Commerzialbank-Prozess gestartet: Vorständin "vollinhaltlich schuldig"

++ ARCHIVBILD ++ COMMERZIALBANK MATTERSBURG - NEUE ANKLAGE GEGEN PUCHER UND CO
Heute hat der zweite Strafprozess zur Pleitebank begonnen. Einer fehlte: Hauptbeschuldigter Martin Pucher. Er ist nicht verhandlungsfähig.

Der Mann, der am meisten zur Aufklärung beitragen könnte, fehlt auch beim zweiten Strafprozess zur Commerzialbank Mattersburg, der heute im Landesgericht Eisenstadt beginnt. 

Martin Pucher (68), Gründer und bis zuletzt Vorstandschef der Regionalbank, ist laut einem gerichtspsychiatrischen Gutachten verhandlungsunfähig.

Prozess um 70 Millionen Euro

Mindestens 600 Millionen Euro Schaden beträgt die Hinterlassenschaft der im Juli 2020 behördlich geschlossenen Bank. Beim heute startenden Schöffenprozess unter dem Vorsitz von Richterin Karin Knöchl geht es „nur“ um 70 Millionen Euro

Verantworten müssen sich nun Puchers Ex-Vorstandskollegin Franziska Klikovits und drei frühere Unternehmer aus dem Bezirk Mattersburg. Vor Gericht bekannte sich Klikovits vollinhaltlich schuldig, die Unternehmer teilweise.

Prozess um größte Insolvenz im Burgenland startet

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft Klikovits Veruntreuung von Bankgeldern, Untreue und betrügerische Krida vor, den Unternehmern Beteiligung an Veruntreuung und Untreue der Bankvorstände, Geldwäscherei und betrügerische Krida sowie unterschiedliche Bilanzdelikte. 

Strafrahmen für Veruntreuung, Untreue und betrügerische Krida: ein bis zehn Jahre. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Die Ex-Banker sollen knapp 40 Millionen Euro aus der Bank veruntreut und mittels Scheinrechnungen den drei Pucher nahestehenden Unternehmern zukommen haben lassen, lautet der Vorwurf der WKStA. 

Geld im Kuvert

Außerdem sollen die Bankvorstände Kredite von insgesamt mehr als 30 Millionen Euro an diese Unternehmen vergeben haben, obwohl diese Kredite laut Anklage „wirtschaftlich nicht vertretbar und nicht ausreichend besichert gewesen“ seien.

"Das einzige, was es gibt, ist die volle Wahrheit"

Klikovits bereue die Malversationen zutiefst und würde diese gerne rückgängig machen, betonte ihr Verteidiger, aber: "Es gibt keine Entschuldigung für diese hohe Schadenssumme." Ihr einziger Beitrag zur Wiedergutmachung könne es sein, alles offenzulegen, was sie auch schon im Ermittlungsverfahren getan habe. "Es gibt keine Verteidigungsstrategie. Es gibt keine taktischen Spielchen. Das einzige, was es gibt, ist die volle Wahrheit."

"Sie wollte nicht entscheiden, wann der Tag X kommt"

Während Pucher sich "einen Fußballverein gehalten" und sich in dessen Erfolg gesonnt habe, habe Klikovits nichts von den Malversationen gehabt außer Arbeit, hielt ihr Verteidiger fest. Begonnen habe ihre Beteiligung an den Straftaten in der Bank mit einem ersten Gefallen, den sie ihrem damals angesehenen Bankchef als 19-jährige Mitarbeiterin gemacht habe. Danach habe sie den Absprung verpasst und auf ihn vertraut, wenn er sagte, er werde es schaffen, das fehlende Geld aufzutreiben.

Später habe sie das Ganze nicht auffliegen lassen, weil sie nicht entscheiden wollte, mit welchem Stichtag die Kunden zu Geschädigten werden. "Sie wollte nicht entscheiden, wann der Tag X kommt", so ihr Verteidiger.

"Wirtschaftlich habe ich gewusst, dass es aus ist"

Das Geld habe Pucher entweder direkt beim Kassier der Commerzialbank oder via Klikovits geordert und anschließend den in sein Büro vorgeladenen Unternehmern im Kuvert übergeben.

