Heute übergibt Landeshauptmann Hans Niessl nach 18 Jahren sein Amt an Hans Peter Doskozil. Hinter dem SPÖ-Politiker aus dem Seewinkel liegt eine bewegte politische Karriere, mit vielen Höhen und wenigen Tiefen - eine Zeitreise in Bildern...
Als Bürgermeister von Frauenkirchen wurde der damals 49-jährige Hans Niessl zum Spitzenkandidaten der SPÖ für die Landtagswahl 2000. Unter der Regie von Wahlkampfmanager Norbert Darabos wurde der bis dahin weithin unbekannte Nordburgenländer im ganzen Land bekannt gemacht.
Zur Seite standen Hans Niessl damals schon die späteren Landesräte Helmut Bieler und Peter Rezar. Niessls politische Erfahrung bestand zum Zeitpunkt seiner ersten Landtagswahl aus seiner Zeit als Bürgermeister von Frauenkirchen, das er ab 1987 ausübte. Von 1996 bis 2000 war er als Abgeordneter und von 1999 bis 2000 als Klubobmann der SPÖ im burgenländischen Landtag.
Stix-Rücktritt ebnete Niessl als Kompromisslösung den Weg
Niessl bekam die Chance auf die Kandidatur als Landeshauptmann, weil Karl Stix, der 1991 das Amt übernahm, als Landeshauptmann zurücktrat. Grund dafür waren die Vorgänge rund um den Skandal der Bank Burgenland. Niessl galt damals als Kompromisslösung, eine schwarz-blaue Mehrheit schien vor der Landtagswahl 2000 möglich.
Die Sensation gelang: Die SPÖ wurde bei der Landtagswahl 2000 mit 46,6 Prozent zur stärksten Kraft und Hans Niessl bei der konstituierenden Landtagssitzung am 28. Dezember 2000 zum Landeshauptmann des Burgenlandes gewählt - und blieb es bis heute. Länger als Landeshauptmann diente nur Theodor Kery, nämlich von 1966 bis 1987.
Die burgenländische Landesregierung im Jahr 2000 bestand aus Karl Kaplan, Paul Rittsteuer, Franz Steindl, Hans Niessl, Helmut Bieler, Verena Dunst und Peter Rezar (v.l.). Sie führte das Burgenland ins Jahr 2001, dem 80. Jahr seiner Gründung.
Zu dieser Zeit begann auch die Zusammenarbeit mit den beiden großen Landesfürsten, Wiens Bürgermeister Michael Häupl und Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll. Im Laufe der Jahre entwickelte sich zwischen den drei Politikern eine gute Freundschaft. Mit Niessl geht der letzte dieses Trio in die Polit-Pension.
Der ehemalige Fußballer Hans Niessl bewies von Anfang Zug zum Tor, hier am Bild zu sehen bei einem Benefizturnier im Jahr 2001. Dieses Image hatten er und sein Wahlkampfmanager Norbert Darabos bereits im ersten Landtagswahlkampf geprägt, mit dem Slogan "Ein Volltreffer für das Burgenland".
Vier Farben auf einem Foto: Auf diesem im Jahr 2002 aufgenommenen Bild sind Franz Steindl (ÖVP), Hans Niessl (SPÖ), Norbert Hofer (FPÖ) und Grete Krojer (Grüne) zu sehen. Von den vier ehemaligen Politikern ist ab heute nur mehr der Pinkafelder Norbert Hofer politisch aktiv.
Im Lauf der Jahre seiner ersten Amtsperiode nahm Hans Niessl das Steuer immer mehr in die Hand. In dieser Zeit wurden ihm auch einige Ehrungen zuteil. So erhielt Niessl etwa im Jahr 2003 das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien und das Große Silberne Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich verliehen.
Auch die Burgenländerinnen und Burgenländer waren von Hans Niessl als Landeshauptmann begeistert. Bei der Landtagswahl 2005 feierte die SPÖ einen historischen Wahlerfolg und errang erstmals seit den 80er Jahren mit über 52 Prozent der Stimmen die absolute Mandatsmehrheit. Am Tag der Landtagswahl kam der damalige Bundeskanzler Alfred Gusenbauer nach Eisenstadt, um Niessl persönlich zu gratulieren - und um sich mit ihm zu freuen.
