Schwarz-Blau ist startklar, Rot-Blau bisher blass

Schwarz-Blau ist startklar, Rot-Blau bisher blass
Im Burgenland regiert die FPÖ schon mit, in Oberösterreich wird sie es bald tun. Was nicht zwangsläufig heißt, dass die Koalitionen auch eine spürbar blaue Handschrift tragen.

Das Wahljahr 2015 hat die politische Landkarte Österreichs neu gezeichnet. Ein Faktor hat sich dabei als "Game-Changer" erwiesen: Dass Koalitionen mit der FPÖ nicht mehr Tabu sind.

In der Steiermark trat die SPÖ den Landeshauptmann an die ÖVP ab, um Schwarz-Blau zu verhindern.

Im Burgenland holten die Roten die Blauen gleich selbst an Bord.

Und in Oberösterreich dürfte morgen offiziell werden, dass Schwarz-Grün von Schwarz-Blau abgelöst wird.

Die blaue Handschrift

Gibt es nun eine blaue Handschrift in Eisenstadt – und bald auch in Linz? Wie sehr macht sich eine freiheitliche Regierungsbeteiligung bemerkbar?

Die Antwort: Weniger, als man denken würde.

Was zum einen daran liegt, dass die Blauen sich erst in ihrer Rolle als Junior-Partner zurechtfinden müssen. Und noch mehr daran, dass man inhaltlich oft ohnehin nicht weit auseinander liegt.

Die SPÖ-Burgenland hat Ende Mai mit knapp 42 Prozent (-6,3 %) das schlechteste Ergebnis seit 1949 eingefahren. Gleichzeitig hat sie durch die Koalition mit den bis dahin geächteten Blauen ihre Macht in der Landesregierung optimiert: Die 15-Prozent-Partei FPÖ musste sich mit zwei der sieben Regierungssitze bescheiden und wurde bei der Ressortverteilung kurzgehalten.

FPÖ-Chef Johann Tschürtz hat als "Sicherheitslandesrat" de facto kaum Kompetenzen; sein Ruf nach Verkehrssicherheitskontrollen verhallt bislang.

Rot-Blauer Gleichklang

Um blaue Forderungen aus dem Wahlkampf ("DNA-Proben für alle Asylwerber") ist es ruhig geworden. Tschürtz räumt selbst ein, dass er "selber das nicht umsetzen kann", weil das Meiste in die Kompetenz des Bundes falle.

Zuletzt wurde der FPÖ-Frontmann auch verbal moderater und lobte im Gleichklang mit Landeschef Hans Niessl die Hilfsbereitschaft der Burgenländer in der Flüchtlingskrise.

Zentral für das Funktionieren der Koalition ist freilich der schon lange zutage getretene inhaltliche Gleichklang von Rot und Blau – etwa in Fragen der Sicherheit oder des Vorrangs für Burgenländer am Arbeitsmarkt.

In der Umsetzung wiegt die politische Rhetorik bisher jedoch schwerer als die Substanz. Schlagendes Beispiel: Der rote Klubchef Robert Hergovich beteuert zwar, dass "ab 2015 auch Burgenländer von neu geschaffenen Jobs profitieren", aber Fakt ist auch, dass immer noch mehr neue Arbeitsplätze an Ausländer gehen. Von den rund 103.000 unselbstständig Beschäftigten kommen knapp 24.000 aus dem Ausland, die meisten aus Ungarn. Im Bundesländervergleich ist das Burgenland damit Spitzenreiter. Diesen Trend wird auch Rot-Blau höchstens drosseln, aber kaum umkehren können.

Die selbe Stoßrichtung

So wie die Roten im Burgenland schon länger einen blauen Einschlag haben, so finden sich auch in den Wahlprogrammen von ÖVP und FPÖ in Oberösterreich zahlreiche Überschneidungen.

Zum Beispiel in der Sicherheitspolitik, wo beide Parteien "mehr Polizei auf die Straße" fordern.

Oder in der Integrationspolitik, wo beide die Pflicht zum Deutschlernen betonen.

Oder in der Bildungspolitik, wo die Ausbildungspflicht bis 18 gelobt wird.

Oder, oder, oder.

Es gibt Unterschiede im Detail, das schon, auch im Ton: Forderungen a la "Sozialleistungen auf Österreicher beschränken" oder "Deutsch als EU-Arbeitssprache" hat die FPÖ (noch) für sich alleine. In der Stoßrichtung aber ist das Programm der Volkspartei in vielen Punkten schlicht das freundlicher formulierte Programm der Freiheitlichen.

Anders gesagt: Auch ohne Koalition steckt oft schon ziemlich viel Blau in Rot und Schwarz.

Die FPÖ ist eine Partei, die nicht regieren kann“ (Andreas Schieder). „Das wird nicht lange halten“ (Rudolf Hundstorfer). Das Urteil der beiden Spitzenroten über Schwarz-Blau in Oberösterreich fällt harsch aus. Es wäre glaubwürdiger, hätte die Bundes-SPÖ jüngst bei Rot-Blau im Burgenland mehr als nur die Nase gerümpft.
Von vorgestern ist die Behauptung, damit würde die FPÖ nun salonfähig, sprich als regierungstauglich geadelt.

Die Blauen sitzen seit Jahren in fast allen Ländern mit am Regierungstisch. Allein im Burgenland würden sie nach Abschaffung des Proporzsystems erstmals nicht mehr mit dabei sein, in Oberösterreich, (wo es weiter gilt) aber auch ohne Koalition (in weniger üppigem Umfang) mit Ämtern und Agenden bedacht. Salonfähig wurde blaue Politik endgültig dadurch, dass Rot und Schwarz ihr Heil in ihrer Kopie suchen.

Die Frage, die sich tatsächlich neu stellt, ist vielmehr: Wer errichtet um jene Blauen einen „cordon sanitaire“, die sich dieser Tage aggressiv selbst ausgrenzen.Der von der FPÖ nominierte und der Mehrheit gewählte Parlamentspräsident, Norbert Hofer, verweigert zur Beschimpfung des Nationalrats als „Scheinparlament“ durch Strache, Le Pen & Co jeden Kommentar. Die übrigen Spitzen des Parlaments gehen klar auf Distanz.

Der Tag der Wahrheit kommt aber erst. Ist das alles wieder vergessen, wenn Rot oder Schwarz Strache & Co brauchen, um weiter an der Macht zu bleiben – wie jüngst SPÖ-Niessl im Burgenland und ÖVP-Pühringer in Oberösterreich?

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