Krank ins Büro? Warum wir das wieder machen werden
KURIER: In wenigen Tagen fallen alle Corona-Maßnahmen. Vor der Pandemie gab es das Arbeitsphänomen Präsentismus – also krank zur Arbeit kommen, um besonderen Einsatz zu zeigen. Während Corona undenkbar und wie ist das heute?
Reinhard Raml: Das hat sich gewandelt. Vor Corona war es ein Drittel, das krank ins Büro gekommen ist. Es war nicht die Mehrheit, aber durchaus weit verbreitet. Jetzt sehen wir im Arbeitsklimaindex ganz deutlich, dass die Schwelle krank zu arbeiten durch das Homeoffice gesenkt wurde. Der Anteil derer, die gearbeitet haben, obwohl sie krank waren, ist auf 50 Prozent raufgegangen. Momentan sieht es so aus, als würde es auf diesem neuen Niveau bleiben.
Sind sich Arbeitgeber dieses Anstiegs bewusst?
Wir sehen nicht viel Druck auf die Arbeitnehmer. Fragen wir nach den Motiven, antworten die Leute, dass die Arbeit sonst liegen bleibt. Es ist ein arbeitsorganisatorisches Thema, vielleicht auch aus der Folge des Arbeitskräftemangels. Im Sinn: Wenn ich das jetzt nicht erledige, macht es keiner oder ich lasse die Kollegen im Stich. Das ist das stärkste Motiv und das hat mit einem strukturellen Unterangebot an Arbeitskräften im Betrieb zu tun. Eine kleine Minderheit, die man bei schlecht ausgebildeten Menschen sieht, sagt, krank arbeiten zu gehen, weil sie sonst Angst hat, gekündigt zu werden.
Was macht das mit unserer Gesundheit?
Manche berichten, dass ihre Krankheit deshalb länger dauert als sonst. Die negativen Folgen sind also schon spürbar.
Wird es den Präsentismus wieder geben oder hat das final an Bewunderung von allen Seiten eingebüßt?
Ich glaube nicht, dass sich das komplett aufhören wird. Je weniger gravierend Corona-Infektionen werden, desto eher werden die Leute wieder mit Erkältung ins Büro kommen. Aber von heute auf morgen wird das nicht passieren. Was sich ändern wird, ist, dass wenn sie die Möglichkeit haben, krank zu Hause zu arbeiten, das auch tun.
Gibt es Anzeichen, dass Präsentismus zum Absentismus umschlägt? Heißt: Ich habe Halskratzen und vertschüsse mich direkt ins Homeoffice?
Diese Daten haben wir nicht, aber die Arbeitsortgestaltung ist flexibler geworden. Damit werden auch die Verhaltensoptionen flexibler.
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