Heimatmuseen: Im "Dorf im Dorf" steht die Zeit still

Heimatmuseen: Im "Dorf im Dorf" steht die Zeit still
Dank unermüdlichem Einsatz, unzähliger Arbeitsstunden und unfassbarer Leidenschaft lebt die Vergangenheit weiter.

Am 30. April wird wieder in die Hände gespuckt. Dann wird nämlich im Freilichtmuseum Ensemble Gerersdorf der traditionelle Maibaum aufgestellt – natürlich ohne technische Hilfsmittel und damit so, wie es früher burgenländisches Brauchtum war.

Dass dieses nicht nur in Form von Veranstaltungen wie dieser weiterlebt, sondern auch hautnah erlebt werden kann, ist dem Engagement von Gerhard Kisser und seiner Frau Eveline Niederbacher-Kisser zu verdanken. Vor 50 Jahren lernte der gebürtige Wiener die südburgenländische Gemeinde Gerersdorf bei Güssing kennen – und verliebte sich prompt in das damals letzte strohgedeckte Haus der Ortschaft, genauer gesagt in die noch original erhaltene Rauchküche.

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Damals begann im heute 82-Jährigen der Gedanke zu reifen, historische Holzblockbauten, die damals noch vereinzelt in der idyllischen Landschaft der Region zu finden waren, vor dem endgültigen Verfall zu retten. Als er 1972 das erste Grundstück am Riegelberg kaufte, wusste er vermutlich noch nicht, dass daraus – gemeinsam mit dem Dorfmuseum Mönchhof (siehe unten) – das größte Freilichtmuseum des Landes werden würde. Im über die Jahre entstandenen „Dorf im Dorf“ gibt es insgesamt 35 historische Bauwerke zu entdecken, die meist nur aus Holz, Lehm und Stroh gebaut wurden.

Mangelware Strohdach

Alle Gebäude und Gerätschaften stammen aus dem pannonischen Raum – vorwiegend aus dem südlichen Burgenland und aus dem angrenzenden heutigen West-Ungarn. Besonders problematisch in der Erhaltung sind die strohgedeckten Dächer der Gebäude. „Nach einigen Problemjahren, in denen wir keine Strohdecker fanden, konnten wir im vergangenen Herbst vier Gebäude mit neuen Strohdächern decken“, sagte Kisser anlässlich der jüngst erfolgten Saisoneröffnung.

Heimatmuseen: Im "Dorf im Dorf" steht die Zeit still

Mit 30 kam Kisser erstmals ins Südburgenland – und blieb 

Und so erstrahlen Kreuzstadel, Kitting, Kellerstöckl und das Lieblingsobjekt des Gründers, das Wohnhaus aus Kroatisch Tschantschendorf, heute dank eines von EU, Bund und Land geförderten Projekts in neuem Glanz. Insgesamt 16 Gebäude konnten so in den vergangenen Jahren mit neuen Dächern ausgestattet und dadurch der optische Gesamteindruck verbessert werden.

10.000 Besucher pro Jahr

Neben dem historischen Wert des Ensembles darf auch der touristische nicht unterschätzt werden. Jährlich kommen etwa 10.000 Besucherinnen und Besucher ins Freilichtmuseum, das von Anfang April bis Mitte November geöffnet ist. Angeboten werden freilich nicht nur Rundgänge durch die liebevoll gestaltete Anlage am Riegelberg, sondern auch Kurse, die sich nicht umsonst als „Sommerakademie zur Erhaltung des persönlichen Kulturgutes“ verstehen: Drechseln, Korbflechten und Knöppeln sind nur drei der zur Auswahl stehenden Angebote.

Heimatmuseen: Im "Dorf im Dorf" steht die Zeit still

Größter Kostenfaktor bei der Sanierung von 16 Gebäuden waren die Strohdächer.

Wie bravourös der Spagat in die heutige Zeit geschafft wird, beweisen die zahlreichen Veranstaltungen, darunter Ausstellungen von bekannten Künstlern oder die Gerersdorfer Blues Night am 13. Mai, die heuer schon zum fünften Mal über die Bühne geht. Heuer gibt es erstmals auch einen Kindertag.

Das gesamte Programm finden Sie auf freilichtmuseum-gerersdorf.at.

Heimatmuseen von Nord bis Süd

Seit 1990 betreiben Christine und Josef „Beppo“ Haubenwallner das Dorfmuseum Mönchhof Ihrer Vision von einem „Dorf wie damals“ sind sie mittlerweile schon sehr nahegekommen.
 Das Areal wurde immer wieder erweitert, jetzt stehen hier schon 35 Gebäude – darunter  eine Schule, ein Kino, eine Handwerkszeile und sogar eine Kirche samt Krypta und Friedhof. Das Museum ist nicht einer einzigen Epoche gewidmet; die Exponate stammen aus der Zeit um 1890 bis in die 1960er-Jahre. Die jüngste Attraktion ist die „Außenstelle Bahnhof“: Am ehemaligen Mönchhofer Bahnhof, gleich gegenüber vom Dorfmuseum, können drei alte Bahnwaggons  besichtigt werden. In ihnen bekommt man ein Gefühl dafür, wie man „anno dazumal“ auf der 1897 eröffneten Neusiedler Seebahn gereist ist.

Das Dorfmuseum Mönchhof ist von 1. April bis 31. Oktober geöffnet.  Derzeit noch geschlossen ist das Weinmuseum Moschendorf – der Saisonstart wird am kommenden Samstag, dem 29. April, gefeiert. Ab dann kann man wieder in den alten, im Originalzustand erhaltenen, Kellern und Stadeln in die burgenländische Weinkultur eintauchen – und sie bei Uhudler-Verkostung im Anschluss an die Führung auch schmecken.

In Bad Tatzmannsdorf trifft ebenfalls Historie auf Kulinarik. Im Freilichtmuseum „Dazumal“ wird die Uhr um Jahrhunderte zurückgedreht, im Arkadenheurigen werden typisch burgenländische Schmankerl serviert. Jeden ersten Sonntag im Monat gibt es ab 10 Uhr den Genussmarkt mit dem traditionellen Frühschoppen. Das Museum ist ganzjährig geöffnet.    

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