Grüne einstimmig für Koalitionsverhandlungen
Die Sondierungsphase zwischen ÖVP und Grünen wurde am Freitag abgeschlossen. Am Sonntag berieten die Grünen in ihrem erweiterten Bundesvorstand (EBV), ob sie Koalitionsverhandlungen aufnehmen wollen.
Um 12 Uhr startete die Sitzung in der Wiener Urania, nach viereinhalb Stunden war klar:
Die Grünen wollen.
Die Zustimmung war sehr groß, hörte der KURIER gleich nach der Sitzung aus internen Kreisen. Alle 27 Stimmberechtigten haben mit "Ja" gestimmt.
Das bestätigte Werner Kogler um 17 Uhr bei einer Pressekonferenz.
"Unsere Hand ist ausgestreckt"
Kogler sagte: "Es ist ein Wagnis, es gibt auf der Landkarte keinen Weg dafür. Es ist Pionierarbeit." Sollten sich die Verhandlungen in eine Richtung entwickeln, die für die Grünen nicht passt, werde er vom Verhandlungstisch aufstehen, versicherte Kogler. Er erinnerte dabei an 2003, als Alexander Van der Bellen die Verhandlungen mit der ÖVP von Wolfgang Schüssel abbrach.
Gleichzeitig betonte Kogler aber, dass eine allfällige Zusammenarbeit viele Kompromisse erfordern werde. Zu den wichtigen Punkten einer allfälligen Regierung zählt für den Bundessprecher die Vereinbarung von Ökologie und Ökonomie. Österreich könnte zu den Vorreitern im Klimaschutz werden. Zudem könnten Schritte gegen die Kinderarmut und ein Informationsfreiheitsgesetz auf den Weg gebracht werden.
Er, Kogler, wolle jedenfalls dazu beitragen, Gräben zuzuschütten, sagte er in Richtung ÖVP. "Unsere Hand ist ausgestreckt." Kogler wollte sich nicht festlegen, wann etwaige Verhandlungen zeitlich abgeschlossen werden müssten.
ÖVP-Chef Sebastian Kurz gibt seine Entscheidung, ob auch er mit den Grünen will, am Montag bekannt.
Kogler war am Sonntagabend nach langer interner Diskussion und der lückenlosen Zustimmung sichtlich erleichtert.
Schon beim Eintreffen in der Urania zu Mittag versicherte er den wartenden Journalisten: „Alles im grünen Bereich, vielen Dank." Und er bedankte sich „für das anhaltende Interesse“. Wie üblich trug er eine Sonnenbrille mit grünem Rahmen auf der Stirn, begleitet war er von seinem Sondierungsteam.
Anwesend waren 27 stimmberechtigte Mitglieder (zwei sind entschuldigt), dazu noch einige Abgeordnete des Klubs als Zuhörer.
Ob man für oder gegen Koalitionsgespräche mit der Volkspartei sei, ließ sich weder Kogler noch sonst einer bzw. eine der Ankommenden vorab entlocken. Auch Vize-Klubchefin Sigrid Maurer sagte bloß, man wolle sich anhören, was die Sondierer zu berichten hätten, und dann entscheiden.
Andere wiederum meinten, sie hätten bereits eine Präferenz - die sie freilich vor Journalisten nicht preisgaben.
Vertrauen in Kogler
Der Oberösterreicher Stefan Kaineder ging vorher nicht davon aus, dass das Ergebnis einstimmig ausfällt. "Das hat bei uns Grünen keine große Tradition", meinte er schmunzelnd. Grundsätzlich gebe es in der Partei aber eine "große Einigkeit", er freute sich auf eine angeregte Diskussion.
Von einem „guten Zwischenergebnis“ sprach die Vorarlbergerin Nina Tomaselli in Bezug auf die Vertrauensbildung während der Sondierungen. Und der Wiener Abgeordnete Lukas Hammer betonte, dass das Vertrauen in Kogler groß sei.
13 Stimmen nötig
Zum Ablauf der Sitzung: Kogler und die Mitglieder des Sondierungsteams berichteten, was bei den Sondierungen mit der ÖVP besprochen wurde. Dann gab Kogler seine Empfehlung ab - und ließ die Mitglieder des EBV darüber abstimmen.
Die Abstimmung war offen: Wer dafür war, hob die Hand. Nötig war eine einfache Mehrheit - also 13 Stimmen. Es hätte aber auch eine geheime Abstimmung beantragt werden können.
"Einzig richtige Entscheidung"
Von einem Ja der Grünen war auszugehen. Alles andere wäre "unvorstellbar", sagte Politikberater Thomas Hofer vorab zum KURIER. Ebenso glaubt er nicht, dass sich ÖVP-Chef Sebastian Kurz nach den internen Beratungen zu einem „Nein, danke“ entschließt.
„Für ÖVP und Grüne ist die einzig richtige Entscheidung, jetzt zu verhandeln und der Bevölkerung zu beweisen, dass sie es wirklich ernsthaft miteinander versuchen wollen“, sagte Hofer. „Ob es zu einem Abschluss kommt, steht freilich auf einem anderen Blatt.“
Das Ergebnis des Grünen EBV erwartet man bei der ÖVP mit Spannung: Der Grad der Zustimmung zeige natürlich, wie gut Kogler seine Truppe im Griff hat – bzw. ob sie den Weg, der in den Sondierungen begonnen wurde, mitgeht, heißt es aus der Volkspartei: „Wenn nur die nötigen 15 Personen dafür sind, macht das nicht gerade zuversichtlich.“
Oder wird’s doch die FPÖ?
Bei der ÖVP ist keine große Sitzung geplant, Parteichef Kurz hat das Wochenende über mit Landeshauptleuten und Bünde-Chefs telefoniert. Am Montagvormittag will er bekannt geben, mit welcher Partei er in Regierungsverhandlungen eintritt. 2017 war schnell klar, dass es die FPÖ wird, die Verhandlungen verliefen dann ebenfalls recht zügig.
Johanna Mikl-Leitner, Landeshauptfrau in Niederösterreich, verriet Ö1-„Journal zu Gast“ am Samstag keine Präferenz. Auch eine Koalition mit der FPÖ schließt sie nicht ganz aus. „Das ist immer eine Frage der Alternativen“, sagte sie.
Skepsis äußerte die Ex-Grün-Abgeordnete und ehemalige Volksanwältin Terezija Stoisits im profil. Die Menschenbilder von ÖVP und Grünen seien nicht kompatibel, denn: „Kurz hat eine Law-and-Order-Politik mit autoritären Zügen vertreten.“
Zuversichtlicher ist da Altbundespräsident Heinz Fischer. „Meine Prognose ist, dass um Weihnachten herum die österreichische Regierung zum ersten Mal eine Regierung mit den Grünen sein wird“, sagte Fischer am Samstag im Rahmen der Konferenz der Internationalen Politikberatervereinigung (IAPC).