Diskutieren mit dem Wirtschaftsminister: Ausgabenbremse und gute Stimmung

"Österreich ist abgesandelt". Mit dieser Aussage sorgte der ehemalige Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl im Jahr 2013 für nachhaltige Aufregung. Zwölf Jahre später jedenfalls ist Österreich beim Wachstum Schlusslicht in der EU. Es herrscht Rezession. Die längste seit 1945. Eine Pleitewelle überrollt das Land. Das Budgetdefizit erinnert an die Covid-Jahre und die Finanzkrise von 2008/09. Die Staatsausgaben betragen 56,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, die Einnahmen 51,6 Prozent.
Dazu kommt der von US-Präsident Donald Trump ausgelöste internationale Handelskrieg. Seine Waffe: Höhere Zölle. Österreichs Exporte in die USA könnten um ein Viertel einbrechen, schätzen Experten.
Neue Exportmärkte
Was also tun? Der Österreichische Raiffeisenverband hat dazu im Rahmen seiner Gesprächsreihe „Impulse“ am Dienstagabend Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer eingeladen. Gastgeber und Raiffeisen-Niederösterreich-Wien-Generaldirektor Michael Höllerer betonte eingangs, dass sich vor dem Hintergrund der angespannten geopolitischen Lage immer dringlicher die Frage stelle, wie der Standort Österreich wieder in die Gänge kommen soll.

Gastgeber Michael Höllerer, Raiffeisen-General
Hattmannsdorfer geht zunächst auf die Folgen des Handelskrieg ein. Österreich brauche neue Exportmärkte, wenn die USA zum Problem werden, sagt er. Geschickt vermeidet Hattmannsdorfer dabei das Wort Mercosur. Er weiß, dass er sich an diesem Abend in der Höhle der landwirtschaftlichen Löwen befindet.
Die heimische Agrarwirtschaft steht dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und den wichtigsten südamerikanischen Ländern sehr skeptisch gegenüber. Weil man billige Importe befürchtet. Bei allen verständlichen Problemstellungen, so der Minister diplomatisch, sei Südamerika freilich ein logischer Handelspartner. Im Saal ist es ruhig.
"Leistungsgesellschaft"
Hattmannsdorfer wechselt das Thema: Der Standort Österreich also. Die Vielzahl an Problemen könne man nicht mit einem Knopfdruck beseitigen. Die Regierung versuche daher mit vielen einzelnen Maßnahmen den Wirtschaftsstandort wieder fit zu machen.

V. li.: Schellhorn, Hattmannsdorfer, Burkowski
Mehrfach bekundet Hattmannsdorfer vor den rund 150 Gästen zudem "sein klares Bekenntnis zu einer Leistungsgesellschaft". "Wir müssen uns wieder auf unsere Stärken besinnen! Fleiß, Erfindergeist und Internationalität.“ Starker Applaus.
Auch will der Wirtschaftsminister die Stimmung verbessern, um den Binnenkonsum anzukurbeln. Dass die Menschen bei den Ausgaben sparen und die Stimmung verhalten sei, ist für Franz Schellhorn, Direktor der liberalen Denkfabrik Agenda Austria, kein Wunder. "Die Menschen sehen in ihren Unternehmen, dass die Aufträge immer weniger werden und dass sich da etwas zusammenbraut."
"Keine Publikumsheuler"
Deshalb habe die Regierung schon im März das Mittelstandspaket beschlossen, meint Hattmannsdorfer. Um die Klein- und Mittelbetriebe zu entlasten. Zur Erinnerung: Die Basispauschalierung wird auf 15 Prozent erhöht. Die Belegspflicht bei Käufen bis zu 35 Euro wird abgeschafft. Alle leichten Nutzfahrzeuge werden ab 01.07.2025 von der Normverbrauchsabgabe befreit. Dadurch werden Firmenwagen und Transporter günstiger. "Das sind sicher keine Publikumsheuler“, so der Minister, aber es sei ein Anfang.
Hintergrund: In Österreich gibt es laut Statistik aus dem Jahr 2023 rund 580.000 Klein- und Mittelbetriebe. Das sind 99,7 % aller privaten Unternehmen. In Summe zählen sie 2,5 Millionen Beschäftigte. Das sind zwei Drittel aller Beschäftigten.
Zurück zur Diskussion: Nächste Reformen kommen, sagt Hattmannsdorfer. Wie das am Mittwoch verkündete Arbeitsmarktpaket. In den nächsten Monaten will der Minister dann die hohen Energiekosten unter die Lupe nehmen.
Schellhorn für Ausgabenbremse
Agenda-Chef Schellhorn findet die Reformen okay. Für ihn gibt es den einen Knopfruck aber sehr wohl: Eine Ausgabenbremse. So wie in der Schweiz. Wo ein Budgetdefizit die Ausnahme ist. „In Österreich haben wir in den vergangenen 50 Jahren ausnahmslos Defizite erwirtschaftet.“ Nur 2019 gab es ein Plus. „Durch Zufall“, sagt Schellhorn. Lacher im Publikum.

Schellhorn (li.): Ausgabenbremse wäre die Lösung
Dann wird es schnell wieder ernst. Die Wirtschaft brauche sichere Rahmenbedingungen, sagt Sigrid Burkowski. Sie ist Vorstandsdirektorin bei der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich. Sie kritisiert die von der Regierung angekündigte höhere Bankenabgabe auf 500 Millionen jährlich.
Burkowski rechnet dem Wirtschaftsminister vor, dass die Banken in den vergangenen 14 Jahren aus der schon bestehenden Abgabe 5,1 Milliarden Euro an den Finanzminister überweisen haben.
"Behörden abschaffen"
Und wegen der strengeren Kreditvergaberegeln (Stichwort KIM-Verodnung), ist laut Burkowski die Wohnbaufinanzierung um 50 bis 70 Prozent eingebrochen. Ein Hauptgrund für den Stillstand am privaten Hausbaumarkt.
Der Abend ist inzwischen fortgeschritten und Hattmannsdorfer muss wie angekündigt zurück zur Regierungsklausur. So versäumt er den Vorschlag von Schellhorn zum Bürokratieabbau: „Wer tatsächlich Bürokratie abbauen will, muss Behörden abschaffen.“ Tosender Applaus. Leitl war nicht anwesend.
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