SPÖ darf "nicht von gestern sein"

Heute steht Faymanns Wiederwahl als Parteichef an. ÖVP-Chef Mitterlehner hat ihm mit 99 Prozent Zuspruch der Seinen die Latte hoch gelegt
Mit einem respektablen Ergebnis für Werner Faymann ist es für die SPÖ längst nicht getan.

Heute Abend ist es vorbei mit der Zitterei – für Werner Faymann. Da steht sein Wahlergebnis auf dem SPÖ-Parteitag fest. Wochenlang hat Faymann Genossen umworben – indem er etwa das Steuerreformkonzept des rot dominierten ÖGB übernommen hat. Ein besseres Ergebnis als zuletzt will er als Partei-Chef haben; lediglich 83,4 Prozent hat er 2012 erreicht. Nun soll ein Neuner vorne stehen.

Für Faymann nicht nur eine Frage der Eitelkeit. "Bei einem respektablen Resultat wird es keine innerparteiliche Diskussion über ihn als Parteichef geben", sagt der Politologe Anton Pelinka.

Das wird freilich nichts an der Lage der SPÖ ändern. Nicht nur viele sozialdemokratische Funktionäre sind mit deren Wirken unzufrieden, auch immer mehr Wählern missfällt es. In der jüngsten OGM-Umfrage für den KURIER ist die SPÖ mit 25 Prozent Zuspruch auf Platz 2 zurückgefallen (nun ex aequo mit der FPÖ); die ÖVP mit ihrem Neo-Chef Reinhold Mitterlehner hat sie überrundet (27 %). In der Kanzler-Frage ist Mitterlehner ebenfalls Nummer eins (20 zu 17 % für Faymann).

Rotes Manko

Auf Mitterlehner als neuen Besen, der gut kehre, können sich die roten Spitzen nicht ausreden. Das Manko ist grundlegend. Der steirische SPÖ-Chef Franz Voves hat jüngst befunden: "Die Sozialdemokratie hat keine programmatische Antwort auf die Probleme des 21. Jahrhunderts." Diese Diagnose stimme insofern, "als sich die SPÖ zwischen zwei Stühlen nicht entscheiden kann. Sie will die Partei der Modernisierungsverlierer sein, die zur FPÖ neigen; ebenso eine der Modernisierungsgewinner, der besser gebildeten, grün-affinen", urteilt Pelinka. Es beiden recht zu machen, funktioniere nicht.

Dazu komme, dass die SPÖ in der Renten-Debatte das Gefühl entstehen lasse, "die strukturkonservativste Partei des Landes, Wahrerin des Status quo" zu sein. Ein Image, das bis dato die ÖVP hatte: "Die ist offensiver geworden." Mit neuen Ideen müsse die SPÖ auffallen, meint Pelinka: "Da könnte sie sich langsam etwas einfallen lassen."

Auch die Mitglieder sind mittlerweile alt. Dass die SPÖ in den vergangenen zwei Jahren fast 20.000 verloren hat (derzeit 205.224 zahlende), liegt nicht daran, dass massenweise ausgetreten wird. Pelinka: "Viele sterben weg." Zur Pensionistenpartei ist die SPÖ geworden. Junge nachzubekommen, sei schwer ("Parteimitgliedschaften sind generell Konstrukte der Vergangenheit"), über ein bestimmtes Thema seien sie sehr wohl zu gewinnen.

Nicht Faymanns Terrain

Quasi "ein Stück des Weges mit der SPÖ zu gehen", wie weiland unter Bruno Kreisky? Ja, sagt Pelinka. Noch unter Franz Vranitzky hätten sich auch Künstler für die SPÖ engagiert. "Ich habe mich schon bei Alfred Gusenbauer gewundert, dass er nicht Intellektuelle aus der ganzen Welt zu einer Wiener Konferenz geladen hat, um über die Zukunft der Sozialdemokratie nachzudenken. Auch Faymann ist das nicht eingefallen. Kreisky hätte das vermarktet." Gusenbauer habe wohl gemeint, das nicht not zu haben ("Er hat den Eindruck vermittelt, alles zu wissen, nichts mehr lernen zu müssen"). Faymanns "Zurückhaltung" rühre daher, "dass er sich auf diesem Terrain nicht so zu Hause fühlt".

Um generell Terrain zurückzugewinnen, sollte die SPÖ "vermitteln, dass sie nicht eine Partei von gestern, sondern eine von morgen ist. Das muss sie strategisch durchdenken und orchestrieren – auch durch Events." Geht das glaubhaft, indem der 81-jährige Karl Blecha am neuen Parteiprogramm der Roten werkt? Pelinka: "Das ist nicht das ideale Signal für die Zukunft der SPÖ."

