"Kurz hat Blümel erfunden, damit der Kelch an ihm vorüber geht"

Blümel (li.), Kurz mit Parteichef Reinhold Mitterlehner: Die Personalrochaden in der ÖVP werden nicht von allen Schwarzen gutgeheißen
Prominente Schwarze werfen Minister Kurz vor, sich in Wien zu wenig einzubringen.

Schnell wurde sie vollzogen, die Personalrochade an der Spitze der Wiener ÖVP, sehr schnell. Sonntagabend die Wahl verloren, Montagmorgen Manfred Juraczka gegen Gernot Blümel ausgetauscht – fertig. So schnell ging das, dass eine echte Debatte über mögliche Kandidaten gar nicht erst beginnen konnte.

Dabei hätten so manche Schwarze durchaus gerne darüber diskutiert, wer geeignet sein könnte, die Landespartei wieder aufzubauen.

Jemand aus der Wiener Volkspartei vielleicht? Veronika Mickel zum Beispiel, Bezirksvorsteherin der Josefstadt, die am Sonntag über 30 Prozent gekommen ist.

Oder jemand aus der Bundesregierung vielleicht? Ein(e) schwarze(r) Minister(in) mit Wiener Wurzeln, so wie Familienministerin Sophie Karmasin – oder wie Außenminister Sebastian Kurz.

"Funktion zurücklegen"

Speziell Kurz wird in schwarzen Kreisen nachgesagt, er wolle an der Landespolitik (und dem Verlierer-Image der Wiener ÖVP) "bloß nicht anstreifen". Ja, Kurz ließ sich mit Spitzenkandidat Juraczka plakatieren, "aber das bringt ja in Wirklichkeit nichts", befand Ex-Vizekanzler Erhard Busek diese Woche im Standard: "Die Sichtbarkeit vom Engagement in die Tiefe hielt sich beim Wiener Kurz sehr in Grenzen." Unter Busek erlebte die Wiener ÖVP einst ihre Glanzzeit, lag bei über 30 Prozent.

Buseks damalige rechte Hand, Ex-ÖVP-General Ferry Maier, geht mit Kurz noch härter ins Gericht. "Er ist stellvertretender Bundesparteichef und stellvertretender Landesparteichef. Als solcher hat er auch Verantwortung. Wenn die Partei einen ersucht, Verantwortung zu übernehmen, dann sollte man das machen – oder überlegen, die Funktionen zurückzulegen", sagt Maier zum KURIER.

Kurz sei sowohl im Vorjahr als auch heuer gefragt worden, ob er nicht die Wiener ÖVP übernehmen könne. Mit ihm, sagt Maier, hätte man in dieser Wahl "jedenfalls mehr erreicht": Zum einen "macht er Auftritte relativ geschickt". Zum anderen, glaubt Maier, hätte Kurz mit seiner Erfahrung in der Integrationspolitik in Wien punkten können.

Der langjährige VP-Mandatar hält die rasche Bestellung Blümels als Landeschef auch nicht für Zufall – sondern sieht eine Strategie Kurz’ dahinter. Quasi zum Selbstschutz, damit niemand auf die Idee kommen könne, ihn selbst ins Spiel zu bringen: "Damit der Kelch an ihm vorübergeht, hat er Blümel erfunden", sagt Maier. Die "Meinungsbildung" in diese Richtung habe unmittelbar nach der ersten Hochrechnung am Sonntag begonnen.

Geht es nach einem anderen langjährigen Chef der ÖVP Wien, war es da schon viel zu spät: "Es wäre richtig gewesen, Sebastian Kurz vor ein, zwei Jahren als Spitzenkandidaten für Wien zu nominieren", sagt Bernhard Görg zum KURIER. "Jetzt vielleicht als nicht amtsführender Stadtrat nach Wien zu gehen, das ist für einen Außenminister nicht zumutbar."

Kommentare