Birgit Sauer: Vom Reiz des Scheiterns und Eroberns
Zu experimentieren und neue Lösungen zu finden, bereitet Birgit Sauer unbändige Freude. „Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Materialien und der körperliche Einsatz haben mich schon immer fasziniert“, sagt sie. Sichtbar wird dies nicht nur im vielfältigen Spektrum ihrer Arbeiten, sondern auch in der Wahl ihres Wohnsitzes. „Gerade jetzt ist die Zeit, gemeinsam mit meinen Kindern unser Hiersein neu zu entdecken“, sinniert die Künstlerin – und blickt aus dem Fenster ihres Ateliers auf den alten Flugplatz in Trausdorf. Wohnen, Arbeiten, Lagern, Renovieren – all das findet hier gleichzeitig in mehreren Gebäuden statt. All das bereitet Birgit Sauer gleichermaßen Freude: „Ich bin unglaublich dankbar, dass ich so leben kann.“
„Ich liebe die Gegend“
Nach Abschluss ihres Studiums an der Universität für Angewandte Kunst in Wien hatte sie ein provisorisches Atelier bei ihrer Schwester im Burgenland bezogen, lebte aber in Wien und war auf der Suche nach etwas Bleibendem im Burgenland. „Ich liebe die Gegend hier. Sanft und wild, weich und weit“, meint sie. „Ich hatte mir schon viele interessante Gehöfte angeschaut, als ich meinen 30. Geburtstag hier am Flugplatz gefeiert habe. Da wurde mir angeboten, den Dachboden eines der Gebäude gratis als Atelier zu nutzen, wenn ich ihn auf eigene Kosten renoviere“, erinnert sie sich im Gespräch mit dem KURIER.
„Ich wurde dafür belächelt, so viel Geld in dieses Projekt zu stecken. Aber für mich war immer alles klar“, lässt die Künstlerin keinen Zweifel an der Richtigkeit ihrer Entscheidung. Das Erdgeschoß habe sie „zusätzlich herausverhandelt“ und sich anschließend „langsam ausgebreitet“. 2011 konnte sie einen Teil des Flugplatzes kaufen. Aktuell letzter Schritt: nach Auslaufen der Verträge für zuvor vermietete Flächen nimmt Sauer derzeit ein weiteres Gebäude – die ehemalige Kantine – „in Besitz“, wie sie es nennt.
Scheitern gehört dazu
„Das beginnt beim Entrümpeln, Sanieren und Putzen, dadurch kann ich jeden Raum mit seiner eigenen Stimmung erleben und erobern“, sagt Sauer. Auch Scheitern gehört dazu – wie in der Kunst. „Es motiviert mich.“ Und die Zeit, die verschiedenen Räume neu zu gestalten, sei ihr wichtig. „Ich erlaube mir das, obwohl auch anderes zu tun wäre.“ Etwa für ihre große Ausstellung in der Landesgalerie Burgenland: „stillleben“ ist von 10. September bis 21. November 2021 geplant. Ihr Flughafen hat jetzt Vorrang. „Das alles in eine neue Grundordnung zu bringen, ist spannend und wichtig. Wenn ich das zulasse, gibt es eine stabile Basis für die kommenden Projekte, die wieder Neues möglich macht“, ist sie überzeugt.
Die Corona-Isolation kommt Birgit Sauer insofern also zugute: „Ich nutze die Zeit, um Vergangenes abzuschließen, Versäumtes nachzuholen und Neues wachsen zu lassen. Und sie betont: „Ich mag es gar nicht, auf bessere Zeiten vertröstet zu werden, wir haben ja nur das Jetzt.“ Ihren Bewegungsdrang konstruktiv ausleben zu können, beruhige sie: „Dinge zu verändern, am Ende eines Tages auch körperlich erschöpft zu sein.“ Davon, dass Corona und die damit verbundenen Umstellungen in ihre Werke einfließen, ist die Künstlerin überzeugt. Aber: „Ich gestalte keine Schutzmasken oder male Menschen mit Maske, das wäre zu banal. Es ist eher dieses Auf-sich-selbst-zurückgeworfen-Sein, das ich verarbeite.“
Dialog mit Material
Aufgefallen war Sauers künstlerische Begabung schon während ihrer Schulzeit in Eisenstadt. „Unser Professor im Gymnasium Wolfgarten hat uns sehr gefördert. Das ging so weit, dass wir eine Druckerpresse mit nach Hause nehmen durften“, erzählt sie. Per Interrail habe sie später die großen Museen Deutschlands erkundet und sei stark beeindruckt nach Hause zurückgekehrt. Ihre ersten großen Werke waren Radierungen. „Bis hin zu so großen Arbeiten, dass ich an die Grenzen des Materials stieß. Aber dieses Zwiegespräch mit dem Material, der Dialog mit verschiedenen Techniken, das hat mir gefallen“, sagt sie.
Ausstellungen führten sie nach Frankreich, Italien, Deutschland, China, Brasilien und in die USA. Angekauft wurden Werke von der grafischen Sammlung Albertina, der Sammlung Essl, der BAWAG Foundation, oder dem Kulturministerium. Noch bis 1. Dezember ist im „conClusius“ in Güssing die Ausstellung „mitten am boot ein meer“ zu sehen. Das Symposion „herz brennt – der körper als raum für wahrnehmung“ mit Sylvia K. Kummer hätte in der vergangenen Woche in Kooperation mit der Vienna Art Week stattfinden sollen, sie wurde allerdings verschoben, voraussichtlich auf Mai.
Für 2021 ist ein Projekt mit der Weinhandelsfirma Trinkreif geplant. Und Sauer ist dankbar für die bis April 2021 erhältlichen Kulturgutscheine des Landes Burgenland: dieses übernimmt 25 Prozent des Kaufpreises bis 1.000 Euro.
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