Chronik/Tirol

Grüner Stadtchef in Innsbruck-Stichwahl gegen ÖVP-Rebell, Debakel für Tursky

Mit einer äußerst optimistischen Prophezeiung hat Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi (Grüne) seine Anhänger vor sechs Wochen in den Intensivwahlkampf geschickt: „Es wird ein guter 14. April.“

Er sollte recht behalten. Seine Partei fuhr zwar ein Minus ein, konnte aber mit 18,87 Prozent Platz eins in der Tiroler Landeshauptstadt behaupten. Und für den 64-Jährigen lebt die Hoffnung, dass er auch sein Bürgermeisteramt verteidigen kann. In zwei Wochen trifft er sich mit dem ÖVP-Rebell Johannes Anzengruber in einer Stichwahl. 

Euphorisch empfangen

Willi ist dann am Sonntagabend von seinen Anhängern vor einem Lokal in der Innsbrucker Innenstadt euphorisch und mit lauten Sprechchören empfangen worden. Der Bürgermeister hob ebendort auf einem Stuhl stehend zu einer kurzen Rede an. "Ich möchte vor allem meinem Team und meiner Frau Danke sagen", sagte er eingangs sichtlich gerührt.

Vor allem auch den Menschen im Hintergrund - wie etwa dem Wahlkampfleiter und den mit ihm Wahlkämpfenden - sei es jedenfalls zu verdanken, dass das Ergebnis heute "in dieser Form gelungen ist", so der amtierende grüne Bürgermeister. "Es war eine absolute Wohltat, mit Euch zu kämpfen", erklärte er. Das alles wiege umso mehr, als die "vergangenen Zeiten nicht leicht waren", spielte Willi auf die durchaus turbulenten vergangenen Jahre im Innsbrucker Gemeinderat an, seit seine Viererkoalition im Jahr 2021 zerbrochen war.

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Anzengruber hat indes mit seiner Abspaltung „JA - Jetzt Innsbruck“ aus dem Stand 16,83 Prozent erreicht und als Person ein noch stärkeres Ergebnis erzielt. Auf den Plätzen folgen FPÖ-Vizestadtchef Markus Lassenberger und SPÖ-Stadträtin Elli Mayr. Sie sind aus dem Rennen.

Gescheitertes Projekt

Nur Platz fünf – bei Listen und Bürgermeisterwahl – blieb dem ÖVP-Bündnis „Das neue Innsbruck“ von Ex-Staatssekretär Florian Tursky. Mit dem Anspruch angetreten, nach einer Wiedervereinigung mit der einstigen Abspaltung „Für Innsbruck“ und gemeinsam mit dem Seniorenbund, das Bürgermeisteramt für das bürgerliche Lager zurückzuerobern, erlebte die Volkspartei ein Debakel.

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2018 noch getrennt angetreten hatten die drei Listen  einen gemeinsamen Stimmenanteil von 31 Prozent. Als Allianz erreichten sie nur knapp über 10 Prozent. Dabei war Tursky in den vergangenen Wochen wie ein Duracell-Hase, angetrieben von der Wahlkampfmaschinerie der Landes-ÖVP, durch die Stadt getourt. Das bei Weitem größte Budget blieb ohne Wirkung.

Rechnung ohne Almwirt gemacht

Die Volkspartei hat die Rechnung ohne den ehemaligen Almwirt Anzengruber gemacht. Er wollte die Schwarzen als Spitzenkandidat in die Wahl führen. Als ihm das verwehrt blieb, gab sich der einstige Ringer kämpferisch und blieb als Sieger auf der Matte.

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„Gewaltig. Mich freut es sehr“, bewertete der 45-Jährige sein Ergebnis: „Es war harte Arbeit, Knochenarbeit aber ich freue mich sehr, dass wir Kommunalpolitik jetzt leben können. Unabhängig und parteifrei.“ Anzengrubers Blick ist bereits Richtung Stichwahl gerichtet: „Es werden harte 14 Tage“. Aber nach dem Ergebnis vom Sonntag zeigt er sich optimistisch.

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Enttäuschung bei der FPÖ

Enttäuschte Gesichter waren bei der FPÖ zu sehen. Die Blauen hatten mit Platz eins spekuliert und ihr Frontmann Lassenberger sich schon so gut wie sicher in der Stichwahl gesehen. Die Freiheitlichen waren – auch aufgrund des Bundestrends – mit breiter Brust in die Wahl gegangen. Und verloren letztlich sogar Stimmenanteile.

