Sport/Fußball

FC Wacker Innsbruck: Ein Leben im Luftschloss

Vielleicht ist gerade jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, um das Areal des Tivolistadions von einem Wünschelrutengänger abgehen zu lassen. Möglicherweise schafft genau so einer das, was all den Investoren, Geldgebern, Mäzenen, Rettern, oder wie auch immer sie geheißen haben, nicht gelungen ist.

Er findet den Stein der Weisen, er entdeckt diese Geldader, von der beim FC Wacker Innsbruck seit geraumer Zeit alle träumen. Verzweifelt träumen, wohlgemerkt.

Und man kann es den Vereins-Verantwortlichen ja nicht einmal verdenken. In ihrer Verzweiflung und in ihrem Kampf ums Überleben des Traditionsvereins scheinen mittlerweile Generationen an Funktionären in einem Anflug von Hilflosigkeit und Panik nach allen möglichen Strohhalmen zu greifen -  und mag er noch so dünn und spröde sein.

Das zieht sich mittlerweile wie ein roter Faden durch die schwarz-grüne Vereinsgeschichte.

Der letzte Heilsbringer des FC Wacker hört auf den Namen Thomas Kienle. "Endlich ist Wacker vollständig", frohlockte der Zweitligist am 18. Februar 2022 in einer Pressemitteilung. Ich bin mir sicher, dass wir zusammen eine Erfolgsstory daraus schreiben können, wird der Geldgeber aus Deutschland zitiert.

Aufgrund meiner Nähe und Verbundenheit zu Tirol ist dieses Investment beim FC Wacker Innsbruck eine Herzensangelegenheit für mich.

Tatsächlich ist für den FC Wacker diese aufrichtige Herzensangelegenheit zu einer veritablen Schmerzensangelegenheit geworden. Nicht einmal zwei Monate nach dieser vollmundigen Ankündigung liest sich der Status quo des zehnfachen Meisters nicht wie die Erfolgsstory, die noch vor kurzem propagiert wurde.

Stundungen & Mahnschreiben, Zahlungsrückstände &  Klagsdrohungen, Vertröstungen und leere Versprechen - das ist die bittere Realität, in der all diese süßen Innsbrucker Träume gemündet sind - ein riesiges Luftschloss nimmt Konturen an.

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So tief hat der FC Wacker Innsbruck, Traditionsverein und zehnfacher österreichischer Meister, sinken und am Abgrund zappeln müssen, dass er wieder einmal die Top-Meldung in der 20-Uhr-Sendung des ORF-Sport wurde.

Schwer vorstellbar, dass das alles noch ein gutes Ende nehmen kann. Augen- und Ohrenzeugen fühlen sich an das Jahr 2002 erinnert, als der Vorgängerverein FC Tirol finanziell in den Seilen hing.

Nur ist die Sachlage überhaupt nicht vergleichbar. Damals war Innsbruck die österreichische Fußballhauptstadt und der Serienmeister FC Tirol füllte das Tivolistadion und bewegte die Massen.

Mittlerweile ist der zehnfache Meister - zumindest sportlich - zu einem Zweitligisten degradiert worden und kann nicht mehr darauf hoffen, dass ein Jahr vor der Tiroler Landtagswahl ein öffentlicher Rettungsschirm aufgespannt wird.

2002 hatte sich Günther Platter als damaliger Sportlandesrat aktiv und begeistert für den Tiroler Spitzenfußball und den Fortbestand des FC Wacker eingesetzt. In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist diese Anfangs-Euhorie längst einer permanenten Ernüchterung und Enttäuschung gewichen.

 

Und genau vor diesem Dilemma steht der FC Wacker jetzt. Es fehlt nicht nur das Geld, es fehlt auch an Akzeptanz und an öffentlicher Unterstützung. Der Klub ist in den vergangenen Jahren - unfreiwillig, oder nicht - in so viele Fettnäpchen getappt, dass ihn ein akutes Glaubwürdigkeitsproblem umweht.

Wer will schon einen Verein unterstützen, der sich innerhalb von zwölf Monaten einem Geldgeber aus Hamburg, aus Russland und aus Stuttgart ausliefert - und dann feststellen muss, dass alles ganz anders kommt, als erhofft.

 

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Während die Durchhalteparolen rund ums Tivolistadion immer lauter werden, verstummt zunehmends die Hoffnung. Wer soll das alles bezahlen und retten? Wo soll das alles hinführen?

 

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Der FC Wacker Innsbruck spielt in der öffentlichen Wahrnehmung zusehends eine Nebenrolle. Emotional mag der Klub immer noch das Flaggschiff des Tiroler Fußballs sein, rein sportlich gesehen ist der zehnfache Meister ins Abseits gerückt. Und mit jedem finanziellen Überlebenskampf mehr, mit jedem neuen vermeintlichen Geldgeber kratzt der Klub noch mehr an seiner Glaubwürdigkeit.

Eine Bündelung der Tiroler Kräfte scheint keine Lösung zu sein. Auch wenn Wacker Innsbruck in seiner glorreichen Vergangenheit mit der Spielgemeinschaft mit Wattens (in den 1970ern) und als FC Swarovski Tirol (Ende der 1980er) sportlich gute Erfahrungen gemacht hat und den größten Tiroler Fußball-Erfolgen stets der Doppelpass zwischen Innsbruck und Wattens (Swarovski, Gernot Langes) vorausgegangen war.

 

 

 

 

Schwer vorstellbar bis geradezu ausgeschlossen, dass der FC Wacker Innsbruck 20 Jahre nach dem Konkurs des damaligen Branchenprimus FC Tirol eine breite Welle der Solidarität erfährt. Schon gar nicht in Zeiten wie diesen.

Wo das noch alles enden mag?

Pragmatiker werden das Heil in einer Bündelung der Tiroler Kräfte sehen. Aber der Fußball ist ein hoch emotionaler Sport, daraus bezieht er auch seine Kraft und sein Alleinstellungsmerkmal. So sinnvoll und erfolgversprechend  ein Doppelpass zwischen WSG Tirol und Wacker Innsbruck auf den ersten Blick auch sein mag, es würde nicht funktionieren.

Und deshalb werden wohl auch beide Tiroler Vereine weiter ihr Schicksal fristen.

Die einen (noch) in Liga 2 ohne Geld.

Die anderen in Liga 1 ohne Emotion.