Chronik/Wien

Angst nach Mord an Tschetschenen: Demo vor russischer Botschaft geplant

Etwa 30.000 Tschetschenen leben in Österreich, ein Drittel davon in Wien. Die meisten kamen während der beiden Kriege (1994-1996 bzw. 1999-2009) oder sie flüchteten vor der Diktatur unter Ramsan Kadyrow, der die autonome Teilrepublik Russlands seit 2007 nach einem Vorschlag von Putin regiert.

Immer wieder sorgte die mehrheitlich muslimische Volksgruppe in Österreich für Schlagzeilen – oft im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen mit Afghanen, Bandenkriminalität oder Rauben. Die meisten IS-Kämpfer aus Österreich haben zudem tschetschenische Migrationsgeschichte.

„Wir haben zwei Kriege erlebt, viele haben deswegen keine Schulbildung“, sagt Khuseyn Iskhanov, Exilpolitiker und Vorsitzender des Kulturvereins Ichkeria. Deshalb hätten viele schlechte Chancen am Arbeitsmarkt.

Mehr Schutz gefordert

Mit diesen Problemen hätte der aktuelle Fall aber nichts zu tun, sagt Iskhanov: „Das war ein politischer Auftragsmord.“

Am Samstag wurde der 43-jährige Tschetschene Martin B. in Gerasdorf bei Wien erschossen - zuvor hatte er in Youtube-Videos Kadyrow kritisiert. Zwei Verdächtige wurden festegnommen - ebenfalls Tschetschenen.

Deswegen habe Iskhanov für Dienstagnachmittag eine Demonstration vor der russischen Botschaft in Wien-Landstraße organisiert. Von Russland fordere man, Politmorde an tschetschenischen Flüchtlingen in Europa zu beenden und von den österreichischen Behörden, dass der Fall aufgeklärt wird.

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„Ich befürchte aber, dass nicht sehr viele kommen werden. Die meisten haben Angst, dass sie gefilmt werden und die Bilder dann in Tschetschenien auftauchen“, sagt Iskhanov. Generell müssten Kadyrow-Kritiker auch in Österreich Angst haben, sagt er.

Hohes Kopfgeld

Denn es gebe auch hier Kadyrow-Anhänger unter den Tschetschenen – und das Regime würde hohes Kopfgeld auf Kritiker aussetzen. Er fordert deshalb mehr Schutz von den Behörden und einen Stopp der Abschiebungen von Kritikern nach Tschetschenien.

Iskhanov fürchtet, dass dieser Fall wieder zur Integrationsdebatte gerät: „Vor allem jene Partei, die zumindest früher gute Kontakte zu Kadyrow hatte, braucht jetzt Stimmen“, sagt er – und spielt damit auf einen Besuch des ehemaligen FPÖ-Politikers Johann Gudenus in Tschetschenien im Jahr 2012 an.