„Mehr geht immer“, kommentiert Lassenberger das Wahlergebnis. „Wir haben immer gesagt, der Wähler entscheidet und die Wähler haben nun entschieden, dass jemand anders in die Stichwahl kommen soll.“ Das sei enttäuschend, aber „das Leben ist halt so.“

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Der FPÖ auf den Fersen ist die von Mayr angeführte SPÖ. Sie ortete „eine Trendwende“ für ihre Partei, die 2018 mit nur noch knapp über 10 Prozent einen historischen Tiefstand erreicht hatte. Entsprechend euphorisiert marschierten die Roten zur Verkündung des Ergebnisses in die Innsbrucker Stadtpolitik.

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In der will auch Tursky trotz der schweren Niederlage in Zukunft mitmischen. „Es ist ein enttäuschendes Ergebnis, auch für mich persönlich“, sagt der 35-Jährige, der als Zukunftshoffnung der ÖVP galt, sichtlich gezeichnet. Man habe offensichtlich den Wähler zu wenig mitgeben können, dass man für einen Neuanfang stehe. Er und seine Partei würden konstruktiv mitarbeiten, versicherte der ehemalige Staatssekretär Tursky.

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Die Wahl scheint Innsbruck emotionalisiert zu haben. Es zeichnete sich eine deutliche gestiegene Wahlbeteiligung ab. 2018 war die Hälfte der Stimmberechtigten daheimgeblieben. 

Als Gratulanten auf Bundesebene haben sich Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und SPÖ-Chef Andreas Babler eingestellt. Während Kogler dem amtierenden Grünen-Bürgermeister Willi für "unglaublichen Einsatz, Kompetenz und Leidenschaft " dankte, ortete Babler einen "beeindruckenden Neustart für die SPÖ Innsbruck". Für ÖVP-Generalsekretär Stocker ist das Antreten von zwei bürgerlichen Listen schuld am schlechten Abschneiden. Er "kenne und schätze" Tursky als "überaus kompetenten und engagierten Politiker", so Stocker. Leider habe aber die Vielzahl an Listen zu einer Zersplitterung der Stimmen geführt und damit den Einzug in die Stichwahl verhindert.

Als „historisch“ hatte Pia Tomedi, Spitzenkandidatin der KPÖ, im Vorfeld der Wahl einen möglichen Einzug ihrer Partei in den Innsbrucker Gemeinderat bewertet. Mit 6,71 Prozent schafften sie das auch. Zuletzt hatten die Kommunisten 1965 einen Mandatar ins Stadtparlament gebracht.

Die Neos – vor einem Jahr in Salzburg aus dem Landtag geflogen und bei der Gemeindewahl in der dortigen Landeshauptstadt vor wenigen Wochen von zwei Sitzen auf ein Mandat geschrumpft. Nun in Innsbruck den Wiedereinzug in das Innsbrucker Stadtparlament verpasst: Ein alarmierendes Zeichen wenn die Pinken nur 3,51 Prozent im urbanen Gebiet ergattern.

Zweites Mandat erobert

Die „Liste Fritz“ – Sie sind seit 2008 nach ihrer Gründung durch den damaligen AK-Präsidenten Fritz Dinkhauser im Landtag und seit 2018 mit einem Mandatar im Gemeinderat. Mit Andrea Haselwanter-Schneider hatte die Partei ihre Landeschefin als Spitzenkandidatin aufgeboten. Mit ihr als Nummer eins konnte die Liste zulegen und ein zweites Mandat erobern.

Die Alternative Liste Innsbruck „ALI“ ging 2018 noch als gemeinsames Projekt des Ex-Grünen Mesut Onay mit den Kommunisten an den Start. Damals als linkes Sammelbecken inklusive Kommunisten gegründete Fraktion errang damals ein Mandat und darf sich nun über ein zweites freuen. Dafür reichten 4,83 Prozent

4-Prozent-Hürde verpasst

Das „Gerechte Innsbruck“ war bisher ein Ein-Mann-Projekt des Rechtspopulisten Gerald Depaoli, der auf Facebook mit Hunderten Videos sechs Jahre lang den Rabauken gab, der sich als Aufdecker gerierte und dieser Rolle mitunter sogar gerecht wurde. Mit 3,47 Prozent verpasste die Liste knapp die 4-Prozenthürde.

Drei weitere Listen schafften die 4-Prozent-Hürde nicht.  „TUN“ holte 0,34 Prozent der Stimmen, „Einig 0,68 Prozent. Der langjährige Klubobmann der Stadt-SPÖ, Helmut Buchacher, wollte mit „Das unabhängige Innsbruck“ „DU-I“ in den Gemeinderat. Dort hatte er sich im Vorjahr vom roten Klub, der schon seit Jahren zerstritten war, abgespalten. Offizielles Motiv für seine Trennung: Den „Linksruck“ unter dem neuen Bundesparteichef Andreas Babler könne er nicht mittragen. Er holte nur 0,30 Prozent.

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Der KURIER begleitete den Wahltag in Innsbruck live. Hier gibt es den vollständigen Ticker zur Nachlese:

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