Ministerium macht Geheimnis um die Maturanoten

War nur ich so schlecht? Oder war die Matura so schwer? Das würden derzeit gerne viele Schüler und Schülerinnen wissen.
Schulpartner ärgern sich nicht nur darüber. Elternvertreter finden ein andere Statistik noch spannender.

Die Kompensationsprüfungen haben die Schüler hinter sich. Da konnten die Maturanten, die auf eine schriftliche Prüfung einen Fleck hatten, ihr "Nicht genügend" ausbessern. Jetzt wissen sie, ob sie im Herbst noch einmal antreten müssen oder nicht.

Wie die schriftlichen Klausuren österreichweit ausgefallen sind, will das Bildungsministerium allerdings nicht so schnell verraten. Erst Ende Juni soll es so weit sein.

Zu spät, findet Fritz Enzenhofer, oö. Landesschulratspräsident. Er meint, dass die Österreicher ein Recht darauf haben, Ergebnisse zu erfahren. Er will nicht mehr warten und lässt die Daten "seiner Schulen" nun selbst erheben. Für die Berufsbildenden hat er diese schon: Etwa zehn Prozent haben in einem Fach die Prüfung nicht auf Anhieb geschafft. Dafür waren jetzt bei der Kompensationsprüfung etwa drei Viertel positiv.

100 Prozent Sicherheit

Am Minoritenplatz bleibt man aber weiter schweigsam. Begründung: "Die Noten werden zentral bei uns gesammelt, im Anschluss geprüft, bereinigt und abschließend nochmals von der Statistik Austria geprüft. Sobald wir mit 100-prozentiger Gewissheit valides Datenmaterial haben, werden wir es veröffentlichen." Enzenhofer will das so nicht gelten lassen: "Mir ist klar, dass man erst in einigen Tagen genaue Zahlen hat. Doch einen Trend könnte man schon veröffentlichen." Brennend interessiert viele, wie Mathematik ausgefallen ist. Mancherorts sollen 50 Prozent und mehr negativ gewesen sein.

Warum um die Daten so ein Geheimnis gemacht wird, versteht der oberste AHS-Gewerkschafter Eckehard Quin ebenso wenig, "auch wenn es formal richtig ist, dass man Endgültiges erst nach den Kompensationsprüfungen sagen kann, da diese Teil der ,Schriftlichen‘ sind". Quin interessiert dabei nicht nur, wie viele "Fleck" es gegeben hat, sondern auch, wie viele Einser und Zweier: "Für Schüler, die immer gut waren, ist ein Vierer eine schlechte Note und enttäuschend." Im Ministerium verspricht man eine genaue Statistik über alle Noten – vor und nach der Kompensationsprüfung. Die fordert Michael Sörös, Sprecher der Landesschulinspektoren, vehement ein: "Sind die Zahlen für uns unbrauchbar, müssen wir die Daten wieder selbst erheben." Nachsatz: "Ich bin guter Dinge, dass das Ministerium liefert ."

Er schätzt, dass etwa jeder Zweite bei den Kompensationsprüfungen seinen Fünfer ausbügeln konnte. Ähnlich war es 2015, wo 10,5 Prozent der Schüler in Mathematik negativ waren. Nach der Zusatzprüfung waren es nur noch 4,1 Prozent.

Nicht antreten

Elisabeth Rosenberger, oberste AHS-Elternvertreterin in Wien, interessiert besonders eine Zahl: "Wie viele Schüler der 8. Klassen durften heuer gar nicht zur Matura antreten, weil sie einen Fünfer im Zeugnis hatten? Aus unseren Umfragen wissen wir, dass das an einigen Schulen fast die Hälfte war."

Ihre burgenländische Kollegin Susanne Schmid kennt ähnliche Fälle und will, dass man einige Klassenzimmer besonders genau inspiziert: "Es sind nicht einzelne Standorte, die schlecht abgeschnitten haben, sondern einzelne Klassen. Hier muss es endlich Konsequenzen für die Lehrer geben." Wenig Verständnis hat sie dafür, dass man Schüler bis zur 8. Klasse durchschleppt, obwohl die Lehrer wissen, dass diese die Matura nicht schaffen werden: "Hier wünsche ich mir viel früher ein ehrliches Gespräch mit Eltern und Direktor, um einen alternativen Bildungsweg aufzuzeigen."

Früher konnte man mit einem Fünfer im Zeugnis der 8. Klasse – bzw. 5. Klasse BHS – zur Matura antreten. Das ist jetzt anders. Die Schüler müssen in allen Fächern positiv abgeschlossen haben. Das ist ein Grund, warum in einigen Schulen besonders viele Schüler nicht zur Reifeprüfung antreten durften.

