Burgenland: See-Fahrer sitzen auf dem Trockenen

Burgenland: See-Fahrer sitzen auf dem Trockenen
Mit 115,23 Metern über Adria befindet sich der Wasserstand des Neusiedler Sees auf einem historischen Tiefststand.

Ursula Kreindl ist anpassungsfähig. „Ich stelle mich gerne auf neue Bedingungen ein“, sagt die Gründerin von „sail.at Kreindl“, einer Surf- und Segelschule am Neusiedler See mit Filialen in Rust und Weiden am See.

Anpassungsfähig muss heuer auch ihre Flotte von rund 70 Booten sein: Damit die Jollen nicht im schlammigen Seeboden stecken bleiben, werden gerade kürzere Ruderblätter angefertigt. Als Nächstes sollen dann auch die Stege am Seeufer tiefer gelegt werden, damit der Einstieg in die Tret- und Elektroboote wieder komfortabler gelingt.

Burgenland: See-Fahrer sitzen auf dem Trockenen

Die Segelschule Kreindl fertigt derzeit kürzere, an den niedrigen Wasserstand angepasste Ruderanlagen an.

Der mittlere Wasserstand des Neusiedler Sees liegt aktuell bei 115,23 Meter über Adria. Seit Beginn der Aufzeichnungen war zu dieser Jahreszeit noch nie so wenig Wasser in Europas größtem Steppensee.

Burgenland: See-Fahrer sitzen auf dem Trockenen

Zwei von vielen Gründen dafür: Die Landwirtschaft gräbt dem See seit Jahrzehnten das (Grund-)Wasser ab. Der extrem niederschlagsarme Winter 2021/22 hat die Lage akut verschlechtert.

Vom Winde verweht

Im Moment ist so wenig Wasser im See, dass es vom kräftigen nordburgenländischen Wind fast gänzlich von einem Ufer zum anderen verdrängt werden kann. Das war heuer schon der Fall: „Zu Ostern waren wir am Trockenen. Zwar nicht im ganzen Hafen, aber es war wirklich wenig Wasser da. Bei Westwind müssen wir Alternativen finden“, erklärt Ursula Kreindl. Statt Segeln steht an solchen Tagen eben mehr Stand-up-Paddeln am Programm. Stichwort: Anpassungsfähigkeit.

Burgenland: See-Fahrer sitzen auf dem Trockenen

Ursula Kreindl und Julia Gettinger von der Segelschule Kreindl.

Beim KURIER-Lokalaugenschein am Seeufer betonen Kreindl und ihre Geschäftsführerin Julia Gettinger, dass Surfen und Segeln mit kleineren Booten noch immer ohne Einschränkungen möglich ist. Die Buchungslage sei gut und man rechne mit einer starken Saison. Gemäß dem Motto: Kommen Sie Segeln an den Neusiedler See – solange es noch geht. Ausfahrten mit größeren Jachten werden hingegen zu waghalsigen Unterfangen. Schon im Sommer 2021 mussten laufend Boote aus dem schlammigen Seeboden gezogen werden. Die Segelschule Kreindl hat zwei ihrer Jachten verkauft – Ausfahrten mit ihnen sind schlicht unmöglich geworden. Nur eine Segeljacht ist derzeit noch in Betrieb: Eine „Antila 26 CC“, die mit 65 Zentimetern Tiefgang noch gut vom Fleck kommt.

Viele Hobby-Segler haben für die Saison 2022 hingegen schon die Segel gestrichen und ihre Boote gar nicht erst zu Wasser gelassen. Anfang der Woche war der Hafen beim Jachtclub Weiden nur etwa zur Hälfte belegt. Ein neu eingeführter Tourismusbeitrag für Boote mit Kajüten ab einer Länge von sechs Metern mag daran aber auch einen Anteil haben.

Wege aus der Misere

Eine Task Force des Landes Burgenland sucht seit zwei Jahren Wege aus der Misere. Noch heuer soll damit begonnen werden, Schlamm aus dem See abzubaggern und Schilf zurückzuschneiden.

Eine geplante Wasser-Zuleitung aus der ungarischen Moson-Donau steht und fällt mit der Kooperation der Regierung in Budapest (siehe Artikel unten). Außerdem gibt es massive Bedenken: Naturschützer befürchten, dass das Donauwasser mit seiner unterschiedlichen Zusammensetzung den See zum Kippen bringen und das Öko-System nachhaltig schädigen könnte.

Die Gründerin der Weidener Segelschule teilt diese Sorge. Ursula Kreindl fragt aber auch: „Was ist die Alternative? Wir wissen, was klimatisch auf uns zukommt“. Einen Betrieb am Neusiedler See zu führen, sei für sie mittlerweile so, wie „ein Skigebiet ohne Schneekanonen zu betreiben“.

Kommentare