Bickel im KURIER-Interview: „Ich habe zu viel riskiert“
Von Alexander Huber
„Villarreal ist besser als Rapid. Aber wenn wir alle daran glauben, können wir sie vor vollem Haus schlagen“, sagt Didi Kühbauer. Neben dem Glauben gibt es auch Änderungen: „Wir werden uns etwas anderes als beim 0:5 einfallen lassen“, kündigt der Rapid-Trainer an.
Besonders viel nachgedacht hat zuletzt auch Fredy Bickel. Der Sportdirektor spricht nicht nur über Selbstreflexion, sondern er geht mit sich tatsächlich hart ins Gericht. Im KURIER-Interview vor dem Duell mit Villarreal gibt der 53-jährige Schweizer so offen wie noch nie Einblick in seine Überlegungen.
KURIER: Nach fast zwei Jahren im Amt: Warum ist es Ihnen nie gelungen, Ruhe reinzubringen?
Fredy Bickel: Ich habe mich im Vorfeld gut informiert: bei Marcel Koller, Adi Hütter und Heinz Schilcher. Trotzdem war der Einstieg schwierig mit den vielen Trainerwechseln 2016/’17. Im Rückblick gesehen habe ich zu viel Zeit investiert, um noch etwas zu kitten. Ich wollte auch für jeden im zu großen Kader eine gute Lösung finden. Wir wären wohl schneller in die Spur gekommen, wenn ich beim Präsidium einen sofortigen, schnellen Umbruch eingefordert hätte.
Sie haben Goran Djuricin dann als langfristige Lösung forciert. Einer der Gründe für sein Scheitern war die Trainingssteuerung zu Saisonbeginn. Wie kann das so schiefgehen?
Im Trainerstab wurden im Sommer die Wege zum Ziel nicht mehr gleich gesehen, speziell bei der Frage: Was trainierst du in englischen Wochen? Es wäre zu einfach, das auf die Fitness zu reduzieren: Die Kondition stimmt, wir laufen meist mehr als der Gegner. Aber es hat die Frische gefehlt.
Gibt es einen Hauptfehler von Ex-Trainer Djuricin?
Ich kann ihm wirklich nicht viel vorwerfen, und er hat wie ein Verrückter für den Erfolg gearbeitet. Vielleicht hätte ich ihn noch mehr stärken und ermutigen müssen. Damit er weniger Kompromisse eingeht, die uns dann nicht viel geholfen haben.
Rapid gab unter Djuricin kein klares Bild auf dem Feld ab. Sollten Sie nicht eine einheitliche Spielphilosophie vorgeben und Einkäufe nach einem strengeren Raster tätigen?
Das hört sich theoretisch gut an. Ich glaube aber aus finanziellen Gründen nicht, dass sich Rapid nur auf bestimmte Spielertypen festlegen kann. Das geht sich nur bei Großklubs oder bei Salzburg aufgrund der Möglichkeiten von Red Bull aus.
Wie beurteilen Sie Trainer Kühbauer nach fünf Wochen im Amt?
Didi hat mich im Bild, das ich hatte, bestätigt. Deshalb kann ich mit gutem Gewissen und auch im Nachhinein gesehen sagen: Er war die beste Lösung! Er spricht die Missstände an und findet gegenüber den Spielern klare und einfache Worte. Ich bin überzeugt, dass er uns hilft, endlich konstant zu werden.
Es gab auch Kandidaten aus dem Ausland. Stimmt es, dass Roger Schmidt – derzeit in China – und Martin Schmidt – früher bei Wolfsburg und Mainz – im Gespräch waren?
Ich tausche mich immer wieder mit Trainern aus, das gehört zum Job. Auf dieser Liste standen auch die beiden erwähnten Namen. Der eine ist länger oben geblieben als der andere. Ich habe mich auch mit Peter Stöger über Allgemeines rund um den Wiener Fußball ausgetauscht. Ich werde Peter nie vergessen, dass er sich Zeit genommen hat, um mir neue Einblicke zu geben. Aber als es konkret zum Trainerwechsel gekommen ist, war schnell klar, dass es Didi sein soll. In der Situation, in der wir stecken, musste es ein Trainer sein, der die Liga gut kennt und sofort helfen will.
Sie haben ausführlich Fragen der Fans aus dem Austriansoccerboard beantwortet und da angekündigt, keine Verstärkungen im Winter zu holen. Kühbauer will öfters mit zwei Stürmern spielen. Warum soll er keinen Neuen bekommen, obwohl das Geld da sein müsste?
