Chronik/Wien

Balkonkonzerte mit Fensterbank-Plätzen

Ernst Molden macht es jeden Sonntag. Dann stellt er sich mit seiner Gitarre samt Mikrofon und Verstärker auf den Klopfbalkon seines Hauses auf der Landstraßer Hauptstraße und spielt ein paar Lieder.

Die Landstraßer danken es ihm. Die, die unten auf dem Gehsteig stehen, mit Applaus und Zurufen. Die, die schräg gegenüber oder auf der anderen Straßenseite von ihren Balkonen aus zuschauen, manchmal auch mit Plakaten.

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Seit Beginn der CoronaKrise finden in Wien sogenannte Balkonkonzerte statt. Italien hat es vorgemacht: Die Videos von den Italienerinnen und Italienern, die auf ihren Balkonen stehen und gemeinsam „Bella Ciao“ gesungen haben, gingen um die Welt.

Als Corona nach Österreich kam, kamen auch die Balkonkonzerte mit. Am ersten Wochenende des Shutdown versammelten sich – pünktlich um 18 Uhr – Menschen auf Balkonen (oder vor geöffneten Fenstern), um in Zeiten der Quarantäne gemeinsam zu musizieren – oder „I am from Austria“ laut aufzudrehen.

Nicht ohne Widerspruch, es ist ja immer noch Wien: Das Video einer Wienerin, die den Operngesang vom Fenster über ihr mit „Ruhe! So sche is’ des net!“ kommentierte, ging viral.

Dass Molden seit Beginn der Coronakrise immer wieder ein paar kleine Balkonkonzerte gibt, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Wenn er spielt, stehen die Menschen auf dem Gehsteig unterhalb des Balkons – den Abstand wahrend – mit Blick nach oben.

Gratis-Konzerte gibt’s schließlich nicht oft, schon gar nicht in der Krise.

Solidarität

In den Genuss eines solchen Konzerts kommen ab heute, Montag, auch die Bewohnerinnen und Bewohner der Häuser des Kuratoriums Wiener Pensionistenwohnhäuser. Die Balkonkonzerte dort finden allerdings in umgekehrter Form statt.

Auf dem Balkon stehen nämlich nicht die Musiker, sondern die Seniorinnen und Senioren. Und auch nicht alle haben Balkonplätze, manche schauen vom Fensterbankerl aus zu. Im Haus Atzgersdorf etwa spielt heute, Montag, um 15 Uhr das Wienerlied-Duo „Die Strottern“ auf.

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Es ist der Beginn einer ganzen Konzertreihe, von der Senioren und Künstler gleichermaßen profitieren sollen. Denn die Musiker bekommen für die Auftritte ihr reguläres Honorar.

„Die Künstler sind solidarisch mit den Seniorinnen und Senioren, die nicht hinaus dürfen. Und wir sind solidarisch mit den Künstlerinnen und Künstlern, die von katastrophalen Ausfällen betroffen sind“, sagt Hans Grasser vom Kuratorium.

Übrigens: Auch Ernst Molden weist die Besucher seiner Balkonkonzerte freundlich darauf hin, für Konzerte wieder zu bezahlen, sobald das wieder möglich ist.

Wem Musiker also über die Krise geholfen haben, der kann später Musikern aus der Krise helfen.