Die Rinder haben ihre Schuldigkeit für dieses Jahr bald getan. Am 31. Oktober endet die Weidesaison und es geht zurück in den Stall. 2022 war kein einfaches Jahr auf der Hutweide in Apetlon: Rund um die (ausgetrocknete) Lange Lacke hatte das Fleckvieh zeitweise Probleme, genug Futter zu finden. „Aufgrund der extremen Trockenheit haben wir im Juli kurz überlegt, die Beweidung einzustellen“, erzählt Christopher Kroiss, Obmann der Apetloner Viehbauern, im Gespräch mit dem KURIER.
Zum Trockenheitsproblem auf der Weide gesellen sich Geldsorgen. Und ein alter Streit kocht von Neuem hoch: Der Weideverein wirft der Urbarialgemeinde Apetlon vor, den Viehbauern Geld zu unterschlagen, das diesen für die Beweidung zustehen würde. „Jahr für Jahr werden wir hingehalten, nach dem Motto: Schmeiß dem Hund einen Knochen hin und hoffe, dass er nicht verhungert“, klagt Kroiss. Er kritisiert, dass ihm die Urbarialgemeinde derzeit nur jährliche Verträge vorlege und fordert eine längerfristige Vereinbarung: „Wir brauchen Planungssicherheit“.
Zur Vorgeschichte
Der Zwist zieht sich schon seit Jahren hin. Zum besseren Verständnis: Im Jahr 2008 wurde innerhalb der Urbarialgemeinde Apetlon, der größten Agrargemeinschaft im Burgenland (siehe Infobox), der Weideverein gegründet. Auf die Weideflächen im Nationalpark-Gebiet wird seither jedes Jahr Fleckvieh aufgetrieben, womit ein Beitrag zum Erhalt der Steppenlandschaft geleistet wird. Dafür gibt es Fördergeld vom Land: Rund 30.000 Euro erhält die Urbarialgemeinde jährlich, zweckgebunden für die Beweidung der geschützten Flächen. Dieses Geld würde bei den Viehbauern aber nicht ankommen, sagt Kroiss: „Seit acht Jahren bekommen wir nur einen Bruchteil davon. Für das heurige Jahr haben wir noch keinen Cent überwiesen bekommen.“
Der Streit wurde schon einmal vor Gericht ausgetragen: 2019 klagte der Weideverein rund 100.000 Euro von der Urbarialgemeinde ein. Schlussendlich hat man sich auf einen Vergleich und die Zahlung von 73.000 Euro geeinigt. Die Hoffnung auf eine konstruktive Zusammenarbeit nach dem Zivilprozess sei laut Landwirt Kroiss aber nicht erfüllt worden: „Ein Jahr darauf hatten wir wieder dasselbe Problem. Wir haben gehofft, dass wir uns durch den Vergleich annähern, aber es passiert nicht. Im Gegenteil, es wird immer extremer.“
Das Wort geht auf den mittelalterlichen Begriff „Urbarium“ zurück: Das war ein Verzeichnis über Besitzrechte einer Grundherrschaft. Nach der Ungarn-Revolution 1848 erhielten die ehemaligen Untertanen das Eigentumsrecht über die Grundstücke, die sie bewirtschafteten und schlossen sich in Agrargemeinschaften zusammen. Diese bestehen heute noch als Urbarialgemeinden.
1.300 Hektar beträgt die Gesamtfläche der Urbarialgemeinde Apetlon. Sie ist die größte Agrargemeinschaft im Burgenland. Ein Großteil der Fläche ist an den Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel verpachtet. 250 Hektar bewirtschaftet die Urbarialgemeinde selbst. Eric Lang ist Obmann der Agrargemeinschaft mit mehr als 500 Mitgliedern.
Was sagt die Gegenseite zu den Vorwürfen? Mit der Zahlung der 73.000 Euro habe sich die Sache für die Urbarialgemeinde erledigt, erklärt deren Obmann Eric Lang gegenüber dem KURIER. Die jährlichen Fördergelder würde man sich nun wieder einbehalten, um damit selbst Maßnahmen für die Beweidung zu setzen – zum Beispiel durch den Bau eines Brunnens.
Lang kritisiert seinerseits mangelnde Verhandlungsbereitschaft des Viehbauern-Obmanns: „Es hat im März schon Gespräche gegeben, wie die Zusammenarbeit in Zukunft ausschauen soll, dann hat er sich aber nicht mehr gerührt.“ Außerdem habe Kroiss den Beweidungsvertrag für das laufende Jahr nicht unterschrieben und sei der Urbarialgemeinde noch Geld schuldig, beklagt Lang.
Der Obmann der Viehbauern beteuert, dass er auf eine Einigung im Guten hoffe – vor Gericht möchte er nicht noch einmal ziehen. „Wir wollen lieber so weitermachen, dass man sich noch ins Gesicht schauen kann“, sagt er.
Im Moment stehen die Zeichen im Apetloner Kuh-Streit aber eher auf Eskalation. Ein Inserat im Mitteilungsblatt der Landwirtschaftskammer, in dem 320 Hektar der Hutweide zur Beweidung ausgeschrieben wurden, hat den Konflikt weiter angefacht. Sechs Betriebe haben sich laut Eric Lang auf das Inserat gemeldet. Das nächste Ziel sei, längerfristige Beweidungsverträge aufzusetzen – auch mit den derzeit aktiven Landwirten.
Zu wenige Kühe
„Wir haben das Inserat geschaltet, weil laut Vertrag mindestens 80 Stück Vieh ausgetrieben werden müssen, damit wir die 30.000 Euro Förderung bekommen. Im Mai waren es 15 Rinder zu wenig, da wurde uns aliquot Geld abgezogen“, erklärt Lang.
Tatsächlich tummelte sich im heurigen Sommer deutlich weniger Fleckvieh auf der Apetloner Hutweide als in vergangenen Jahren. 500 waren es einmal. In diesem Jahr, laut Angaben des Viehbauern-Obmannes, nur noch 120 bis 130. Denn von ursprünglich neun Betrieben mit Rinderhaltung hätten schon sieben mit der Beweidung aufgehört. Kroiss: „Sie wollten sich die Streitereien nicht mehr antun.“
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