Als einziger schon am Dienstag genauer befragt wurde der drittangeklagte Unternehmer. Er bekannte sich teilweise schuldig. Die Vorwürfe bestritt er im Prinzip nicht, sein Verteidiger hielt aber fest, dass ihm nie bewusst gewesen sei, was für Folgen das Ganze habe. Er habe sich wirtschaftlich verkalkuliert und 1992 Insolvenz anmelden wollen. "Wirtschaftlich habe ich gewusst, dass es aus ist", sagte der Unternehmer vor Gericht. Pucher habe ihn dann aber in die Bank zitiert und ihm versichert: "Das machen wir schon."

Der Bankchef habe sich aktiv in die Unternehmensführung eingemischt und dem Unternehmer Namen genannt, auf die er Rechnungen ausstellen sollte. Die Adressen habe sich dieser selbst aus dem Telefonbuch gesucht. Von Pucher habe er dann Bargeld bekommen, das er sofort wieder auf ein Kontokorrentkonto bei der Bank eingezahlt habe. Bargeldübergaben hätten von 2007 bis 2013 stattgefunden. Die Einzelbeträge hätten jeweils 5.000 bis 10.000 Euro betragen. Insgesamt gehe es um 2,9 Mio. Euro an Krediten und Bargeldübergaben.

"Überhaupt kein Bewusstsein" für Geldwäscherei

Gemacht habe er das alles, weil er sein Unternehmen "mit allen Mitteln retten" wollte. Zudem habe er "immer daran geglaubt, dass man das irgendwie noch reparieren kann", betonte er. Ihm sei damals bewusst gewesen, "dass das nicht ganz koscher ist", aber nicht, dass er damit "so stark gegen das Recht" verstoße. Insbesondere den Vorwurf der Geldwäsche durch das Darstellen des Geldes aus der Bank als Erlöse aus dem Geschäftsbetrieb habe er nicht am Schirm gehabt. "Das habe ich halt irgendwie so gemacht, weil es der Herr Pucher so wollte", meinte er. Auf die Frage, warum er nicht ausgestiegen sei, antwortete er: "Ich hätte jeden Tag die Möglichkeit gehabt, alles hinzuwerfen und zu sagen: Ich gehe in Konkurs. Nur zu dem konnte ich mich nicht durchringen."

Geständig zeigte sich auch der zweitangeklagte Unternehmer. Auch ihm sei aber das ganze Ausmaß nicht bewusst gewesen. Er habe etwa "überhaupt kein Bewusstsein" für Geldwäsche gehabt. Zudem habe er sich in wirtschaftlicher Abhängigkeit von Pucher befunden. "Er wurde angefüttert mit Zuwendungen", meinte sein Verteidiger.

Erstes Verfahren ohne Pucher

Viel Platz werden vermutlich die Gutachten des Gerichtssachverständigen Karl Hengstberger einnehmen. Auf Wunsch von Richterin Knöchl soll der Sachverständige vom ersten Tag an im Verhandlungssaal sein. Zehn Verhandlungstage sind für diesen Prozess anberaumt, die Urteile fallen voraussichtlich am 6. März. Ob es tatsächlich so lange dauert, hängt nicht zuletzt davon ab, ob sich die vier verbliebenen Angeklagten schuldig bekennen und welche Rolle der abwesende Pucher spielt.

Zeugen sind dem Vernehmen nach hingegen bisher keine geladen.

Im ersten Strafverfahren zur Commerzialbank im Jänner 2024 ist Pucher (in Abwesenheit) zu elf Monaten bedingt, Klikovits zu acht Monaten bedingt verurteilt worden. Dieses Mal wird nicht in Puchers Abwesenheit verhandelt. Das Verfahren gegen ihn wird wieder aufgenommen, sollte er später einmal verhandlungsfähig sein. Das ist aber ziemlich unwahrscheinlich.

Am 24. Jänner findet ein Commerzialbank-Prozess zum Sponsoring von Weihnachtsfeiern der Polizei statt.

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