Zweijährige Debatte
Anfang der 1990-er Jahre, so erinnert sich der damalige Landeshauptmann Hans Sipötz (SPÖ) im KURIER-Gespräch, „hat sich immer mehr gezeigt, dass Wahlen von Persönlichkeiten entschieden werden“. Während Sipötz zunächst vor allem an eine Direktwahl des Landeshauptmannes dachte, gab man es am Ende einer rund zweijährigen Debatte samt Studienreisen in deutsche Städte und einer Enquete im Landhaus billiger – weil es politisch naheliegender und rechtlich viel einfacher war, die Direktwahl auf kommunaler Ebene einzuführen. Dennoch wird das Thema Volkswahl der Landeshauptleute bis heute immer wieder in die politische Arena geworfen, aber dafür bräuchte es eine Änderung der Bundesverfassung.
Einer, der seit 1992 bei jeder Kommunalwahl direkt zum Ortschef gewählt wurde, ist der Güttenbacher Leo Radakovits. „Ich war damals selbst überrascht, wie sehr die Direktwahl gleich eingeschlagen hat“, sagt der Präsident des ÖVP-Gemeindebundes. Die im Vorfeld der ersten Direktwahl vor drei Jahrzehnten da und dort geäußerten Befürchtungen, zwei Stimmzettel und dazu die Möglichkeit der Vergabe von Vorzugsstimmen könnte viele Wahlberechtigte überfordern, erwiesen sich als unbegründet.
Ganz ohne Nachteil ist die getrennte Wahl von Bürgermeister und Gemeinderat aber nicht. Verfügt die Partei des Bürgermeisters im Gemeinderat nicht über die Mehrheit, muss sich der Ortschef von Fall zu Fall um Unterstützung anderer Fraktionen bemühen. In 30 der 171 Kommunen des Landes ist das derzeit der Fall, darunter auch in den Bezirksvororten Neusiedl am See und Jennersdorf. In beiden Gemeinden verlor die ÖVP 2017 nach Jahrzehnten den Bürgermeister an die SPÖ beziehungsweise die Liste JES, im Gemeinderat bringt die Volkspartei da wie dort aber immer noch die meisten Mandate auf die Waage.
Dass die Direktwahl fest etabliert ist, sieht man auch daran, dass zuletzt landesweit in nur 16 Gemeinden die Bürgermeister weniger Zuspruch erhalten haben als ihre Partei. Andersherum: In 155 Gemeinden ist die Person an der Spitze viel beliebter als die zugehörige Partei.
Das trifft auch auf den Hannersdorfer Bürgermeister Gerhard Klepits zu, der zwei Drittel der Stimmen erhielt, während seine ÖVP nur etwas mehr als ein Drittel bekam. Warum er so gut angekommen ist? Er sei schon vorher in vielen Vereinen aktiv gewesen und „ich bin sehr kommunikativ“, sagt Klepits. Die Forchtensteiner SPÖ-Bürgermeisterin Friederike Reismüller, die nach 25 Jahren im Amt heuer nicht mehr kandidiert, formuliert es so: „Man muss es wollen, für andere Menschen da zu sein“.
Könnte, wer in der Beliebtheitsskala so weit über der eigenen Partei steht, sich nicht als Ortskaiser wähnen? Radakovits: „Die gab‘s vielleicht vor einem halben Jahrhundert, heute nicht mehr“.
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