Der Neusiedler See ist hart im Nehmen
Bald heißt es „Wasser marsch!“ am Neusiedler See. Denn die burgenländische Landesregierung und Ungarn haben sich darauf geeinigt, den See zu erhalten. Also wird Wasser über den Moson-Arm der Donau zugeleitet, ein bereits bestehender Kanal wird um 13 Kilometer bis zur Staatsgrenze verlängert, der Übergabepunkt ist bei Andau. Details dazu sollen noch im Frühjahr besprochen werden (der KURIER hat berichtet).
Wie der See darauf reagieren wird, bleibt offen. Experten sehen zwar nur geringe Auswirkungen auf das Ökosystem, Natur- und Umweltschützer befürchten dennoch negative Folgen.
Wie auch der ehemalige Landeshauptmann-Stellvertreter Gerhard Jellasitz, der als Mitbegründer des Nationalparks einmal mehr einen dringenden Appell an die Verantwortlichen richtet: „Hände weg vom Neusiedler See und dem Nationalpark.“ Er befürchtet „erhebliche Kollateralschäden“ aufgrund der „unbekannten Nebenwirkungen“. Ab April will Jellasitz mit einem Podcast einen umfangreichen Informationsprozess starten. „Die Reaktionen auf unsere Initiative zum Schutz des Sees sind enorm, 380 Bürger haben bereits ihre aktive Unterstützung zugesagt“, betont er.
Widerstand
Wie breit der Protest in der Region tatsächlich wird, bleibt jedoch abzuwarten. Bislang gab es zu den bereits seit Frühjahr 2020 bekannten Plänen des Landes nur vereinzelt kritische Stimmen von Umweltschützern. Der große Protest der Bevölkerung blieb bisher aus, die wirtschaftliche Abhängigkeit vom See dürfte wohl zu groß sein.
Spannend in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass ausgerechnet der Widerstand gegen ein Ende der 1960er-Jahre geplantes Projekt schlussendlich zur Gründung des Nationalparks Neusiedler See-Seewinkel im Jahr 1993 führte – die mittlerweile bereits legendäre Brücke über den Neusiedler See. Die Verbindung von Illmitz mit Mörbisch hätte den Seewinkel besser an das restliche Österreich anbinden sollen. 1971 wurde das Projekt beschlossen, musste dann aber aufgrund von starken Protesten wieder abgeblasen werden.
Historischer Rückblick
Die Nutzung des Sees beziehungsweise seines Bodens ist seit Jahrhunderten Spielball der Mächtigen – und am Ende doch immer abhängig von der Natur. Davon zeugen dokumentierte Ereignisse und Entwicklungen, wie zum Beispiel Hochwasser, die immer wieder dafür sorgten, dass Bauern abwandern mussten.
1865 bis 1868 war der Neusiedler See zuletzt vollständig ausgetrocknet. Aufgrund der dokumentierten Austrocknungsphasen kann man annehmen, dass er bisher rund hundert Mal ohne Wasser war.
1918 scheiterte ein Entwässerungsplan durch das Ende der Monarchie. Drei Jahre später wurden weitere Pläne zur Trockenlegung von Jägern, Naturschützern und der Bevölkerung verhindert.
1938 wurden mehrere Projekte geprüft, um den See zu erhalten, etwa Zuleitungen von Donau oder Leitha, sogar Turbinen waren im Gespräch.
1941 erreichte der See seine bisher größte Ausdehnung und trat dabei viele Kilometer weit über die Ufer.
2014 wurde zuletzt in größerem Ausmaß Wasser über den Einser-Kanal in Richtung Ungarn abgelassen
Dazwischen gab es aber auch Phasen des wirtschaftlichen Aufschwungs, unterbrochen von Rückschlägen, wie jahrelangen Torfbränden (ab 1857) und einer Invasion von Wanderheuschrecken im Jahr 1858. Oder gleich der kompletten Austrocknung, was sogar zum Anbau von Reis führte – und dank Wind und Trockenheit jede Menge Salz in die Weingärten und umliegenden Ortschaften brachte. Aufgrund von Lebensmittelengpässen gegen Ende des Ersten Weltkrieges wurde damals ernsthaft über die Trockenlegung des Sees diskutiert.
Heute geht es genau in die andere Richtung: Das Donau-Wasser soll zum einen den See, zum anderen auch das Grundwasser speisen. Denn von dessen Stand hängt ab, wie viel die Landwirte bewässern dürfen. Ohne Maßnahmen würde der See in den kommenden 30 Jahren langsam aber ziemlich sicher austrocknen. Auch wenn er noch so hart im Nehmen ist, wie die Geschichte zeigt.
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