Pensionisten zu 82 Prozent vom Staat abhängig

Pensionisten zu 82 Prozent vom Staat abhängig
Österreich hinkt im OECD-Vergleich bei privater Vorsorge hinten nach. Die Reaktionen darauf sind gespalten.

In keinem anderen westeuropäischen Land sind Pensionistenhaushalte finanziell so stark vom Staat abhängig wie in Österreich. Dies geht aus einer Studie des Versicherungskonzerns Allianz hervor. Demnach sind 82 Prozent aller Pensionisten-Einkommen staatliche Pensionszahlungen, fünf Prozent kommen aus betrieblicher oder privater Pensionsvorsorge und 13 Prozent aus Erwerbstätigkeit.

Einkommen in der Pension (Vergleich):

Pensionisten zu 82 Prozent vom Staat abhängig

Studienautorin Renate Finke verglich Zwei-Personen-Haushalte mit über 65-Jährigen aus 16 OECD-Ländern mit unterschiedlichsten Pensionssystemen. Den relativ hohe Wert von 13 Prozent Erwerbseinkommen erklärt Finke damit, dass auch Selbstständige enthalten seien bzw. einer von zwei Haushaltsmitgliedern noch jünger und daher erwerbstätig sein könne. Grundsätzlich zeige der Vergleich aber, dass in Österreich die erste Säule nach wie vor stark ausgeprägt ist, so Finke. Deutsche etwa beziehen 70 Prozent ihres Pensionseinkommens vom Staat, Schweden 61 Prozent und Briten gar nur 38 Prozent. Großbritannien garantiert aber seit jeher nur eine Art Mindestsicherung in der Pension, andere Länder setzen auf Mischsysteme zwischen Staat und Privat.

Die Allianz Versicherung hält die hohe Abhängigkeit vom Staat für problematisch, da in vielen europäischen Ländern die gesetzlichen Pensionen in den vergangenen 15 Jahren deutlich gekürzt worden sind. Daher wurde etwa in Deutschland („Riester-Rente“) und Italien die zweite und dritte Säule zur Altersvorsorge stark ausgebaut.

„Keiner vertraut so sehr auf den Staat wie Herr und Frau Österreicher“,sagt Wolfgang Littich, Vorstandsvorsitzender der Allianz-Gruppe in Österreich, „wer aber über ein angemessenes Einkommen im Alter verfügen möchte, sollte seine Altersvorsorge überdenken“. Wie alle Versicherer will auch die Allianz ihre Produkte zur Zukunftsvorsorge forcieren.

Lebensstandard

Für WIFO-Pensionsexperten Thomas Url ist der hohe Staatsanteil wenig verwunderlich. Ziel der gesetzlichen, beitragsfinanzierten Pension sei es immer gewesen, den Lebensstandard im Alter zu erhalten. „Eine zweite oder dritte Säule war für die meisten gar nicht notwendig“. Die Etablierung der zweiten (betrieblichen) und dritten (privaten) Säule brauche Jahrzehnte und habe zuletzt durch die Finanzkrise wieder einen Rückschlag erlitten. Url schlägt vor, den „Wildwuchs an Förderungen“ für die private Veranlagung zu vereinheitlichen und weitere Maßnahmen zu setzen, um die Beschäftigung bei den über 60-Jährigen zu erhöhen. „Wer mehr Pension haben möchte, hat zwei Möglichkeiten: Sparen oder länger arbeiten“. Österreich liegt bei der Erwerbsquote der über 60-Jährigen laut Allianz-Studie an viertletzter Stelle in Westeuropa.

Seniorenbund-Obmann Andreas Khol fordert erneut eine Aufhebung der Zuverdienstgrenze sowie Boni für längeres Arbeiten. In der Studie selbst, so Khol, „ist keine schlechte Nachricht zu erkennen“. Österreichs Pensionsreformen hätten die erste Säule eben weniger verkürzt als anderswo.

Soll das gesetzliche Pensionsantrittsalter von Frauen (derzeit 60 Jahre) vorzeitig an jenes der Männer (65 Jahre) angepasst werden? Politisch paktiert ist, dass es ab dem Jahr 2024 schrittweise (pro Jahr um sechs Monate) angehoben wird. 2033 sollen Frauen gesetzlich dann mit 65 Jahren in Pension gehen. Die SPÖ will an diesem Plan festhalten. Doch in der ÖVP gibt es Stimmen, wonach das Antrittsalter früher vereinheitlicht werden soll.

Pensionisten zu 82 Prozent vom Staat abhängig
Generalsekretär Hannes Rauch sagte gestern im ORF-Radio, er könne sich gut vorstellen, das Pensionsantrittsalter von Frauen und Männern gleich anzusetzen – und zwar schon vor dem geplanten Termin (2024). Auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner will, dass zumindest darüber diskutiert wird, das Antrittsalter „in Etappen ab 2017“ anzuheben, sagte er zum KURIER. Andere Länder, die mit Österreich vergleichbar wären, hätten das Problem bereits aufgegriffen.

Koalitionsgespräche

In dieser Legislaturperiode, die im Herbst endet, wird es mangels Zustimmung der SPÖ keine Veränderung mehr geben. ÖVP-Staatssekretär Sebastian Kurz meint aber, dass „das ein großes Thema für die nächste Koalition sein wird“. Sein Parteichef Michael Spindelegger reagierte zurückhaltender. Er antwortete auf die Frage, ob die vorgezogene Anhebung auf der Agenda künftiger Regierungsverhandlungen sein werde: „Mag sein.“

Merkbar auf die Bremse stiegen die Frauen im schwarzen Regierungsteam, obwohl die Pensionskosten stark steigen. Finanzministerin Maria Fekter und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner erklärten unisono, primäres Ziel sei, das faktische an das gesetzliche Pensionsalter „heranzuführen“. Frauen gehen im Schnitt mit 57,4 Jahren in Pension. Mikl-Leitner ergänzte, über eine vorzeitige Anhebung „brauchen wir erst dann zu reden, wenn die Rahmenbedingungen passen“ – etwa, dass den Frauen „vier Jahre pro Kind“ für die Pension angerechnet werden.

Sollte die SPÖ auch in der nächsten Regierung sitzen, ist es eher unwahrscheinlich, dass sie einer Änderung zustimmt. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek argumentiert, es gebe noch lange keine Gleichstellung zwischen Männern und Frauen. Auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer, der unlängst noch befunden hatte, das Thema werde Teil künftiger Koalitionsgespräche sein, ist zurückgerudert – weil sich die Gewerkschaft quergelegt hat.

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