Getrennte Prüfungen

Neu ist auch, dass man alle sieben Teile der Reifeprüfung getrennt voneinander ablegen kann – die vorwissenschaftliche Arbeit (VWA) sowie die sechs Prüfungen (mündlich und schriftlich). Heißt: Wer die VWA nicht gemacht hat, kann dennoch zur Matura antreten, denn jeder Teil muss für sich positiv abgeschlossen werden. Auch Schüler, die jetzt bei der Kompensationsprüfung negativ waren, dürfen zur mündlichen Prüfung antreten. Wer einen Fünfer in einem Fach hat oder die VWA nicht fertig hat, kann das im September nachholen. Dann gibt es wieder eine schriftliche Matura samt Kompensationsprüfungen. Weitere Nachtermine gibt es im Frühjahr und im Mai 2017. Danach ist Schluss – dann hat man nur noch die Möglichkeit, eine andere Matura zu machen, z.B. an einer HTL.

Alles halb so schlimm – so sieht es A., Schüler eines AHS-Gymnasiums in Wien. Er hatte vorgestern eine Kompensationsprüfung in Mathematik. „Mir ging es relativ gut, ich fand die Aufgabenstellung angenehm und einfach. Auch die Kommission war fair und hat gut geprüft.“ Unter anderem musste er Wahrscheinlichkeitsbeispiele lösen und eine Konstante berechnen. Der Schüler vermutet, dass die Aufgabenstellung absichtlich einfacher war, um den Durchschnitt zu heben. Von 17 Schülern hat es eine Person nicht geschafft.

Ministerium macht Geheimnis um die Maturanoten
ABD0016_20150316 - WIEN - ÖSTERREICH: Eine Schülerin (l.) und Mitglieder der Prüfungskommission am Montag, 16. März 2015, anl. der ersten Präsentation vorwissenschaftlicher Arbeiten im Rahmen der neuen Matura an einem Wiener Gymnasium. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER

Ähnlich fiel das Ergebnis an der Schule von F. aus, ebenfalls an einer AHS. Er hat besser auf die Mathe-Kompensationsprüfung vorbereitet als auf die Matura. „Einige Beispiele waren sehr einfach, aber es waren auch welche dabei, die ich so noch nie gesehen habe.“ Gelernt hat er mithilfe von Prüfungen aus dem Vorjahr, dabei geholfen hat ihm vor allem ein Mitschüler. „Er konnte mir alles viel besser erklären.“ Gestern musste er dann unter anderem Gleichungen umformen und Funktionen ableiten – und hat alles geschafft.

Kritik am Bifie

Weniger gut lief es für eine HLW-Schülerin aus der Steiermark, die einen Brief an das bifie in Salzburg schrieb und ihn an den KURIER weiterleitete. Sie kritisierte die Themenwahl für ihre Kompensationsprüfung: Sie sollte fünf Minuten lang über das Thema „Internetkurs für Senioren“ reden. „Ich habe mehrere Bekannte (Alter zwischen 20 und 45) gefragt, die auch keine Ahnung hatten, wie sie fünf Minuten lang über dieses Thema reden sollten.“ Zudem findet sie, dass 30 Minuten Vorbereitungszeit zu kurz bemessen waren. „Bei der Matura hat man für jedes Lesebeispiel 15 Minuten Zeit. Bei der Kompensationsprüfung waren innerhalb dieser Zeitspanne zwei Lesetexte zu bearbeiten und ein Monolog vorzubereiten.“
Auch eine BAKIP-Schülerin berichtet, dass die Vorbereitungszeit sehr kurz war, um alle Aufgaben durchzuarbeiten und vorzubereiten. Sie musste sich in Deutsch mit dem Thema „Gesundheits-Apps“ auseinandersetzen. „Wir bekamen eine Textbeilage und Aufgabenstellung zu diesem Thema. Dann mussten wir Beispiele aus dem Text finden, zusammenfassen, Inhalt und Wortwahl der Autorin analysieren, ihre mögliche Intention herausfinden und den Zusammenhang von Gesundheits-Apps und Unternehmen erklären.“ Zum Schluss hielt sie noch ein Kurzreferat. Nach 25 Minuten war alles vorbei. Fünf Minuten später erfuhr sie, dass sie positiv ist. Auch all ihre Mitschüler haben die Kompensationsprüfung geschafft (neun mussten in Deutsch antreten und eine in Mathematik). „Ich bin erleichtert, dieses Fach abgeschlossen zu haben und kann jetzt auch beruhigt auf meine mündliche Prüfung hinsteuern. Es ist alles halb so schlimm.“

Info: Die Schüler werden nicht namentlich genannt, da sie noch mündliche Prüfungen vor sich haben.

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