Die geplante Statutenänderung, um sicherzustellen, dass die Partei künftig ihre selbst auferlegte Frauenquote von 40 Prozent erfüllt, war ein zentrales Thema schon zu Beginn der SPÖ-Bundesfrauenkonferenz am Freitag in der Messe Wien. Begonnen hat diese mit Reden von SPÖ-Chef Werner Faymann und der Frauenvorsitzenden Gabriele Heinisch-Hosek - beide thematisierten die Debatte und die neue Regelung.

Der Parteichef, der sich heute noch der Wiederwahl am Bundesparteitag stellen muss, versicherte den Frauen, dass sie sich auf ihn verlassen können - auch wenn "Unterschiede auftauchen" oder etwas auszudiskutieren sei, sprach er die Debatte um die Nachrückung auf das Mandat der verstorbenen Barbara Prammer an. Um die Statutenänderung auszuarbeiten, habe man sich intern zusammengesetzt, ohne Ratgeber von außen oder "ÖVP-Journalisten", die sich "plötzlich" für den SPÖ-Parteitag interessieren, meinte der Kanzler. Man habe die Diskussion gemeinsam bewältigt, so Faymann.

"Nicht so perfekt"

"Wir halten (...) Konflikte aus und tragen sie auch aus", bekräftigte Heinisch-Hosek. Das Statut aus dem Jahr 2010 "war nicht so perfekt", denn es seien keine Sanktionen vorgesehen gewesen, räumte die Frauenchefin ein: "Jetzt ist das anders." Noch nie habe man ungültige Listen - also mit zu wenig Frauen - abweisen können. Das soll nun im Statut festgeschrieben werden: "Wir richten uns die Listen her." In Sachen Quote pochte Heinisch-Hosek dann auch auf eine Frauenquote für die Privatwirtschaft.

In der darauffolgenden Debatte meldete sich dann Sonja Ablinger als eine der ersten Rednerinnen zu Wort. Sie war ja Auslöserin der Quotendebatte. Ablinger stellte bei der Frauenkonferenz fest: Die Quotenregelung sei "keine mathematische Frage", es gehe nicht um die Zahl, sie sei viel eher ein Instrument zur Durchsetzung progressiven feministischer Frauenpolitik. "Die Quotenregelung ist nicht kompliziert, man muss sie nur einhalten", stellte Ablinger fest und erntete dafür Applaus. Glaubwürdigkeit in Frauenfragen sei das höchste Gut für die Sozialdemokraten und diese Glaubwürdigkeit sieht sie etwas gesunken. Eine weitere Rednerin hielt die Statutenänderung überhaupt für einen Rückschritt.

Automaten-Ablehnung

Zum Thema Pensionen bekräftigte Faymann seine Ablehnung einer Automatik. Diese Frage wolle er "keinem Automaten überlassen". Solche Forderungen würden von Parteien kommen, "die sich für Kälte auszeichnen", so der SPÖ-Chef. Ebenfalls abgelehnt wird vom Bundeskanzler das vorzeitige Angleichen des Frauen-Pensionsantrittsalters an jenes der Männer. 1991 habe der Einkommensunterschied 30 Prozent betragen, heute seien es 22,7 Prozent: "All jene, die sagen es gibt die Benachteiligung nicht mehr, denen muss man lesen beibringen."

Heinisch-Hosek zeigte sich erfreut, dass der Leitantrag der SPÖ-Frauen gemeinsam mit 700 Frauen erstellt wurde. Über das Erreichte könne man sich ein "bisschen auf die Schulter klopfen", aber die Krise sei noch nicht bewältigt. Bei der Bewältigung der Krise dürfe auf die Frauen nicht vergessen. So sei es etwa in der Steuerdebatte wichtig, nicht auf jene zu vergessen, die die Negativsteuer in Anspruch nehmen müssen.

Über den Vorstoß der Industriellenvereinigung zur ganztägigen Gemeinsame Schule für alle Kinder von sechs bis 14 Jahren zeigte sich Heinisch-Hosek erfreut: "Das taugt mir." Nur die Privatisierungsvorschläge der IV teile sie "überhaupt nicht": "Wer kann sich Schulen als Franchiseunternehmen vorstellen?"

Heinisch-Hosek stärkte in ihrer Rede, bei der sie immer wieder im Dialekt sprach, dem Parteichef den Rücken und bedankte sich für seinen Einsatz für die Frauen. Gewidmet hat sie ihre 30-minütige Rede der verstorbenen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und zitierte diese eingangs: "Wir wollen das Leben der Frauen besser machen." Faymann verabschiedete sich vor Beginn der Debatte.

Heinisch-Hosek stellt sich bei der Bundesfrauenkonferenz der Wiederwahl. 2012 kam sie auf 97,8 Prozent Zustimmung.

(APA)

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