"Flygskam": Umweltbewusste Schweden schämen sich fürs Fliegen
Rund 1,5 Tonnen CO2 werden auf einem Flug von Wien nach New York ausgestoßen – pro Passagier. Mit dem Rückflug nach Österreich und jeder weiteren Flugreise vergrößert sich der ökologische Fußabdruck des Einzelnen beträchtlich.
Die Zunahme von Kohlendioxid und anderen Gasen mit Treibhauseffekt in der Atmosphäre verursacht wiederum Klimaveränderungen – sie schadet also der Umwelt. Aufs Fliegen zu verzichten fällt dennoch vielen schwer.
Freilich kann man mittlerweile – dem Gewissen und der Umwelt zuliebe – seine Flugreise im Internet per Mausklick kompensieren. Etwa direkt beim Check-out im Online-Buchungsverfahren. Oder auf externen Websites wie atmosfair.de oder myclimante.org, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Im Fall des eingangs erwähnten Langstreckenfluges in die USA würden dafür in etwa 35 Euro anfallen. Allerdings sind sich Experten einig, dass derartige Kompensationssysteme keine dauerhafte Lösung des Klimaproblems, sondern lediglich ein Tropfen auf dem heißen Stein sind.
Am Boden bleiben fürs Klima
In Schweden geht man bereits einen anderen, nachhaltigeren Weg. Immer mehr Menschen verzichten dort bewusst auf Flugreisen – und reduzieren so ihre CO2-Emissionen mitunter drastisch. Auch ein Wort haben die Nordeuropäer dafür gefunden: " ", also "Flugscham", heißt das Phänomen, bei dem sich Menschen wortwörtlich schämen, in einen Flieger zu steigen.
Ihren Status als ökologische Trendsetter wollen die Schweden damit erneut für sich beanspruchen. Und so verbreiten sich im Netz immer mehr Meldungen, in denen Schwedinnen und Schweden sich unter dem Hashtag #flygskam zur Flugscham bekennen. Auch unter den Hashtags #flyingless und #jagstanarpamarken ("Ich bleib am Boden") wird Mut zur Veränderung bekundet.
Das macht sich anscheinend auch bei der schwedischen Bahn Statens Järnvägar (SJ) bemerkbar, wie die deutsche Tageszeitung taz berichtet. Die Nachfrage besonders nach Nachtzügen ist in den vergangenen zwei Jahren gestiegen, sie weitet ihr Angebot im Dezember dementsprechend aus.
An der Aktion beteiligt hat sich unter anderem auch der schwedische Ex-Biathlet Björn Ferry. Er wird demnächst mindestens 13.000 Kilometer mit der Bahn reisen, um die anstehende Wintersaison im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Schwedens (SVT) kommentieren zu können.
Vielflieger
Beachtlich ist dieser Trend auch deshalb, weil die Schweden eigentliche gerne und viel fliegen. Laut taz steigen Schweden durchschnittlich siebenmal so oft in ein Flugzeug wie Menschen aus anderen Ländern.
Dabei genießen die Bürger aus dem hohen Norden eigentlich den Ruf, in Sachen Umweltschutz besonders fortschrittlich zu agieren. Das schlägt sich nicht zuletzt in den nationalen Emissionszahlen nieder: Der gesamte CO2-Ausstoß konnte seit 1990 um 24 Prozent verringert werden. Aber: Der Flugverkehr stiegt um 61 Prozent an.
Die Flygskam-Bewegung nimmt jedenfalls Fahrt auf. Eine kleine Trendwende bei den Fluggastzahlen wurde bereits geschafft: Von Januar bis September wurden dieses Jahr drei Prozent weniger innerschwedische Flugreisen verbucht. Auch ein leichter Rückgang bei den Charterflügen ist zu beobachten.
Dass die Schweden mit gutem Beispiel und konsequent vorangehen wollen, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass #Flygskam als heißer Anwärter für den Titel "Wort des Jahres" in Schweden gilt.