Koalitionäres Schlachtfeld Außenpolitik

Nicht ganz auf Merkels Spuren: Während die ÖVP den harten Griechen-Kurs der deutschen Kanzlerin schätzt, versucht SPÖ-Kanzler Faymann andere Akzente zu setzen.
Der ÖVP missfällt der neue Kurs von Kanzler Faymann. Die Spannung entlud sich im Hohen Haus.

Sie saßen nebeneinander, Schulter an Schulter, und wer Werner Faymann und Sebastian Kurz am Mittwoch im Hauptausschuss des Parlaments beobachtete, der sah zwei alte Spezis; zumindest wirkten die beiden ganz so als ob. Sie tuschelten und scherzten; mal riss der ÖVP-Minister die Hände nach vorne, dann rümpfte der SPÖ-Kanzler lächelnd die Nase. Alles zusammen war es ein erquickender Austausch, und die demonstrative Vertrautheit der beiden war aus mehreren Gründen erstaunlich.

Zuletzt war die Stimmung eher geprägt von einem außenpolitischen Wettstreit zwischen Kanzler-Partei und ÖVP. Eine gemeinsame Regierungslinie? Fehlanzeige.

Beispiel Abdullah-Zentrum: Während der Kanzler offensiv die Schließung des Saudi-Zentrums forderte, setzten ÖVP und Außenminister auf Verhandlungen – das Zentrum soll bleiben.

Beispiel TTIP: Während der Kanzler sich seit Wochen einen Sport daraus macht, das Freihandelsabkommen mit den USA zu zerpflücken, ärgern sich der Vizekanzler und der Wirtschaftsflügel der ÖVP über den populistischen Kanzler – TTIP könne die Wirtschaft beleben und sei enorm wichtig.

Polit-Aufsteiger

Und schließlich entzweite die Regierung vor allem der Besuch des griechischen Polit-Aufsteigers Alexis Tsipras in Wien. Während Faymann den linken Regierungschef am Montag mit offenen Armen empfing und in ihm so etwas wie einen neuen Freund sieht, hält sich die ÖVP an Deutschland und sympathisiert mit dem harten Kurs gegenüber Athen.

"Was auffällt ist, dass Faymann versucht, die inner-sozialdemokratische Position und sein Profil zu stärken, indem er dem linken Parteiflügel besänftigt. Innerparteiliche Kritik soll durch außenpolitische Profilierung begegnet werden", analysiert Politologe Anton Pelinka, ein intimer Kenner der SPÖ.

Es herrscht also ein "G’riss" um die außenpolitische Positionierung, die ÖVP-Parteizentrale ätzte zuletzt, der Kanzler versuche in peinlicher Manier international Anerkennung zu erlangen.

Als Faymann und Kurz gestern den Parlamentariern pflichtgemäß erklären sollten, was man für den heute geplanten EU-Gipfel vorbereitet hat (auch hier geht es um Griechenland und die Ukraine) war von den Irritationen nicht viel zu spüren.

Aber vielleicht muss man präziser sein: Zwischen Faymann und Kurz war die Stimmung passabel. Die ÖVP als Ganzes ist mit dem Kurs des SPÖ-Chefs nach wie vor nicht einverstanden.

Und so ventilierte man die Kritik gestern eben nicht über den Außenminister, sondern "über die Bande", also über die Abgeordneten.

Teure Freunde

Der erste war Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl. "Ich war schon überrascht Herr Bundeskanzler, dass sie den Auslöser für die Ukraine-Krise, nämlich den einseitigen Bruch des Völkerrechts durch Russland, nicht einmal erwähnt haben", sagte Gerstl zur ersten Wortmeldung des Kanzlers. Und um ganz klar zu machen, was er vom Besuch des griechischen Regierungschefs hält, hing Gerstl an: "Ich hoffe, dass Tsipras in ihnen nicht einen teuren Freund gefunden hat. Die Verträge mit der EU sind einzuhalten!"

Pacta sunt servanda, die Vereinbarungen mit der Europäischen Union sind einzuhalten. Diesen Satz hört man derzeit auch in Berlin sehr oft.

Und damit Faymann ganz bestimmt verstanden hat, was der ÖVP an seiner griechischen Annäherungspolitik missfällt, legt Klubchef Reinhold Lopatka nach: "Was ist eigentlich das Ergebnis ihres Gesprächs mit Tsipras? Wofür stehen Sie, Herr Bundeskanzler?"

Raunen im Saal, SP-Mandatar Kai Jan Krainer kann seinen Zorn schwer zurückhalten ("die Frage hat er sich vorher aufgeschrieben, weil ihm sonst nichts einfällt").

Jedenfalls ist es jetzt auch dem Kanzler zu viel. "Das Gehässige in ihrer Wortmeldung stört mich!", sagt Faymann in Richtung Gerstl. "Bei der Regierung Rajoy (konservativer spanischer Premier) nicken sie alles wohlwollend ab." Nur bei linken Regierungschefs sei die Sache für die ÖVP offenbar anders. Und Sebastian Kurz? Der mengt sich nicht mehr ein. Er sitzt daneben und tippt eine Kurzmeldung in sein Handy.

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