Leben/Gesellschaft

Kaiserschnitt: Warum der Begriff für Mütter oft traumatisch ist

Während der Vorgang des Gebärens bei einer vaginalen Geburt als etwas Natürliches gilt, haftet dem Kaiserschnitt (lateinisch "Sectio caesarea") ein Negativimage an. Die Form der Geburt sei nicht ideal für Mutter und Kind. Frauen würden es sich mit einem Kaiserschnitt leicht machen. Man habe keine echte Geburt hinter sich und als Mutter versagt. So der Tenor.

Während über die wenig bekannten Langzeitfolgen einer Sectio und eine ausreichende Aufklärung schwangerer Frauen über die Vor- und Nachteile des Eingriffs unbedingt diskutiert werden muss (mehr dazu hier), gilt es Frauen, die aus medizinischen Gründen ihr Kind nicht natürlich zur Welt bringen können, die Angst davor zu nehmen.

Mächtige Sprache

Dass das mitunter auch über die Sprache funktionieren kann, zeigt ein Fall aus Großbritannien.

Wir der Independent berichtet, war Jordan Grissom mehr als enttäuscht, als sie erfuhr, dass sie ihr Kind via Kaiserschnitt zur Welt bringen müsse. Die Annahme, dass sie ihr Baby nun nicht auf eine natürliche Art und Weise gebären könne, machte der werdenden Mutter zu schaffen.

Als sie ihre Zweifel mit ihrer Doula (Schwangerschafts-, Geburts- und Wochenbettbegleiterin, Anm. der Redaktion) teilte, sprach diese aber von einer "Bauch-Geburt" (englisch "belly birth") – womit sich die Britin sofort wohler fühlte, wie sie der Plattform Popsugar verriet. Die Umformulierung habe ihr das Gefühl der Unzulänglichkeit genommen und ihr eine positive Haltung zum Kaiserschnitt vermittelt, erinnert sich Grissom im Gespräch.

Doula Flor Cruz sagte, angesprochen auf ihre besondere Wortwahl, dass sie immer den Begriff Bauch-Geburt verwende, wenn sie mit Müttern, denen ein Kaiserschnitt bevorsteht, arbeitet. Damit versuche sie zu vermeiden, dass die Frauen ihre Geburt als weniger wertvoll oder bedeutend erleben. "Verändere die Sprache, verändere die Denkweise und es verändert die Erfahrung, wie eine Kettenreaktion", sagte die Geburtshelferin im Interview. Mit dem Wort C-Section verbinde man den Aspekt der Operation, "wir unterstreichen und feiern damit aber nicht das Hervorbringen von Leben". Bauch-Geburt sei wesentlich inklusiver – "es erinnert alle daran, dass tatsächlich eine Geburt stattgefunden hat, nicht nur eine Operation."

Kaiserschnitte "passieren"

Dass der Begriff Bauch-Geburt die Wahrnehmung der Geburt verändert, berichtet auch Kristen Thompson in einem Blogeintrag auf der Website Today's Parent. Dort schreibt die Mutter, die ihre Kinder via Not-Kaiserschnitt zur Welt gebracht hat, dass sie nie der Meinung war, ihre Kinder geboren zu haben. "Jahrelang beklagte ich meine Geburten, schlug mich mit dem Gefühl der Scham und des Versagens herum."

Während sie auch heute immer noch versuche, diese Gefühle hinter sich zu lassen, sei für sie die Art, wie über Kaiserschnitte gesprochen wird, der Schlüssel zu einem veränderten Zugang. "Die Sprache, die wir verwenden, unterscheidet zwischen vaginalen Geburten und Kaiserschnitten und beraubt Kaiserschnitt-Mütter jeglicher Vollmacht über ihre Geburt." Eine Geburt sei etwas, das eine Mutter geleistet hat, ein Kaiserschnitt hingegen etwas, das passiert sei. Auch Thompson fordert daher den Begriff der Bauch-Geburt verstärkt zu verwenden.

Kaiserschnittrate steigt

Die Kaiserschnittrate nimmt weltweit nach wie vor zu. In Westeuropa wurden 2016 rund 25 Prozent aller Kinder mittels Sectio geboren, in Nordamerika 32 Prozent, in Südamerika 41 Prozent. Österreich liegt nach früheren Anstiegen seit einigen Jahren im Mittelfeld – etwa jede dritte Geburt erfolgt mittels Sectio. Viele der Eingriffe seien medizinisch unbegründet, ihre Zunahme hänge auch damit zusammen, dass Frauen über die Vor- und Nachteile nicht ausreichend aufgeklärt seien. Zu diesem Schluss kamen kürzlich Autoren einer Übersichtsstudie des Spitals Royal Infirmary of Edinburgh, erschienen im Fachblatt Plos Medicine, bei der die Vor- und Nachteile des Kaiserschnitts anhand von Daten von fast 30 Millionen Frauen ausgewertet wurden (mehr dazu hier).