Chronik/Welt

Terror in Hanau (D): Neun der Opfer hatten Migrationshintergrund

  • Rechtsextremer Terror in Deutschland: Im hessischen Hanau hat ein Mann am Mittwochabend insgesamt zehn Menschen getötet, fünf weitere sollen verletzt worden sein. Neun der Opfer hatten Migrationshintergrund.
  • Den mutmaßlichen Schützen Tobias R. - der 43-Jährige soll deutscher Staatsbürger sein - fand die Polizei Donnerstagmorgen tot auf. Nach der Tat habe der Sportschütze in seiner eigenen Wohnung erst seine Mutter und dann sich selbst erschossen. Es gebe keine Hinweise auf weitere Täter, sagt die Polizei
  • Hessens Innenminister Peter Beuth bestätigte einen mutmaßlichen rechtsextremen Hintergrund der Tat. Der Täter hat ein Manifest hinterlassen, er war zuvor nicht im Visier der Ermittler gewesen.
  • Um 15:00 gab es eine Erklärung der deutschen Bundesanwaltschaft. Demnach sei es Ziel der laufenden Ermittlungen zu eruieren, ob es Mitwisser oder Unterstützer gab. 
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Shisha-Bars als Tatorte

Ereignet hat sich das Attentat am Mittwochabend um etwa 22 Uhr in und vor zwei Shisha-Bars der 100.000-Einwohner-Stadt nahe Frankfurt. Der Täter soll bei einer Bar geklingelt und dann im Raucherbereich wild um sich geschossen haben. Die Polizei war danach mit einem Großaufgebot im Einsatz. Ein weiterer Tatort liegt nach Polizei-Angaben am Kurt-Schumacher-Platz. Er befindet sich etwa zweieinhalb Kilometer vom ersten Tatort entfernt. Neun Menschen kamen ums Leben. Nach der Tat soll der Mann in seiner eigenen Wohnung erst seine Mutter und dann sich selbst erschossen haben.

Ein Bekennerschreiben und ein Video wurden gefunden, beides wird nun von den Behörden ausgewertet. Der Generalbundesanwalt hat wegen der besonderen Bedeutung die Ermittlungen im Fall Hanau übernommen. Als Grund wird angeführt, dass das Bekennerschreiben auf eine fremden- und ausländerfeindliche Motivation hindeuten soll. Im Auto des mutmaßlichen Schützen soll die Polizei Munition, Magazine und einen Holster gefunden haben. Es gibt keinen Hinweis auf weitere Täter.

Die Bundesanwaltschaft ermittelt nun unter anderem, ob es Mitwisser oder Unterstützer gab, das gab die Behörde Donnerstagnachmittag bekannt. Dazu würden das Umfeld und die Kontakte des Mannes im In- und Ausland abgeklärt, sagte Generalbundesanwalt Peter Frank in Karlsruhe.

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Neun Opfer mit Migrationshintergrund

Neun Opfer seien Menschen mit Migrationshintergrund gewesen, wie die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag aus Sicherheitskreisen erfuhr. Zudem hätten vier der fünf Verletzten ausländische Wurzeln gehabt. Medienberichten zufolge sollen mehrere Opfer kurdischer Abstammung sein.

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Merkel: "Rassismus ist ein Gift“

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte zu Mittag: "Rassismus ist ein Gift, der Hass ist ein Gift. Und dieses Gift existiert in unserer Gesellschaft und es ist Schuld an schon viel zu vielen Verbrechen." Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich zudem solidarisch mit den Opfern erklärt und wollte im Laufe des Nachmittags nach Hanau reisen. "Ich stehe an der Seite aller Menschen, die durch rassistischen Hass bedroht werden. Sie sind nicht allein."

Der deutsche Innenminister Horst Seehofer erklärte am Tatort in Hanau, er habe Trauerbeflaggung für alle öffentlichen Gebäude in Deutschland angeordnet. Am Abend werde er zudem mit allen Innenministern der Länder darüber beraten, wie die Sicherheit vor allem bei öffentlichen Veranstaltungen in den nächsten Tagen gewährleistet werden könne.

Der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen bezeichnete "die Nachrichten über die mutmaßlich rassistisch & rechtsextrem motivierten Morde" in Hanau als schrecklich. "Eine solche verabscheuungswürdige Tat ist auf das Schärfste zu verurteilen. Unser Mitgefühl ist bei den Opfern, ihren Angehörigen, Freundinnen und Freunden", schrieb er auf Twitter. Auch vom Französischen Staatschef Emmanuel Macron, von der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie vom Türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan kamen heute Beileidsbekundungen für die Opfer.

Video mit "persönlicher Botschaft an alle Amerikaner"

Der mutmaßliche Täter hat vor wenigen Tagen ein Video bei Youtube veröffentlicht. Darin spricht der Mann in fließendem Englisch von einer "persönlichen Botschaft an alle Amerikaner". Dem KURIER liegt besagtes Video vor.

Darin sagt der Mann, in den USA existierten unterirdische Militäreinrichtungen, in denen seit sehr langer Zeit Kinder "von unglaublicher Zahl" misshandelt und getötet würden. Dort würde auch dem Teufel gehuldigt.

Es folgt ein Aufruf, sich nicht mehr über "Mainstream-Medien" zu informieren, sowie ein wirrer Aufruf zur Gewalt. Man müsse handeln: "Finde heraus, wo sich diese Militäreinrichtungen befinden, versammle massenhaft Leute und stürme sie. Es ist deine Pflicht als US-Bürger, diesen Albtraum zu beenden. Kämpfe jetzt." Ein Hinweis auf eine bevorstehende eigene Gewalttat in Deutschland ist in dem Video nicht enthalten. Das Motiv des Verbrechens mit insgesamt elf Toten blieb zunächst unklar.

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Ein "Incel", der Ausländer hasste

In dem mutmaßlichen Bekennerschreiben, das dem KURIER ebenfalls vorliegt, hat der Schütze unter anderem davon gesprochen, dass bestimmte Völker vernichtet werden müssten, deren Ausweisung aus Deutschland nicht mehr möglich sei. Er schildert darin persönliche Erfahrungen und Enttäuschungen, davon, dass er glaubt, von einem "Geheimdienst" überwacht worden zu sein. Als Wendepunkt in seinem Leben nennt er den 11. September 2001.

Terror-Experte Peter Neumann schreibt dazu auf Twitter"Er hasst Ausländer und Nicht-Weiße. Auch wenn er den Islam nicht direkt erwähnt, ruft er zur Vernichtung von verschiedenen Ländern in Nordafrika, im Mittleren Osten und Zentralasien auf (die alle mehrheitlich muslimisch sind.)"

Er rechtfertige seinen Aufruf zum Völkermord damit, dass die "Wissenschaft beweise, dass manche Rassen überlegen seien." Er dürfte auch ein sogenannter Incel sein, also jemand, der niemals eine Beziehung mit einer Frau hatte – für die letzten 18 Jahre, so schreibt er, aus eigenem Entschluss heraus.  Dazu erwähnt er, öffentliche Personen wie Donald Trump und Jürgen Klinsmann hätten seine Ideen gestohlen.

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Hier der Ticker zur Nachlese. 

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