Im Schloss Esterhazy in Eisenstadt wurde am Freitag, 10. März 2006, der Verkauf der Bank Burgenland an die Grazer Wechselseitige (GraWe) besiegelt. Die Bank wechselt um 100,3 Mio. Euro den Besitzer. Im Bild Finanzlandesrat Helmut Bieler (SPÖ), Landesvize Franz Steindl (ÖVP), Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ), GraWe-Generaldirektor Othmar Ederer und GraWe-Generaldirektor-Stellvertreter Siegried Grigg.
Im Lauf der Jahr wuchs Hans Niessl mehr und mehr in die Rolle des Landeshauptmanns hinein. Manchmal etwas bissig im Umgang mit Freund und Feind, aber immer mit Zug zum Tor. Gegen Ende seiner Amtszeit wurde Niessl lockerer gegenüber Kollegen und Journalisten, sein Umgang mit den Menschen hingegen war immer von einer gewissen Herzlichkeit geprägt.
Die fünf Jahre mit absoluter Mehrheit für die SPÖ von 2000 bis 2005 sollten die letzten bleiben. Bei der Landtagswahl im Jahr 2010 erreichte die SPÖ 48,3 Prozent und verlor sowohl ein Mandat als auch die absolute Mehrheit. Die ÖVP sackte ebenfalls auf 34,6 Prozent ab, Gewinner waren die Freiheitlichen mit einem Stimmenzuwachs von 3,2 Prozentpunkten - sie kamen insgesamt auf 9 Prozent.
2010: Konstituierende Sitzung des burgenländischen Landtags
Der neu gewählte und bisherige Landeshauptmann des Burgenlandes, Hans Niessl, bei der konstituierenden Sitzung des burgenländischen Landtages in Eisenstadt am Donnerstag, dem 24. Juni 2010. In der folgenden Legislaturperiode bildete die SPÖ eine Arbeitsübereinkuft mit der ÖVP, Hans Niessl blieb aber weiter tonangebend.
Der Landeshauptmann suchte schon immer den engen Kontakt zur Bevölkerung. Kein Zeltfest, kein Einweihung und keine Betriebseröffnung war zu klein, um nicht das Interesse von Hans Niessl zu erregen. Hier am Bild ist Niessl bei Friseurin Sandra Horvath in Zagersdorf.
Für den ehemaligen Regionalligakicker Hans Niessl war es im Jahr 2014 eine besondere Freude, das kroatische Nationalteam in Bad Tatzmannsdorf zu begrüßen. Das Team des damaligen Trainers Niko Kovac bereitete sich im Avita-Ressort auf die Fußball-WM in Brasilien vor. Die Trainingseinheiten ließ sich Niessl natürlich nicht entgehen.
Die Jahre zogen ins Land und damit stand der nächste Wahltermin vor der Tür. Nachdem im Burgenland im Jahr 2014 per Landesverfassungsgesetz das bis dahin geltende Proporzsystem bei der Besetzung der Landesregierung abgeschafft worden war, war die Landtagswahl 2015 die erste Wahl im Burgenland, nach der es zu einer freien Regierungsbildung kam. Durch diese Wahlrechtsänderung lädt die stimmenstärkste Partei nach der Wahl zu Regierungsverhandlungen mit den potenziellen Koalitionspartnern ein.
Gleichzeitig wurde auch ein vorgezogener zweiter Wahltag eingeführt und die bis dahin geltende Prozenthürde für das Erreichen von individuellen Vorzugsstimmenmandaten abgeschafft, sodass jedenfalls ein Mandat, gegebenenfalls das einzige, an den Kandidaten mit den meisten Vorzugsstimmen seiner Wahlliste geht. Von den 250.607 wahlberechtigten Personen gaben 190.556 (76,04 Prozent) ihre Stimme ab. Die Wahlbeteiligung war damit etwas geringer als bei der vorangegangenen Wahl 2010 (77,30 Prozent). 4.595 Stimmen (2,41 Prozent) wurden als ungültig gewertet.
Auf die SPÖ entfielen bei der Landtagswahl 2015 knapp 42 Prozent der Stimmen, die SPÖ kam auf 29,1 Prozent und die FPÖ auf 15 Prozent. Um eine Koalition von ÖVP und FPÖ zu verhindern, begann die SPÖ ihrerseits mit der FPÖ zu verhandeln, was Niessl harte Kritik aus den eigenen SPÖ-Reihen einbrachte, galt die FPÖ doch bis dahin als Tabu für die Sozialdemokraten.
