Chronik/Österreich

Marchfeld Schnellstraße: Gerichtsgutachter zerpflückt Pläne für S8

Jene Bewohner des Marchfelds, die die Schnellstraße S8 herbeisehnen, werden wohl noch länger auf deren Bau warten müssen. Denn im Beschwerdeverfahren, das ab heute, Dienstag, drei Tage lang vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelt wird, hat der vom Gericht beauftragte Naturschutz-Sachverständige Georg Bieringer den zweiten Teil seines Gutachtens vorgelegt.

Und Bieringer stellt der projektierten Schnellstraßen-Variante, die rund 310 Millionen Euro kosten soll, ein vernichtendes Zeugnis aus.

Im Mittelpunkt steht der vom Aussterben bedrohte Vogel Triel, durch dessen naturgeschütztes Brutgebiet die geplante S8-Trasse führt.

„In meinen Gutachten bin ich zu dem Ergebnis gelangt, dass die Errichtung der S8 in der zur Genehmigung eingereichten Form mit den Erhaltungszielen des Europaschutzgebiets, Sandboden und Praterterrasse‘ nicht in Einklang steht“, stellt Bieringer in seiner 74 Seiten starken Expertise fest.

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„Diese Beurteilung des Sachverhalts gründet sich zum einen auf die Zerstörung der letzten bekannten Brutreviere des Triels in diesem Gebiet, zum anderen auf den Verlust an Lebensraumeignung.“

Die projektierte Trasse der S 8 führe "zu einer Zerschneidung des aktuellen Kernlebensraumes einer in Österreich vom Aussterben bedrohten Art".

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Ist das Projekt jetzt gestorben?

„Das eingereichte Projekt in dieser Form ist gestorben, weil es nicht genehmigungsfähig ist“, gibt sich Wolfgang List, Anwalt der Bürgerinitiative für ein lebenswertes Marchfeld, siegessicher.

Für die Asfinag, die die Schnellstraße S8 errichten will, ist das ein weiterer herber Rückschlag. Der Gänserndorfer Bürgermeister Rene Lobner (ÖVP) meint, dass eine neue Planung eine Verzögerung von mindestens 15 Jahren bedeutet.

Dabei hat das Land Niederösterreich das bestehende örtliche Vogelschutzgebiet noch im April 2020 ausgeweitet, um das Schnellstraßen-Projekt am Ende durch eine allfällige Ausnahmebewilligung nach dem Niederösterreichischen Naturschutzgesetz zu ermöglichen. Doch eine solche Ausnahmegenehmigung kann eigentlich nur erteilt werden, wenn keine besseren Alternativvarianten als das eingereichte Projekt vorliegen.

„Wenn nach Europarecht quasi die Straße unbedingt notwendig ist, weil es keine besseren Alternativen gibt, dann könnte man die Straße theoretisch bauen“, sagt Anwalt List. „Aber der Gutachter sagt, jede Alternative ist besser.“

Laut Gutachter „liegen Alternativen vor, die das Vorkommen des Triels bzw. die Erhaltungsziele des Europaschutzgebietes Sandboden und Praterterrasse weniger beeinträchtigen“. Es gebe sowohl Alternativen auf der Ebene großräumiger Schnellstraße-Varianten als auch auf der Ebene kleinräumiger Trassenvarianten.

Geht es jetzt zurück an den Start?

Aber die Frage, ob eine oder mehrere dieser Alternativen zumutbar sind, sei laut Bieringer nicht Gegenstand seines Gutachtens.

„Das müsste das Gericht klären“, sagt Wolfgang Rehm von der Umweltschutzorganisation Virus. „Wenn man eine Alternative verfolgen will, muss das Projekt völlig neu eingereicht werden.“

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Für Bürgermeister Lobner ist das alles hingegen nicht nachvollziehbar: „Es ist schön, dass man für den Triel und den Ziesel alles macht, aber wo bleibt dann der Bürger?“