Hochrisikofälle: „Die Intensität der Gewalt nimmt zu“
Immer wieder wurde Frau A. von ihrem Ehemann geschlagen. Falls sie sich scheiden ließe, würde er sie umbringen, droht er ihr.
Seit Jahren geht das so. Als er sie wieder ohrfeigt und mit dem Tod bedroht, wird die Polizei verständigt.
Nachdem diese ein Betretungs- und Annäherungsverbot gegen den Mann ausspricht, wird das Gewaltschutzzentrum verständigt – ein erster Schritt, um der Gewaltspirale zu entkommen.
„Extrem hoch gefährdet"
Zunächst wird eine wissenschaftlich fundierte Gefährdungseinschätzung vorgenommen. Bei Frau A. heißt es, sie sei „extrem hoch gefährdet“, durch ihren Ehemann einem schweren körperlichen Angriff ausgesetzt oder getötet zu werden.
Laute Hilferufe
Auch wenn das öffentliche Leben durch die Pandemie in den vergangenen Monaten stiller geworden ist – hinter verschlossenen Türen war das oft ganz anders. Die Hilferufe würden immer lauter.
„Die Intensität an Gewalt hat zugenommen. Wir haben eine deutliche Steigerung an Hochrisikofällen“, bringt es Karin Gölly, Leiterin des Gewaltschutzzentrums Burgenland, auf den Punkt.
Bis Ende April dieses Jahres wurden 20 Hochrisiko-KlientInnen in der Einrichtung betreut, elf davon sind heuer neu dazugekommen. Zum Vergleich: Im Vorjahr gab es 23 Hochrisikofälle, davon waren in den ersten vier Monaten sieben neu.
Steigender Druck
Über die Gründe für die steigende Gewaltbereitschaft und die zunehmenden Fälle schwerer Übergriffe ließen sich nur Vermutungen anstellen, sagt Gölly. Doch die Einschränkung der sozialen Kontakte in der Corona-Krise und der steigende Druck, auch in wirtschaftlicher Hinsicht, seien wohl ein Mitgrund für die Entwicklung. „Das Korrektiv, das man sonst hat – wie etwa der Austausch am Arbeitsplatz, in Kindergarten und Schule – ist lange Zeit weggefallen.“
Zusammenarbeit mit Behörden
Um für die sogenannten Hochrisikofälle gerüstet zu sein, gebe es in anderen Bundesländern die Forderung nach Sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen, sagt Gölly. Im Burgenland werde das Instrument schon seit 2016 eingesetzt.
Mit Zustimmung der meist weiblichen Klienten werden deren Situationen mit der Bezirkshauptmannschaft, dem Gewaltschutzzentrum, der Staatsanwaltschaft, der Polizei sowie Mitarbeitern der Kinder- und Jugendhilfe in diesen Fallkonferenzen besprochen. Gemeinsam werden individuelle Maßnahmen für Betroffene erarbeitet.
"Beitrag, um Tötungsdelikte zu verhindern"
Auch wenn man keine Zahlen nennen könne: „Ich bin überzeugt, dass die Sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen dazu beitragen können, schwere Gewalttaten und Tötungsdelikte zu verhindern.“
Die Hilfe im Gewaltschutzzentrum ist streng vertraulich, kostenlos und auf Wunsch anonym. Auch wenn die Zahl der Beratungen steigt: Ein Limit an Unterstützung gebe es nicht, betont Gölly. „Wir können allen Klientinnen und Klienten jene Unterstützung anbieten, die sie benötigen.“
Telefon: 03352/31 420
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