Bereits am 5. Juni, also nur fünf Tage nach der Landtagswahl, gaben der amtierende Landeshauptmann und SPÖ-Vorsitzende Hans Niessl und der FPÖ-Vorsitzende Johann Tschürtz bekannt, für die kommende Legislaturperiode die Koalitionsregierung Niessl IV aus Vertretern ihrer beiden Parteien bilden zu wollen. Diese Entscheidung durchbrach die SPÖ-Linie, nicht auf Regierungsebene mit der FPÖ zusammenzuarbeiten.
Mit der Zeit zeichnete sich ab, dass diese Legislaturperiode die letzte für Hans Niessl sein würde - auch weil der perfekte Nachfolger bereitstand. Hans Peter Doskozil, von 2010 bis 2012 Büroleiter von Hans Niessl, wurde 2012 Landespolizeidirektor und machte sich mit dem Management der Flüchtlingskrise einen guten Namen. Nach einem knappen Jahr als Verteidigungsminister kehrte er ins Burgenland zurück und ist seit 21. Dezember 2017 als Landesrat tätig. Heute übernimmt er das Amt des Landeshauptmanns von Hans Niessl.
Als Hans Niessl im Jahr 2008 Hans Peter Doskozil in sein Büro holte, ahnte er womöglich schon bald, dass der Jurist mit besonderer Kenntnis des Fremdenrechts „sehr politiktauglich“ ist, wie sich Niessl Jahre später im KURIER erinnerte – aber wohl kaum, dass Doskozil dereinst sein Nachfolger werden sollte.
Heute ist es tatsächlich soweit. Niessl verabschiedet sich nach mehr als 18 Jahren an der Spitze des Landes und wird Unternehmensberater. Anschließend wählt der Landtag mit einfacher Mehrheit den neuen Landeshauptmann Doskozil und drei neue Landesräte: Daniela Winkler (sie übernimmt Niessls Regierungsmandat), Heinrich Dorner, der Norbert Darabos ablöst und den jetzigen Landtagspräsidenten Christian Illedits, der mit Landesrätin Verena Dunst Platz tauscht. In der fünfköpfigen roten Regierungsriege bleibt nur Astrid Eisenkopf auf ihrem Platz.
Als der scheidende und der kommende Landeshauptmann am Mittwoch noch einmal gemeinsam vor die Medien traten, schien es zunächst, als habe Niessl schon abgedankt. Er freue sich, dass er noch eine Pressekonferenz mit Doskozil „machen darf“, übte sich der Langzeit-Landeschef schon in Demut und machte dabei den Eindruck, dass er sich nach den vielen Abschiedsrunden der vergangenen Wochen allmählich nach der politikfreien Zeit sehnt. Ganz anders Doskozil, der bekannte, dass es „vielleicht eine Spur zu schnell geht, um das bewusst erleben zu können“.
Im Zeitraffer blickte Niessl dann auch auf die aus seiner Sicht wichtigsten Marksteine seiner Zeit an der Spitze zurück. Am meisten Genugtuung bereitet dem früheren Lehrer und Direktor der Bildungsbereich, von der bundesweit höchsten Betreuungsquote im Kindergarten bis zur Top-Position bei der Maturantenquote.
Dass das Burgenland in zwei Jahrzehnten die Stromproduktion aus erneuerbarer (Wind)-Energie von 3 auf 150 Prozent steigern und von 2000 bis 2016 „das höchste Wirtschaftswachstum aller Bundesländer“ und ein Beschäftigtenplus von 30 Prozent vorweisen konnte, verbuchte der 67-jährige Niessl ebenfalls auf der Habenseite. Die größte Herausforderung in Niessl Amtszeit zu erwähnen, blieb Doskozil vorbehalten – Rettung und Verkauf der Bank Burgenland.
Am Ende des Auftritts mit seinem Nachfolger nahm Niessl das Heft noch einmal in die Hand: Gefragt, warum die SPÖ bei seinem ersten Antreten 2000 gegen alle Erwartungen zulegen konnte, obwohl der Wahlkampf von einem Außenthema – der Bank Burgenland – dominiert war, während die Flüchtlingskrise 2015 auch der SPÖ ein sattes Minus brachte, analysierte Niessl ganz in alter Manier. Das sei nicht zu vergleichen, denn das Flüchtlingsthema habe bei sehr vielen Menschen „persönliche Betroffenheit“ ausgelöst. Die Flüchtlingskrise war es aber auch, die den damaligen Landespolizeidirektor Doskozil ins Blickfeld rückte – bald darauf war er Minister, heute wird er Landeschef.
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