Hausverbot im Pflegeheim: Sohn durfte Mutter (91) nicht besuchen

Pflegebett
Der jahrelange Streit zwischen Heimleitung und dem Sohn einer Bewohnerin eskalierte. Zuletzt bekam der Mann sogar kurzfristig Hausverbot.

Von Gernot Heigl und Michael Pekovics

Aussage steht gegen Aussage im Fall eines Pflegeheims in Pinkafeld: Ein 64-jähriger Burgenländer darf seine 91-jährige Mutter nicht mehr besuchen. Die Heimleitung erteilte ihm ein Hausverbot – offiziell wegen einer Anzeige wegen sexueller Belästigung.

Das Hausverbot wurde im Zuge der Recherchen und vor Veröffentlichung des Artikels jedoch wieder aufgehoben.

Im Gespräch mit dem KURIER bestreitet der Sohn die gegen ihn erhobenen Vorwürfe vehement und sieht darin eine „Retourkutsche“ für seine jahrelange Kritik an der Pflege. Das Heim weist dies wiederum zurück und spricht von einer „notwendigen Schutzmaßnahme“.

Wie alles begann

Seit rund acht Jahren lebt Helene D. in einer Wohnung des Diakoniezentrums Pinkafeld. „Meine Mama ist jetzt 91 Jahre alt. Zwar nicht bettlägerig, benötigt aber eine 24/7-Betreuung“, schildert Heinz D. aus dem Bezirk Oberwart. Die ersten Monate seien reibungslos verlaufen. „Wir waren beide glücklich. Doch im Laufe der Zeit kam es zu negativen Vorfällen.“ 

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Heimleitung und Angehöriger liefern widersprüchliche Darstellungen.

 

Aus Sicht des Sohnes begann es mit dem Verschwinden von Schmuckstücken. „Eines Tages waren Ohrringe und Ehering weg. Als ich das der Heimleitung meldete, hieß es nur, dass das nicht sein könne.“ Man habe vermutet, seine Mutter habe die Stücke versehentlich weggespült. Auch in medizinischen Fragen fühlte er sich übergangen: Wegen eines schmerzenden Knies habe er mehrmals urgieren müssen, bis ein Arzt verständigt wurde.

Streitpunkt: Pflegequalität

Wiederholt habe er die Kontrolle der Medikamenteneinnahme beanstandet. „Als ich mich darüber beschwert habe, bekam ich zur Antwort: ,Wenn Ihre Mutter die Tabletten nicht einnimmt, ist das ihr Problem.‘“ Auch unzureichende Flüssigkeitszufuhr und eine aus seiner Sicht mangelhafte Wundversorgung seien Themen gewesen. Blaue Flecken am Körper seiner Mutter dokumentierte er. „Meine Theorie ist, dass die blauen Stellen Zeichen grober Behandlung bei der Körperpflege sind.“

Die Frau in einem Rollstuhl

Der Fall um eine 91-jährige Bewohnerin sorgt für Diskussionen

Das Pflegeheim sieht die Vorwürfe anders. Eine Sprecherin der Diakonie betont: „Uns ist im Haus ein guter Umgang von Personal, Bewohnern und Besuchern sehr wichtig. Und da gibt es Regeln, an die sich alle halten müssen.“ Man habe den Angehörigen wiederholt auf Probleme hingewiesen und mit ihm Gespräche geführt.

"Vermutlich war ich für einige ein Querulant"

Zwei Mal täglich habe er seine Mutter besucht, sei mit ihr spazieren gegangen und habe auf ihre Versorgung geachtet, sagt Heinz D. Seine Beschwerden hätten jedoch das Verhältnis zur Heimleitung belastet. „Deshalb war ich für einige Personen im Heim vermutlich ein Querulant.“ Die Stimmung habe sich zunehmend verschlechtert. Nach Darstellung des Sohnes wurde das Personal eines Tages angewiesen, ihn ausschließlich zu siezen. „Das war für mich ein Signal, dass man auf Distanz gehen will.“

Das Diakoniezentrum in Pinkafeld

Das Diakoniezentrum in Pinkafeld steht im Zentrum eines Konflikts zwischen einem Angehörigen und der Heimleitung.

Vorige Woche dann die Eskalation: Eine Heimleiterin teilte ihm telefonisch mit, dass gegen ihn eine Anzeige wegen sexueller Belästigung vorliege und er das Haus nicht mehr betreten dürfe. „Ich war fassungslos und wusste zuerst gar nicht, was ich sagen soll“, erzählt er. Auch von der Polizei habe er nur erfahren, dass Ermittlungen laufen. „Ich weiß bis heute nicht, wer mich angezeigt hat und was mir vorgeworfen wird.“

„Letzte Maßnahme“

Das Pflegeheim sieht den Schritt als notwendig. „Ein Hausverbot für einen Angehörigen ist die letzte Maßnahme, die wir treffen“, heißt es in der Stellungnahme. „In diesem Fall hat es nach einer langen Reihe von Gesprächen wieder einige Vorfälle gegeben, die uns zuletzt dazu gezwungen haben zu handeln. Da geht es um den Schutz unserer Mitarbeiter und Bewohner.“ 

Zugleich betont die Diakonie, dass man mehrfach angeboten habe, bei der Suche nach einem anderen Heimplatz zu helfen. Dieses Angebot habe der Angehörige jedoch stets abgelehnt. „Uns ist der Kontakt unserer Bewohner mit ihren Angehörigen sehr wichtig. Aber es muss klare Regeln geben.“

Für Heinz D. war das ausgesprochene – und mittlerweile wieder aufgehobene – Hausverbot ein tiefer Einschnitt – vor allem für seine Mutter. „Das wird schändlicherweise auf ihrem Rücken ausgetragen“, sagt er. Am Montag war er mit ihr im Spital, weil sie sichtbare Verletzungen an ihrer Hand hatte. Der 64-Jährige bemüht sich angesichts der Situation, rasch einen neuen Platz für die 91-Jährige zu finden. Die Heimleitung signalisiert ihrerseits, eine Lösung anzustreben: „Jedenfalls sind wir – vor allem im Interesse der 91-jährigen Dame – dabei, eine Lösung zu suchen.“

Fall für die Justiz?

Rechtlich ist die Situation offen. Die Anzeige wegen sexueller Belästigung liegt bei der Polizei, Ergebnisse gibt es nicht. Heinz D. hat einen Anwalt eingeschaltet. Gerhard Ederer aus Oberwart erklärt: „Mein Mandant weist die erhobenen Vorwürfe entschieden zurück. Ich bin überzeugt davon, dass die Anschuldigungen unbegründet sind. Angesichts des Alters der Mutter erscheint es geboten, den persönlichen Kontakt zeitnah zu ermöglichen.“

Anwalt Gerhard Ederer

Anwalt Gerhard Ederer: „Mein Mandant weist die erhobenen Vorwürfe entschieden zurück."

Das Heim äußert sich zu den laufenden Ermittlungen nicht im Detail. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes könne man keine weiteren Angaben machen, aber: „Wir sind uns sicher, dass Ihnen in wenigen Tagen auch die Behörde versichern wird können, dass die Vorwürfe des Angehörigen haltlos sind.“

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