Druck, Angst vor Jobverlust und dünne Personaldecken – das sind laut Arbeiterkammer Burgenland die zentralen Ursachen, warum Arbeitnehmer trotz Krankheit arbeiten gehen.
Alarmierende Zahlen, warnt die Arbeitnehmervertretung vor den Folgen – für die Gesundheit der Betroffenen ebenso wie für das gesamte Betriebsklima.
"Wer krank ist, muss sich auskurieren können", betont AK-Arbeitnehmerschutzexpertin Brigitte Ohr-Kapral und fordert deshalb unter anderem die Einführung eines Kündigungsschutzes im Krankenstand.
Holger Bonin, Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS), hat sich unter dem Eindruck der andauernden Rezession unlängst ebenfalls für wirtschaftliche Reformen ausgesprochen.
Wirtschaft im Rezessionsjahr: Reformen sind notwendig
Doch viele Beschäftigte stellen den reibungslosen Ablauf im Betrieb oder ihre Jobsicherheit über ihre Gesundheit. Ein Grund dafür könnte die weiter hohe Arbeitslosigkeit im Land sein.
Arbeitslosigkeit nimmt zu, die Hoffnung auch
Denn die seit einiger Zeit angespannte Wirtschaftslage hinterlässt ihre Spuren. Insgesamt waren per Ende März 10.456 Personen auf Jobsuche, davon 8.452 als arbeitslos vorgemerkt (+2,8 Prozent im Vorjahresvergleich) und 2.044 in Schulungen (+15 Prozent).
"Das dritte Rezessionsjahr in Folge verlängert die aktuelle Wirtschaftsflaute", erklärt AMS-Landesgeschäftsführerin Helene Sengstbratl. Hoffnung gebe es dennoch: "Neueste Prognosen zeigen, dass die Konjunktur frühestens ab Jahresmitte wieder Fahrt aufnehmen könnte."
Branchenmäßig trifft es vor allem den Handel mit 1.322 Arbeitslosen, gefolgt vom Bau mit 973 und der Warenherstellung mit 885.
Verdoppelung auf 61 Prozent
Präsentismus – also das Arbeiten trotz Krankheit – hat laut Arbeitsklima-Index seit Beginn der Pandemie stark zugenommen. 2019 gaben im Burgenland rund ein Drittel der Beschäftigten an, trotz Krankheit gearbeitet zu haben. Heute sind es bereits 61 Prozent, also fast doppelt so viele.
Präsentismus ist das Arbeiten trotz Krankheitssymptome oder gesundheitlicher Beeinträchtigung, etwa im Homeoffice.
61 Prozent Zwei von drei Arbeitnehmern gehen trotz Krankheit arbeiten – doppelt so viele wie vor der Pandemie im Jahr 2019.
Arbeitsmarkt 8.452 Personen waren per Ende März arbeitslos gemeldet. Das ist ein Plus von 2,8 Prozent im Vergleich zu 2024.
Besonders häufig zeigt sich das Phänomen in Angestellten-Berufen sowie im Gesundheits- und Sozialbereich. "Homeoffice und Telearbeit begünstigen diese Entwicklung zusätzlich", heißt es vonseiten der AK. Der Griff zur Tastatur mit Fieber oder der Dienst am Krankenbett trotz Infekt bleiben nicht folgenlos. Laut Ohr-Kapral drohen Folgeerkrankungen, Rückfälle oder chronische Beschwerden, wenn keine ausreichende Erholung möglich ist. Gleichzeitig leidet auch die Arbeitszufriedenheit, wie Daten zeigen.
Positive Beispiele
Doch es gibt einen positiven Gegenpol: In Betrieben mit gutem Betriebsklima, wertschätzender Führung und hohem Gesundheitsbewusstsein sinkt nicht nur die Zahl der Krankenstände – auch der Drang, krank zu arbeiten, ist deutlich geringer.
"Zahlreiche Studien zeigen, dass aktive Gesundheitsförderung sowie die Förderung eines positiven Führungsstils und Arbeitsklimas helfen, sowohl Krankenstände als auch Präsentismus zu reduzieren", sagt Ohr-Kapral dazu. Auch mehr Personalressourcen seien notwendig, um Druck von Beschäftigten zu nehmen und nachhaltige Gesundheit im Arbeitsalltag zu ermöglichen.
Burgenländer sehen wirtschaftliche Zukunft düster
Wirtschaftlicher Pessimismus breitet sich im Burgenland aus. Der neue Arbeitsklima-Index 2024 der Arbeiterkammer (AK) dokumentiert einen leichten Rückgang der Arbeitszufriedenheit – und einen starken Vertrauensverlust in die wirtschaftliche Zukunft. Nur 42 Punkte erreicht das Burgenland in dieser Kategorie, acht Punkte weniger als der Österreich-Schnitt.
"Die Zahlen 2024 zeigen, dass sich die Wirtschaftsentwicklung nicht nur auf Umsätze und Gewinne, sondern auch auf die Beschäftigten auswirkt", erklärt AK-Präsident Gerhard Michalitsch. Besonders betroffen sind laut Index junge Arbeitnehmer und Handelsangestellte.
In Handel und Industrie sank der wirtschaftliche Optimismus im Jahresvergleich um jeweils fünf Punkte. IFES-Geschäftsführer Reinhard Raml sieht einen Zusammenhang mit den gestiegenen Insolvenzen: "Die Pleiten betreffen vor allem Industrie und Handel." Der Handel gilt laut KSV 1870 als einer der „Insolvenztreiber“ 2024.
Positiver Ausreißer
Dabei blieb das Burgenland im ersten Quartal von der österreichweiten Insolvenzwelle (2.004, plus acht Prozent) verschont: Hierzulande mussten nur 38 Betriebe – die wenigsten im Vergleich aller Bundesländer – Insolvenz anmelden, das ist ein sattes Minus von fast 30 Prozent. Für das erste Quartal ergibt das eine "Insolvenzdichte" von 22 (Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen). Damit liegt das Burgenland gleichauf mit Tirol, nur Salzburg (20) und Vorarlberg (17) stehen besser da. In Wien liegt der Wert bei 57.
Österreichweit am stärksten betroffen war der Handel mit 384 Insolvenzen, vor dem Baugewerbe (315) und der Gastronomie (242).
Dementsprechend ist die Stimmung laut Arbeitsklima-Index im Handel um gleich 14 Punkte gesunken. Weitere Gründe dafür sind laut Studie monotone Tätigkeiten, übergriffiges Verhalten von Kunden und unfreiwillige Teilzeit. 30 Prozent der Teilzeitbeschäftigten würden gerne mehr arbeiten. In der Industrie wurde häufiger Lohn nicht ausbezahlt oder Arbeitszeit falsch erfasst – ebenfalls belastende Faktoren.
Mit diesen Ergebnissen im Rücken fordert die Arbeiterkammer Burgenland Maßnahmen wie leistbare Energiepreise, mehr Weiterbildung, eine Fachkräfteoffensive und eine kluge Klimaförderung. Eine Kürzung der Einkommen unterhalb der Inflation lehnt Michalitsch klar ab: "Das wird es mit uns und mit den Gewerkschaften nicht geben."
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