Ein Tal für Deutschland

Willkommen: Im Südtiroler Passeiertal freut man sich auf die deutschen Kicker und Journalisten.
Die deutsche Nationalmannschaft bereitet sich in Südtirol auf die WM vor.

Es ist kein wirklich gutes Gefühl, entlang jener Straße zu spazieren, auf der jede Sekunde die deutsche Nationalmannschaft einrollen soll. Beäugt von den Carabinieri, beobachtet von 50 Fotografen und Kameraleuten, die auf der Lauer liegen und sichtlich Panik kriegen, ein Unbeteiligter könnte neben Jogi, Schweini oder Poldi im Bild auftauchen.

Geschrei, Gedränge, Gewusel – willkommen im Vorbereitungscamp des Deutschen Fußball-Bundes, willkommen im ganz normalen Wahnsinn, der längst Alltag ist, wenn die deutsche Nationalmannschaft irgendwo Station macht.

Dabei hätten sich die Deutschen für das Aufwärmprogramm für die WM in Brasilien eigentlich ein beschauliches Fleckchen Erde ausgesucht. Im Passeiertal nördlich von Meran, eineinhalb kurvige Autostunden von Innsbruck entfernt, wird die Tradition hochgehalten. Dirndl und Lederhose sind alltagstauglich, der Vollbart ist nie aus der Mode gekommen, von vielen Häusern lacht der Tiroler Adler.

Perfekte Werbung

Ein Tal für Deutschland
epa04217655 A handout picture provided by the German soccer association DFB of German national soccer player Thomas Mueller (L) and head coach Joachim Loew chatting at the team hotel in St. Leonhard in Passeier, Italy, 21 May 2014. Germany's national soccer squad prepares for the upcoming FIFA World Cup 2014 in Brazil at a training camp in South Tyrol until 30 May 2014. EPA/MARKUS GILLIAR HANDOUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES
Mit Italien und der Squadra Azzurra haben in diesem abgelegenen Teil von Italien nur die wenigsten etwas am Hut. Selbst der FC Südtirol, der gerade – mit zwei Kickern aus Südtirol – um den Aufstieg in die Serie B kämpft, lässt die patriotischen Pseirer kalt. Rom ist weit weg, das Geburtshaus des Tiroler Freiheitskämpfers Andreas Hofer hingegen nah (St. Leonhard), und die meisten Menschen im Passeiertal machen auch kein Hehl daraus, für wen ihr Herz schlägt. Nicht nur weil das DFB-Team gerade hier zu Gast sind, drücken sie den Deutschen die Daumen. Von Piefkes spricht hier niemand, sondern vielmehr von perfekten Werbebotschaftern. Eine halbe Million Euro soll die Südtirol-Werbung für das Trainingslager investiert haben, der Werbewert beträgt mindestens das Zwanzigfache.

"Mir freien ins auf enk!", steht auf den riesigen, bunten Fahnen und Transparenten, die hier an jeder Ecke hängen. Eine Grußbotschaft, die zumindest am ersten Tag des Trainingslagers bei manchen deutschen Journalisten für Kopfschütteln sorgte. Der Dialekt im Passeiertal ist für ungeübte Südtirol-Besucher eine Herausforderung: So sagt der Pseirer zum Beispiel "Ggaiggerle", wenn er eine Kleinigkeit meint und "hoachfärtig" zu überheblich.

Ein Ggaiggerle ist dieses deutsche Trainingscamp im Passeiertal jedenfalls nicht. Dafür genügt bereits ein Blick auf den Sportplatz von St. Martin, um den für den DFB eine kleine Zeltstadt entstanden ist. 300 Journalisten aus der ganzen Welt sind der deutschen Nationalmannschaft ins Passeiertal gefolgt, vom ersten Training am Donnerstagvormittag berichteten gleich mehrere TV-Stationen live – und ärgerten sich darüber, dass die deutschen Kicker sich in der ersten halben Stunde gleich in eines der Zelte verkrochen.

Ideales Umfeld

Abgeschirmt ist auch das Quartier der Nationalmannschaft, das Fünfsterne-Hotel "Andreus", in dem die 75 Suiten nach Feng Shui ausgerichtet sind und Helli, der Sauna-Weltmeister von 2011, in der mondänen Wellnessoase das Handtuch schwingt. "Es ist perfekt hier, uns fehlt es an nichts, Kompliment an die Südtiroler", lobte DFB-Manager Bierhoff.

Ein Tal für Deutschland
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An den Rahmenbedingungen kann das Projekt Brasilien nicht scheitern. Dann schon eher an den lädierten Leistungsträgern (Schweinsteiger, Lahm, Neuer) und am Leistungsdruck, dem die Deutschen nach 18 Jahren ohne Titel ausgesetzt sind. "Ich kann versprechen: Wir werden gut vorbereitet sein. Und wir können den Titel gewinnen", sagt Joachim Löw.

Einen Spruch, den im Passeiertal jedes Kind kennt, sollten seine Kicker in Brasilien dann aber besser nicht beherzigen: Als Freiheitskämpfer Andreas Hofer 1810 in Mantua erschossen wurde, gelang das nicht im ersten Anlauf. Seinen Mördern soll er vor dem Tod noch zugerufen haben: "Ach, wie schießt ihr schlecht."

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