Nachwuchs bei den Lipizzanern des Seewinkels
Wer im 18. Jahrhundert der noblen Gesellschaft angehörte und etwas auf sich hielt, der musste einen haben: Einen Weißen Barockesel. Oder am besten gleich mehrere.
Denn der Österreichisch-Ungarische Weiße Esel, wie er auch genannt wird, galt aufgrund seines hellen Fells als „Lichtbringer“. Im Rokoko war er, ähnlich wie Schimmel und etwas später Lipizzaner, der letzte Schrei in den Ställen der höheren Gesellschaft. Besonders gerne sollen sie vor Kinderkutschen gespannt worden sein.
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Über die Jahrhunderte geriet der gute Ruf der weißen Esel mit den blauen Augen zunehmend in Vergessenheit. Sie wurden immer seltener gezüchtet, wären fast ausgestorben. 1986 entdeckte ein Experte auf dem Gebiet der Haustierrassen, Professor Fritz Altmann, einige weiße Esel im steirischen Landestiergarten. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Rasse revitalisiert.
Die Bemühungen, eine stabile Grundpopulation durch internationalen Austausch von Zuchttieren zu schaffen, laufen bis heute. Ein großes Erfolgserlebnis hatte die Barockesel-Community vor wenigen Wochen zu feiern – eigentlich sogar zwei: Am Gut St. Martins in Frauenkirchen haben zwei Fohlen namens Otto und Wynn das Licht der Welt erblickt.
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Nur 20 Fohlen pro Jahr
„Aktuell wissen wir, dass es Tiere in Deutschland, Frankreich, der Schweiz, Italien und Spanien gibt. Durch die Zusammenarbeit mit dem Gut St. Martins gibt es eine wichtige neue Säule zur Arterhaltung einer ganz besonderen Nutztierrasse“, freut sich die Präsidentin des Barockesel-Vereins Katharina Tschann. In einem guten Fohlenjahr, sagt Tschann, werden rund 20 Eselbabys geboren: „Otto und Wynn sind damit im wahrsten Sinne Schätze, weil es so wenige gibt“.
Anruf mit Folgen
Dass die weißen Esel nach Frauenkirchen gekommen sind, ist der Journalistin und Tierschützerin Maggie Entenfellner zu verdanken. „Ich habe vor einigen Jahren einen Anruf bekommen, dass ein Bauer zwei Barockesel hat und sie nicht mehr halten kann. Sie sollten geschlachtet werden“, erinnert sich Entenfellner.
Für sie war klar, dass die beiden Hengste gerettet werden mussten. Es gab nur ein Problem: „In Wien am Balkon machen sich Esel nicht so gut“. Die Journalistin hatte schlicht keinen geeigneten Platz für die Tiere.
Dieser war aber bald bei der St. Martins Therme & Lodge gefunden, wo zu dieser Zeit gerade ein kleiner Tierpark aufgebaut wurde.
Aus zwei Barockeseln wurden dann bald mehr. Mittlerweile leben drei Wallache, der Zuchthengst Joschka und der über 30-jährige Hengst Galamber in Frauenkirchen. Die beiden Stuten, Mathilda und Mariandl, sind nur zu Gast im Seewinkel. Der kleine Otto darf aber jedenfalls bleiben. „Unser Ziel ist es, in unserem Gut St. Martins eine Säule der Eselzucht aufzubauen“, sagt der Geschäftsführer der Therme, Klaus Hofmann. Die Tiere seien für tiergestützte Intervention (TGI) zertifiziert und erfreuen sich bei den Besuchern der Therme größter Beliebtheit, erzählt Hofmann.
Prominente Patentante
Am vergangenen Donnerstag hatte „Otto von St. Martins“ seinen ersten großen öffentlichen Auftritt: Pater Thomas vom Franziskanerkloster Frauenkirchen segnete den acht Wochen jungen Barockesel. Als Patentante fungierte – wie könnte es anders sein – Maggie Entenfellner.
Der Weiße Barockesel, oder Österreichisch-Ungarische Weißer Esel, zählt zu den hochgefährdeten Nutztierrassen. Der Ursprung der einzigen österreichischen Eselrasse geht in die Barockzeit zurück, als Tiere mit hellem Fell, wie etwa Schimmel, beim Adel sehr beliebt waren. Erst seit 2016 ist der Barockesel eine anerkannte Rasse.
Der Verein zur Erhaltung der weißen Barockesel schätzt den weltweiten Bestand auf maximal 400 Individuen, 344 Tiere sind offiziell bekannt.
Übrigens: Beim Weißen Barockesel handelt es sich um die einzige originär österreichische Eselrasse (siehe Infobox). Ob gewisse Attribute, die dem Esel gerne zugeschrieben werden – stur, eigenwillig, etwas distanziert – auch auf die österreichische Seele zutreffen? Kenner des Landes werden ebenso wie Esel-Fans bestätigen, dass es sich dabei nur um oberflächliche Klischees handeln kann. Eigentlich sind doch beide ganz lieb.
Im Falle des Weißen Barockesels kann man sich bei einem Besuch im Seewinkel selbst davon überzeugen.
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