Schock bei "Swifties": Was eine Psychologin Kindern und Eltern rät
Von Julia Pfligl
Nach der kurzfristigen Absage der Taylor-Swift-Konzerte in Wien ist die Enttäuschung bei Fans aller Altersklassen groß. Viele haben ein Jahr lang auf den Tag hingefiebert und sind aus dem Ausland angereist. Sätze wie "Ich kann nicht aufhören zu weinen" oder "Mein Herz ist gebrochen" waren am späten Mittwochabend in den sozialen Medien zu lesen.
Jüngere "Swifties" wurden am Morgen danach von den schlechten Nachrichten geweckt. Zur Trauer über das abgesagte Musikspektakel mischen sich bei vielen Wut, Schock, Ängste und Unsicherheiten: Wie groß ist die Terrorgefahr in Österreich? Wieso schaffen es ein paar Jugendliche, drei Mega-Events zu vereiteln?
Wie sicher sind wir?
"Das Geschehene löst bei unserem Nachwuchs starke Gefühle aus, die für sie sehr belastend sein können. Umso wichtiger ist es, sie mit diesen Eindrücken und Gefühlen nicht allein zu lassen", sagt Lena Kaiser, Psychologin und Beraterin beim Portal elternseite.at. Die zugehörige Notrufnummer 147 steht für alle jungen Swifties, die sich gerade überwältigt fühlen, rund um die Uhr, kostenlos und anonym zur Verfügung.
Nach dem Terroranschlag in der Wiener Innenstadt vor vier Jahren hat das Thema auch in Österreich "eine andere Bedeutung bekommen", sagt die Kinderpsychologin und Psychotherapeutin Martina Bienenstein. "Damals ging es vielen sehr schlecht, das habe ich hautnah in der Praxis miterlebt."
In der aktuellen Situation sei es wichtig, zwischen Kindern und Jugendlichen zu unterscheiden. "Jugendliche haben schon eigene Bewältigungsstrategien und können sich in ihren Peer Groups absichern."
Dennoch könnten Eltern mit Fragen konfrontiert werden: Wie sicher sind wir? Wie groß ist die Bedrohung, dass in Wien wieder etwas passiert? "Da kann man sich momentan nur auf die Faktenlage konzentrieren", rät Bienenstein. "Wichtig ist, nichts zu bagatellisieren. Ja, es gibt eine weltweite Terrorbedrohung. Fakt ist aber, dass die zuständigen Behörden es geschafft haben, einen Anschlag zu verhindern. Das sollte man den Kindern vermitteln. Wir leben immer noch in einem sehr sicheren Land und sind vor allem in unserem eigenen Zuhause sicher."
Wann professionelle Hilfe nötig ist
Die Absage führte zu einer breiten internationalen Berichterstattung, die vermutlich noch tagelang anhalten wird. Die Psychologin empfiehlt Eltern, Nachrichten zu selektieren, damit Kinder nicht permanent damit konfrontiert sind. "Meist gehen Kinder pragmatisch mit solchen Dingen um, wenn sie genügend Information bekommen und diese sachlich und kindgerecht formuliert wird." Wenn die Kinder das Thema danach von selbst nicht mehr ansprechen, "muss man auch nicht mehr nachbohren und ständig fragen, ob sie eh keine Angst haben".
Alle Emotionen sind erlaubt, betont auch Psychologin Kaiser. "Jedes Kind geht damit individuell um und zeigt seine Trauer und Enttäuschung anders. Lassen Sie alle Gefühle zu: Trauer, Angst, Wut, Frustration, Ärger - alles darf sein und ist völlig normal."
Alarmiert sollten Mütter und Väter dann sein, wenn das Kind nach einiger Zeit ein geändertes Verhalten an den Tag legt - nicht mehr schläft, wenig isst oder sehr ängstlich ist. "Dann sollte man nicht zuwarten und sich professionelle Hilfe bei einer Psychologin oder Psychotherapeutin suchen", sagt Bienenstein.
Enttäuschungen gehören zum Leben dazu
Die meisten "Swifties" werden nun aber einfach sehr enttäuscht sein, ihr Idol nicht live zu erleben. "Die Glorifizierung von Stars gibt Halt und Identifikation", erklärt Bienenstein die Taylor-Manie. "Ein Swiftie zu sein, bedeutet die Zugehörigkeit zu einer Gruppe - und die löst sich mit Absage des Konzerts ja nicht auf. Im Gegenteil."
Genau diese Zusammengehörigkeit sei auch die Stärke der Swifties, weiß Kaiser. "Ermöglichen Sie Ihrem Kind daher den Austausch mit Gleichgesinnten. Gefühle zu teilen, kann sehr entlastend wirken."
Nicht zuletzt sei die schmerzliche Absage eine Lektion, die Eltern ihren geknickten Kindern mitgeben können. "Enttäuschungen sind ein Teil der Lebensrealität", erinnert Psychologin Bienenstein. "Die Absage war um der Sicherheit willen absolut vernünftig. Es ist zwar eine Enttäuschung - aber mit der kann man umgehen."