte, zunehmende Filialisierung und weiter die höchste Dichte an Verkaufsflächen pro Kopf. Letzteres diente der Landesregierung auch als ein Argument für das neue Raumplanungsgesetz, das die Errichtung von Einkaufszentren im Ortskern statt am Ortsrand vorsieht.
ÖVP und FPÖ kritisierten das vehement, die Wirtschaftskammer hätte sich diese Maßnahme aber schon früher gewünscht, sagt Spartenobfrau Andrea Gottweis: „Die Novelle kommt viele Jahre zu spät, wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass es Maßnahmen zur Stärkung der Ortskerne braucht.“ Ob diese ihre Wirkung auch entfalten, dürfte die nächste Kaufkraftanalyse in drei Jahren zeigen.
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