Kondolenz statt Klassenkampf lautete anlässlich des Ablebens von Paul Esterházy im Mai 1989 die Devise im Parteiorgan der burgenländischen SPÖ: Unter dem Titel "Abschied in Versöhnung" war in der "BF" ein überaus respektvoller Nachruf auf den in Zürich verstorbenen "letzten Fürsten" zu lesen.
Der damalige rote Landeshauptmann Hans Sipötz reiste zum Begräbnis in die Schweiz, um sich zu verneigen.
25 Jahre davor wäre das undenkbar gewesen. Verdammen statt verneigen hatte sich die SPÖ damals auf die Fahnen geschrieben.
Im März 1964, wenige Tage vor der Landtagswahl, prangerte die BF, die damals noch "Burgenländische Freiheit" hieß, Paul Esterházy auf der Titelseite als Sargnagel des rückständigen Landes an.
Dem "mächtigsten Großgrundbesitzer Österreichs", der "nie ein echter Burgenländer war", gehöre "ein Fünftel des gesamten burgenländischen Bodens". Esterházy sei "ein Hemmschuh für jede wirtschaftliche Entwicklung unserer Heimat", zudem finanziere er mit seinen Freunden die ÖVP. All das sollten die Wähler bedenken.
Ob sie es bei der Stimmabgabe taten oder nicht, jedenfalls wurde die SPÖ bei der Wahl am 22. März 1964 erstmals stimmenstärkste Partei und stellte mit Hans Bögl den Landeshauptmann. In den 60 Jahren seither hat sich daran nichts geändert.
Und das Verhältnis zwischen rotem Land und Esterházy?
Es blieb wechselvoll. Mal verneigt man sich voreinander, mal verdammt man einander.
2007 ging‘s wieder einmal bergab. Das gemeinsame Vorhaben einer Gesamtsanierung des Eisenstädter Schlosses scheiterte und führte zu immer tiefer werdenden Rissen in der Beziehung zwischen dem damaligen Landeshauptmann Hans Niessl und Esterházy-General Stefan Ottrubay.
Kampf ums Schloss
Nach dem Tod von Paul Esterhazy hatte dessen Witwe und Alleinerbin Melinda Esterházy das fürstliche Vermögen 1994 in drei unauflösliche Stiftungen eingebracht. Vorstandsvorsitzender der Stiftungen wurde Ottrubay, Melindas Neffe.
Das Schloss Der Kern der einstigen Burg stammt vom Ende des 14. Jahrhunderts. 1622 kam das Bauwerk in den Besitz des aufstrebenden Geschlechts der Esterházy.
Die Sanierung 2007 verkündeten Esterházy und Land die Generalsanierung um rund 60 Millionen Euro. Es blieb beim Plan.
100 Millionen Euo So hoch dürften die Sanierungskosten heute sein. 2023 unternahm Esterházy einen neuen Anlauf mit dem Land, Ergebnis: offen.
2011 klagte Esterházy das Land – von 1969 bis 2009 Schlosspächter – wegen Verletzung der Instandhaltung auf 11,3 Millionen Euro. 2017 wurde das Land an anderer Front verurteilt, Esterházy mehr als eine Million Euro an vorenthaltener Kulturförderung nachzuzahlen.
Beigelegt wurde der Konflikt erst Ende 2018 vom nachmaligen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und Ottrubay. Das Land zahlte 7,7 Millionen Euro, alle Rechtsstreitigkeiten wurden beendet, das Schloss stand dem Land wieder offen.
Seither wird miteinander statt gegeneinander gearbeitet. "Zwei oder drei Mal im Jahr", so Ottrubay im Vorjahr zum KURIER, setze er sich mit Doskozil zusammen, um zu schauen, "wo die Dinge stehen".
Ähnlich machten es Theodor Kery, von 1966 bis 1987 Landeshauptmann, und Paul Esterházy. Kery, aus christlich-konservativem Haus und dem Klassenkampf abhold, bemühte sich um die Normalisierung der Beziehungen.
1969 kam es in Zürich zu einem Treffen, das Eis war gebrochen. Eine Folge war die Verpachtung von Teilen des Schlosses für 40 Jahre. Die Burg Forchtenstein, Stammsitz der Familie, und der zum Teil Esterhazy gehörende Neusiedler See wurden Zugpferde für den keimenden Tourismus im Land.
Der regelmäßige Briefverkehr zwischen Kery und Esterhazy in den Jahren danach war nicht bloß geschäftlicher Natur.
Als Doskozil und Ottrubay nach dem Friedensschluss 2018 gefragt wurden, wer gewonnen, wer verloren hat, antworteten beide: „Das Burgenland hat gewonnen.“
Wie aus der Domäne eine Firma wurde
Dass SPÖ Burgenland und Esterházy heuer Jahrestage begehen, ist Zufall. Aber auch ein Fingerzeig dafür, dass politische und wirtschaftliche Macht aufeinander angewiesen sind. Während die SPÖ 60 Jahre rote Landeshauptmänner feiert, begeht Esterházy drei Gedenktage.
Neben dem 35. Todestag von Fürst Paul V. Esterházy auch den zehnten Todestag von Melinda Esterházy und das 30-jährige Bestehen der Stiftungen. Melinda Esterházy, die am 27. August 2014 im Alter von 94 Jahren in Eisenstadt starb, war Primaballerina assoluta an der Budapester Oper, als sie 1946 Paul Esterházy (1901-1989) geheiratet hat.
Die Ehe blieb kinderlos, Paul machte seine Frau zur Alleinerbin, womit die Verantwortung für den historischen Besitz zum ersten Mal an eine Person bürgerlicher Herkunft übertragen wurde.
Nach dem Tod ihres Mannes übernahm Melinda, unterstützt von ihrem Bruder Josef Ottrubay, die Leitung der Domäne und brachte das Vermögen in drei Stiftungen ein.
Mittlerweile ist Esterházy in fünf Unternehmensbereichen tätig, hat 630 Mitarbeiter und im Vorjahr 89 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet.
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