Nach ersten 100 Tagen folgen für Rot-Blau Mühen der Ebene
Am Freitag ist die bundesweit erste rot-blaue Landesregierung 100 Tage im Amt: Während Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) in der Koalition praktisch keine Probleme sieht, ortet Christian Sagartz, Klubchef der nunmehr größten Oppositionspartei ÖVP, nur Pleiten und Pannen. Der KURIER hat genauer hingeschaut.
Ist Rot-Blau wirklich so arbeitsintensiv gestartet wie keine Regierung zuvor?
Die Regierung will die Verwaltung reformieren und die rund 150 Landesbeteiligungen unter einem Dach bündeln. Das stand auch lange auf der Agenda der rot-schwarzen Vorgängerregierung – umgesetzt wurde es nie. Dass es jetzt so schnell gehen soll, hat einen simplen Grund: Rot und Schwarz haben um die in 70 Proporzjahren "erworbenen" Einflusssphären gerungen. Die FPÖ hat nichts zu verteidigen und akzeptiert ihre Rolle als Juniorpartner in der Regierung ohne Murren. Kein Wunder, früher stand es 48 Prozent SPÖ zu 35 % ÖVP, jetzt hat die SPÖ 42 Prozent, die FPÖ 15. Ob die Reformen tatsächlich Einsparungen bringen oder nur dazu dienen, Rot-Schwarz durch Rot-Blau zu ersetzen, wird sich aber erst weisen. Schnelligkeit sagt noch nichts über die Qualität aus.
Wie geht‘s mit Rot-Blau weiter?
Dass "Rot-Blau 100 Jahre jung ist", war bei der Bilanz über die ersten 100 Tage nur ein Versprecher von SPÖ-Klubchef Robert Hergovich – aber ein vielsagender. Die kleine Koalition könnte zumindest über 2020 hinaus angelegt sein. Denn der langjährige Koalitionspartner ÖVP werde in seiner Partei "nicht besonders hoch geschätzt", sagte Niessl. Mit den Freiheitlichen werde nun zwar mitunter lange diskutiert, aber "nie unter der Gürtellinie". Dass Rot-Blau in seiner eigenen (Bundes)-SPÖ kritisch beäugt wird, berührt Niessl kaum. Er sieht als Bestätigung, dass Burgenlands SPÖ die stärkste Landesorganisation ist.
Kann die FPÖ regieren?
Landeshauptmannvize Hans Tschürtz ließ in den ersten 100 Tagen Zweifel aufkommen, Wirtschaftslandesrat Alexander Petschnig ist eindeutig abgeklärter. Offenbar hat man das Problem erkannt, in der Flüchtlingsfrage etwa ist Tschürtz nun viel zurückhaltender und lobt – wie Niessl – lieber die Hilfsbereitschaft der Burgenländer, zumal die Landesregierung für die großen (Flüchtlings)-Fragen ohnehin nicht zuständig ist. An den Landes-Blauen wird die Regierung also eher nicht scheitern. Aber ob Tschürtz im Fall des Falles Heinz-Christian Strache so die Stirn bietet wie Niessl seinem Bundesparteichef Werner Faymann?
Kann die ÖVP hart opponieren?
"Wir arbeiten daran", gesteht Klubchef Sagartz ein, dass sich die "staatstragende" Partei umgewöhnen muss. Aber für den Parlamentarismus ist es kein Fehler, dass die Opposition aus ÖVP, Grünen und LBL auf Augenhöhe mit der Regierung steht (20 zu 16 Mandate). Eine Verfassungsklage und zwei Prüfaufträge an den Bundes- und den Landesrechnungshof unter Federführung der ÖVP in den ersten 100 Tagen sind deutliche Signale, dass Rot-Blau "unter Beobachtung" steht. Aufpassen muss aber auch die Volkspartei, die bei der Wahl im Mai unter 30 Prozent gerutscht ist. Der Grat zwischen Groß- und Mittelpartei ist sehr schmal.
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