Sollten wir im Europacup ausscheiden, wird es mit 27 Kaderspielern schwierig, Unzufriedenheit zu verhindern. Außerdem haben wir gegenüber Talenten eine Verpflichtung. Aber wenn wir gute Lösungen finden, ist ein Zugang im Winter nicht ausgeschlossen. Ganz sicher wird es dann im Sommer einen Umbau geben.
Von den üblichen Zwischenrufen der „Legenden“ war die Kritik von Peter Pacult am härtesten: sie hätten keinen Spieler verpflichtet, der Rapid wirklich weitergebracht hat.
Ich habe von Peter viel gehalten, aber das hat mich sehr enttäuscht. Gar nicht wegen mir, aber das ist völlig unverständlich gegenüber den Spielern: Galvão hat uns extrem schnell geholfen. Bolingoli hat seinen Marktwert verzehnfacht, außerdem tut er unserem Spiel gut. Und Knasmüllner, mit 17 Torbeteiligungen in 21 Spielen unser bester Scorer, hat großen Anteil am Einzug in die Europa League. Pacult ist entweder boshaft, oder da ist sehr viel Frust dabei, weil er gerne wieder Trainer geworden wäre.
Wie kann man Galvão nach nur elf Monaten „aus menschlichen Gründen“ ziehen lassen, wenn er als Abwehrchef offensichtlich nicht zu ersetzen ist?
Langfristig hilft es einem Klub mehr, wenn die Spieler wissen, dass sie bei Angeboten, die ein Vielfaches an Gehalt bieten, bei einer ordentlichen Ablöse gehen können. Weil so auch wieder entsprechende Zugänge möglich werden. Und seine Verletzungshistorie ist nicht so, dass wir noch vier, fünf Jahre von ihm auf höchstem Niveau voraussagen könnten.
Im Sommer sind Sie meiner Meinung nach ein zu großes Risiko mit dem Blick auf das Potenzial der Neuen eingegangen.
Ja, diese Kritik ist berechtigt. Ich habe im Sommer dem Präsidium gesagt, dass wir zufrieden sein müssen, wenn wir nach einer Europa-League-Quali als Vierter in die Meistergruppe kommen. Dann würden wir vom Potenzial der Neuen profitieren. So große Probleme in der Liga habe ich nicht erwartet. Ich habe zu viel riskiert, weil ich uns überschätzt habe.
In der Schweiz sind Sie ein gefragter Mann. Bei Rapid gibt es in Krisen immer einen Sündenbock. Nach Djuricin wären Sie das nächste „logische Feindbild“. Wollen Sie sich das antun?
Ich kann mich gut abgrenzen von Kritik, die nicht angebracht ist. Viel wichtiger ist: Es brennt in mir, dass ich es bisher nicht geschafft habe, die Mannschaft mit einem Trainer dauerhaft auf hohem Niveau zu stabilisieren. Das Spiel in Altach mit den unterschiedlichen Hälften war ein gutes Beispiel dafür.
Was heißt das für Ihre Zukunft? Ihr Vertrag läuft ja im Sommer 2019 aus.
Ich will nicht so weiterarbeiten und im Wellental herumturnen. Ich will in der Tabelle nach vorne! Wenn ich das nicht hinbringe, muss ich das ehrlich eingestehen. Ich bin auch nicht blauäugig oder überheblich: Okay, der Verein will mit mir verlängern, aber wenn nicht mehr Erfolg kommt, habe ich irgendwann keine guten Karten mehr.
Welchen Zeitrahmen gibt es für Ihre Entscheidung?
Ich hänge am Verein und sehr an dieser Mannschaft. Außerdem haben wir im Nachwuchs und im Umfeld wirklich viel gut gemacht. Ich will nicht so aufhören. Wichtig ist auch die Entscheidung, ob Präsident Krammer weitermacht. Es fehlt wirklich nicht viel, dass es gut läuft und einigermaßen Ruhe einkehrt. Aber ich kann das nicht ewig hinauszögern.
Angenommen, Sie verlängern Ihren Vertrag nicht: Sie wollten ja Steffen Hofmann als Nachfolger aufbauen. Wäre er nach nur einem Jahr als Talentemanager schon bereit?
Ich halte von Steff bekanntlich sehr viel, aber er braucht Zeit. Er hätte meine Unterstützung, aber nur ein Jahr nach dem Karriereende würde ich ihm nicht raten, Sportdirektor zu werden.