Im Namen des Vaters

Die Kolumbianer bedankten sich bei Gott für den Viertelfinaleinzug.
Die Stars aus Brasilien und Kolumbien haben eines gemeinsam – ihre Religion.

Wenn heute die 22 Spieler von Brasilien und Kolumbien das Spielfeld im Estádio Castelão von Fortaleza betreten, dann hat einer alle Hände voll zu tun: Gott. Fast alle Star-Kicker der beiden Teams sind tiefgläubig und werden die höhere Macht inständig um Beistand bitten.

Der Glaube ist für viele südamerikanische Fußballspieler zum Rückhalt abseits von Toren, Titeln und Triumphen geworden. Jairo Clavijo, Anthropologe an der Universität in Bogotá, streicht im Gespräch mit der Tageszeitung El Tiempo die einigende Wirkung heraus: "Weil die Spieler in so vielen verschiedenen Ländern unterwegs sind, hilft die Religion im Nationalteam im Gemeinschaftsprozess."

Der Fingerzeig und der Blick in den Himmel beim Torjubel ist bei Jugendlichen in der gesamten christlichen Fußball-Welt zum Kult geworden. In Österreich freut sich auch der strenggläubige David Alaba mit dieser Geste. Der Bayern-Star folgt den Sieben-Tages-Adventisten, eine protestantische Freikirche.

Brasilianische Hilfsmittel

Als hätte er Nerven aus Stahl agierte Brasiliens Superstar Neymar im Achtelfinale gegen Chile. Er ging zum entscheidenden Elfmeter, als wäre da nicht die Last des Erfolgsdruckes bei der Heim-WM. Doch nachdem er getroffen hatte und Brasilien aufgestiegen war, brach er zusammen, Tränen kullerten, sein Dank ging in den Himmel. Zwar bekennt sich Neymar nicht offiziell zu einem Glauben, doch als Kind war er Mitglied der Pfingstgemeinde "Iglesia Bautista Peniel" in São Vicente. Dem Magazin UOL Deporte gab der dortige Pfarrer zu Protokoll, dass er mit Neymar immer noch in Kontakt sei: "Wir haben vereinbart, regelmäßig über WhatsApp zu kommunizieren. Was ist besser, als eine biblische Nachricht per WhatsApp? Ich schicke ihm ausgewählte Bibeltexte, sowie Andachten und dann sprechen wir darüber. Die Bibelpassagen schenken Kraft und sind Worte der Ermutigung, die genau in die Lebensphase passen, in der er gerade steht."

Innenverteidiger David Luiz, der gegen Chile das wichtige 1:0 erzielte, orientiert sich an seinem Landsmann Kaká, der für die WM nicht nominiert wurde. "Er hat mich privat und beruflich inspiriert. Er ist eine Art Vorbild für mich", sagt Luiz, für den Gott ein Partner ist. "Mein ganzes Leben gehört Gott. Ich glaube, dass er alles über mein Leben weiß. Wenn ich einmal nicht aufgestellt werde, kann ich mit ihm darüber reden. Gott weiß schon, warum ich nicht spiele. Vielleicht bewahrt er mich vor einer Verletzung."

Der von Luiz angesprochene Kaká, der die WM nur als Zuschauer verfolgt und in dieser Woche vom AC Milan zu São Paulo wechselte, unterstützt seine Kirche in Brasilien mit jährlich rund einer Million Euro. Nach seiner Karriere will der Star, der in guten Jahren 15 Millionen Euro verdient hatte, Theologie studieren und evangelischer Pfarrer werden. "Ich möchte der heutigen Gesellschaft Begriffe nahebringen, die vor tausend Jahren geschrieben wurden", sagt der 32-Jährige.

Kaká gehört wie Uruguays Edinson Cavani und Kolumbiens verletzter Stürmerstar Radamel Falcao zu den 1984 gegründeten Atletas de Cristo, eine Vereinigung von Sportlern mit christlichen Werten. Falcao zu Ehren machten Kolumbiens Spieler nach dem zweiten Tor beim 2:0 gegen Uruguay alle seinen Torjubel nach – mit den in den Himmel zeigenden Fingern. Aber die Kolumbianer sind natürlich nicht wegen Falcao religiös. Jackson Martinez etwa führt in der Kabine vor dem Spiel die gemeinsamen Gebete und hat schon spirituellen Rap gesungen. Shootingstar James Rodríguez sagte nach dem Sieg gegen Uruguay: "Wir schreiben jetzt Geschichte. Die Freude ist für Kolumbien, der Sieg ist für Gott." Der 22-Jährige hat sich ein Jesus-Tattoo stechen lassen, betet vor jedem Spiel und geht regelmäßig in die Messe.

Kolumbianisches Wunder

Einige seiner Kollegen verehren "El Señor de los Milagros de Buga", den Herren der Wunder, dem 1986 Argentiniens Trainer Carlos Bilardo den WM-Titel widmete. Zum Beispiel Teófilo Gutiérrez. Der 29-Jährige half in seiner Heimatstadt Barranquilla beim Bau von zwei Kirchen finanziell mit.

Im Wallfahrtsort Buga in der Nähe von Cali hat Abel Aguilar seine Freundin gefunden. Abwehr-Spezialist Carlos Valdés hat abseits des Spielfeldes immer ein Bild des Herrn dabei und besucht el Señor so oft wie möglich. Vor jedem Spiel bittet Valdés um Erleuchtung. Der 29-Jährige spielt übrigens in Argentinien bei San Lorenzo de Almagro. Und das ist immerhin jener Klub mit dem religiösesten Fan überhaupt: Papst Franziskus.

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