Chronik/Wien

Besetzung: Stadtstraßen-Camp vollständig geräumt, zwölf Festnahmen

Die besetzte Stadtstraßen-Baustelle in der Donaustadt in Wien ist mittlerweile vollständig geräumt. Bei der Räumung kam es immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Aktivisten. Protestierende blockierten Polizeiautos und wurden von Beamten weggetragen, es wurde bereits Pfefferspray eingesetzt.

Die Polizei war am Dienstagmorgen im Protest-Camp bei der Hausfeldstraße angerückt und hatte die Besetzer aufgefordert, die Baustelle zu verlassen. Dem kamen Letztere aber nicht nach, einige ketten sich sogar an. 

Zunächst blieb die Lage verhältnismäßig ruhig. Es wurde gesungen, "Lobau bleibt"-Sprechchöre waren zu hören. Einige Aktivisten saßen in Baumkronen oder auf Baggern. 

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Als die Polizei die Aktivisten am Vormittag schließlich ein letztes Mal aufforderte, das Camp zu verlassen, wurde die Stimmung angespannter. Mehrere Besetzerinnen und Besetzer verließen die Räumungszone friedlich, ein harter Kern von ca. 40 Leuten blieb aber.

12 Festnahmen

In der Folge wurden Sperrgitter niedergerissen, es kam zu mindestens zwölf Festnahmen rund um die sogenannte „Pyramide“, einer Art Witterungsschutz. Zu Mittag hielten sich dort noch zwei Besetzer verschanzt, die sich an einem Innengerüst festgekettet hatten. Laut den Informationen von Polizeisprecher Markus Dittrich hatten sich die zwei Frauen mit einem Betonrohr, das mit Zement in der Erde festgemacht war, angekettet. Sie wurden letztlich von der Polizei "befreit".  

Andernorts hatten Besetzer versucht, Autos und Lastwagen an der Weiterfahrt zu hindern. 

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Begonnen hatte alles gegen 8 Uhr. Die Stadt hatte die Polizei zuvor ersucht, die Versammlung auf der Baustelle aufzulösen - woraufhin diese ausrückte. Um 8.15 Uhr wurde die Räumung angekündigt, die Aktivisten hatten bis 8.30 Uhr Zeit, das Gelände zu verlassen. 

Kritik an Öffi-Sperren

Zunächst wurde die U2-Station Hausfeldstraße wegen des Einsatzes gesperrt. Einige Straßenbahn- und Buslinien wurden umgeleitet. Mittlerweile gibt es im öffentlichen Verkehr aber keine Einschränkungen mehr.

 An den Einschränkungen bei den Öffis wurde Kritik laut: Besetzer und ihre Sympathisanten sehen darin einen Versuch, spontane Solidaritätskundgebungen zu verhindern. Dennoch kamen - auch nach einem Aufruf zahlreicher NGOs - zum Ort des Geschehens.

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Straßen wurden ebenfalls abgeriegelt: "Damit eine Zuströmung der mobilisierten Aktivisten verhindert werden kann, wurden unter anderem einige Straßen in der Umgebung gesperrt, sonst hätte eine Räumung keinen Sinn", sagte ein Polizeisprecher zum KURIER.

Sima wendet sich an Besetzer

Auch die Stadt hat sich bereits zu Wort gemeldet. "Ich hatte bis zuletzt auf ein klärendes Gespräch und eine gemeinsame Lösung des Konflikts gehofft und dazu mehrfach Gesprächstermine angeboten. Leider erfolglos", sagt Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) in einem Schreiben an Lena Schilling, Sprecherin von "Lobau bleibt". 

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Sie will mit den Aktivisten im Gespräch bleiben: "Mir ist es wichtig, über das Thema der Stadtstraße hinaus mit Ihnen im Dialog zu bleiben", so Sima. Ihre Hand bleibe ausgestreckt: "Ich würde mich freuen, mit Ihnen gemeinsam über den Klimaschutz in unserer Stadt zu sprechen." 

Ähnlich Thomas Keller, Leiter der für Straßenbau zuständigen MA 28: „Wir haben als Stadt Wien auf sämtlichen Ebenen seit Oktober versucht, in Gespräche mit den Besetzerinnen und Besetzern zu kommen. Es gab dazu unzählige Angebote, leider ohne Erfolg. Auch wir hätten uns eine friedliche Lösung gewünscht“, wird er in einer Aussendung zitiert.

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"Die Versammlung der Aktivistinnen und Aktivisten auf der Baustelle in der Hausfeldstraße wurde bereits im Dezember von der Polizei behördlich aufgelöst. Nun war eine Räumung unausweichlich, da der Bau an behördliche Auflagen gebunden ist", so Keller. 

380 Bäume gefällt

Parallel zur Räumung wurden am Dienstag auch Bäume entlang der Stadtstraßen-Trasse gefällt. Es müssen insgesamt 380 weichen, wie Keller mitteilte. Diese müssten gemäß UVP-Bescheid gerodet werden. Es sei jedoch geplant, eine Ersatzpflanzung von insgesamt 1.000 Bäumen vorzunehmen - unter anderem in den neuen Stadtteilen, die dort errichtet würden.

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Umweltaktivisten haben unterdessen begonnen, auch gegen diese Maßnahme zu demonstrieren, etwa in einem Areal in der Nähe des Protestcamps bei der Hausfeldstraße.

Am Boden fixiert

Die Besetzer hatten sich am Vormittag jedenfalls kämpferisch gegeben. „Wir wollen auf jeden Fall passiven Widerstand leisten“, kündigte Lena Schilling APA an. Man mobilisiere alles, was gehe. 

Zuletzt konzentrierte sich die Auseinandersetzungen mit der Polizei auf besagte Pyramide. Dorthin strömten auch die Sympathisanten. Sie rissen Sperrgitter nieder und skandierten: „Lasst sie frei.“

Die Polizei setzte Pfefferspray ein. „Es wurden junge Menschen am Boden fixiert, Handschellen angelegt und hier in den Polizeiautos festgehalten“, schilderte Lucia Steinwender, Sprecherin von „LobauBleibt“ und „System Change not Climate Change“.

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Während des Polizeieinsatzes erfolgten bereits die ersten Aufräumarbeiten im Protestcamp. Bagger rissen etwa ein Nebengebäude der Pyramide ab, ein Camping-Anhänger wurde abtransportiert. Nach der Räumung wurde auch die Pyramide demoliert.

Verfahrene Vorgeschichte

Dass das Camp der Aktivisten geräumt wird, hatte sich in den vergangenen Wochen bereits abgezeichnet. Am 23. Jänner gab es eine letzte Gesprächsrunde zwischen den Besetzern und Verkehrsstadträtin Sima im Rathaus. Die Verhandlungen gingen allerdings, wie berichtet, ohne Ergebnis zu Ende. 

Die Aktivisten wollen den Bau der Stadtstraße, die die Seestadt an die Tangente anbinden soll, aus Gründen des Klimaschutzes verhindern. Die Stadt argumentiert, dass die 3,2 Kilometer lange Straße eine behördliche Auflage für den Bau der Seestadt Nord und damit für Wohnraum sei. Es gebe einen einstimmigen Gemeinderatsbeschluss dazu, alle rechtlichen Vorgaben seien erbracht. 

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