"Nord versus Süd": Das Land der weiten Wege

"Nord versus Süd": Das Land der weiten Wege
In der KURIER-Serie „100 Jahre Nord versus Süd“ geht es dieses Mal um Wanderarbeiter, Wochenpendler und großen Entfernungen.

2,5 Jahre. So viel Zeit braucht ein Burgenländer in 45 Jahren Erwerbstätigkeit durchschnittlich, um in die Arbeit und wieder nach Hause zu kommen. Umgerechnet sind das rund 930 Tage, österreichweit liegt dieser Wert bei „nur“ 871 Tagen, also zirka zwei Monaten weniger.

Burgenland – Land der Pendler?

Tatsächlich erklärte bereits im Jahr 1965 der damalige Landtagspräsident Fred Sinowatz die „Wanderarbeiterfrage“ als „das große Problem unserer Zeit“. Als Ursachen ortete Sinowatz damals die „extreme Randlage“ und die „Verkehrsverhältnisse“. Durch schrittweise Verbesserungen wurden dann aus Wanderarbeitern, die im Frühjahr auszogen und erst nach Wochen oder Monaten heimkehrten, die Wochenpendler.

Pendeln in USA

Ein schönes Beispiel dafür findet sich in der Entwicklung der mittelburgenländischen Gemeinde Neutal, deren Bewohner sich zur Zeit der Industrialisierung einen Namen als Kamin- und Ofenmaurer gemacht hatten. Ihr Fachwissen war auf der ganzen Welt gefragt.

Die Spezialmaurer pendelten in verschiedene Länder zum Arbeiten aus, so etwa auch nach Indien, Libyen, in die USA aber auch in die Ballungszentren Österreichs, sagt Johann Godowitsch. Er engagiert sich im Museum für Baukultur (MUBA), das nicht nur von der Geschichte der Spezialmaurer, sondern auch vom Pendeln in der Gemeinde Neutal Zeugnis gibt.

Wandel der Zeit

„Früher konnten die Pendler – wie auch mein Großvater – nur alle paar Monate nach Hause kommen. Heute gibt es meist Tagespendler“, sagt er. In Zahlen heißt das: 1971 gab es im Burgenland knapp über 20.000 motorisierte Tagespendler, die mit Pkw, Motorrad oder Moped unterwegs waren; 1991 waren es schon 53.000 und 2001 über 76.000.

Neutal hat sich vom einstigen Kleinbauerndorf, über die ehemalige Maurer- und Pendlergemeinde, zur heutigen Technologie- und Tourismusgemeinde entwickelt. Trotz Corona-Krise siedeln sich weiterhin Betriebe im Ort an. Heute gibt es in der rund 1.100-Einwohner-Gemeinde in etwa so viele Arbeitsplätze wie Einwohner – und mehr Einpendler als Auspendler.

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Damit gehört Neutal mit einem Pendlersaldo von knapp 204 zum erlauchten Kreis von nur zwölf burgenländischen Gemeinden, in denen es mehr Jobs als Erwerbstätige gibt.

Dazu zählen natürlich Eisenstadt (243,5) und Parndorf (138,7) ebenso wie wie die Bezirkshauptstädte Oberpullendorf (190), Oberwart (195,6) und Güssing (184,2). Etwas überraschender ist der Bezirksvergleich. Denn da schneidet Oberwart mit 82,5 vergleichsweise noch am besten ab (siehe Grafik). Das heißt also, dass es im südburgenländischen Bezirk relativ viele Arbeitsplätze vor Ort gibt.

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Im Süden fahren Pendler mit dem Bus

Klischee im Wandel

Tatsächlich dürfte sich das Klischee des zum Pendeln gezwungenen Südburgenländers langsam verändern, schließlich sind es heute vor allem die im Wiener Speckgürtel lebenden Nordburgenländer, die in der Hauptstadt arbeiten, aber am Land leben. Zumindest statistisch gesehen. Den höchsten Auspendleranteil gibt es übrigens ohnehin im Bezirk Mattersburg, wo 87 Prozent der Erwerbstätigen nicht im Bezirk arbeiten.

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Im Norden setzen Pendler oft auf die Bahn

Der Weg zur Arbeit

36 Minuten. So lange fährt ein durchschnittlicher Burgenländer in seine Arbeit – länger als jeder andere Österreicher. Die periphere Lage des Burgenlandes trägt dazu ihren Teil bei. Auch innerhalb des Bundeslandes gibt es ein Ost-West-Gefälle: Je näher man an der Grenze wohnt, desto länger ist der Weg zur Arbeit.

Die Kombination aus wenig Arbeitsplätzen vor Ort und der schlechten Versorgung im öffentlichen Verkehr führt zu einem hohen Motorisierungsgrad. Und der ist im Süden noch einmal ein gutes Stück höher als im Norden, wo viele Pendler nicht auf ihr Auto angewiesen sind, sondern mit der Bahn pendeln können. Den Südburgenländern bleibt da nur ihr G1-Bus. Insofern gibt es doch noch große Unterschiede.

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