VP-Wien will nach Neustart mitregieren

Der neue Wiener Parteichef Gernot Blümel, Parteichef Reinhold Mitterlehner, Staatssekretär Harald Mahrer und der geschasste Wiener Landeschef  Manfred Juraczka (v.li.)
Mit Ex-VP-General Gernot Blümel bringt sich die marginalisierte ÖVP zurück ins Koalitionsspiel.

Was nun, was tun nach diesem neuerlichen Wahldebakel in Wien für die Volkspartei?

9,2 Prozent blieben von den 14 Prozent aus 2010. In einer so großen, bürgerlichen Stadt wie Wien.

Rücktritt

Parteichef Manfred Juraczka hatte noch am Wahlabend seinen Rücktritt erklärt und angeboten, bis zum Landesparteitag im Februar 2016 im Amt zu bleiben – damit es eine geordnete Übergabe geben kann.

Ablöse

Offenbar wusste Juraczka zu diesem Zeitpunkt nicht, dass seine Nachfolge längst entschieden war. Noch am Sonntagnachmittag wurde Generalsekretär Gernot Blümel von den ÖVP-Granden bekniet, die marode Landespartei zu übernehmen. Blümel gilt als enger Vertrauter von Bundesparteichef Reinhold Mitterlehner und Außenminister Sebastian Kurz. Der Wiener Kurz ist Landesparteiobmann-Stellvertreter, was in seinem Lebenslauf auf der Homepage der Bundes-ÖVP jedoch verschwiegen wird.

Auch Staatssekretär Harald Mahrer, die rechte Hand von Mitterlehner im Ministerium, war im Gespräch für die Juraczka-Nachfolge. Die Sorge war aber groß, dass ihn die Landespartei ablehnen könnte. Bei Blümel gab es offenbar weniger Bedenken bei der Parteibasis.

Gremien entscheiden

So traf sich das Landesparteipräsidium und danach der Landesparteivorstand schon am Montagnachmittag, und nicht erst am Dienstag, wie Juraczka das ursprünglich geplant hatte. Die Frage war, wie man aus dem desaströsen Wahlergebnis etwas Positives gewinnen kann.

Der Plan: Eine SPÖ-ÖVP-Koalition hätte in Wien eine Mehrheit. Mit 51 von 100 Mandaten ist sie zwar nur knapp – aber so könnte die ÖVP mitregieren, statt als zweitkleinste Oppositionspartei in Wien zu verdorren. Blümel könnte so jedenfalls Vizebürgermeister werden, statt nur Nicht-Amtsführender Stadtrat zu sein. Vorstellbar, so hört man aus den Gremien, sei auch eine Dreierkoalition mit Rot und Grün – um die Grünen innerhalb der Koalition etwas mehr in Schach halten zu können.

In den Gremien wurde nun eine Sprachregelung gesucht, wie die ÖVP offiziell Interesse an einer Koalition mit der SPÖ bekunden kann, ohne zu billig zu wirken, also "mit erhobenem Haupt", wie es ein Insider aus der Sitzung beschrieb.

Inhalte zuerst!

Blümel, der mit 95,7 Prozent zum neuen Chef gewählt wurde, erklärte dem entsprechend nach der Sitzung: "Es geht nicht darum, ob Koalition oder nicht, sondern darum, welche Inhalte man durchbringt. Jetzt geht es darum, wie wir uns inhaltlich und strukturell in der Stadt neu aufstellen wollen."

Das Potenzial für die Wiener Volkspartei sei "wirklich groß, wenn man echte, ehrliche Politik macht", sagt Blümel, und: "Das Einzige, was wir bei der Neuaufstellung der ÖVP Wien falsch machen können ist, zu wenig Mut zu haben."

Bessere Zeiten

Dabei erinnert er daran, dass auch Erhard Busek ÖVP-Generalsekretär war, als er 1976 die Landespartei übernahm. Busek führte die ÖVP dann zu nie geahnten Höhen – unter seiner Führung schaffte er für die Volkspartei die bis heute gültige Bestmarke in Wien von 34,8 Prozent.

Gernot Blümel, der sich selbst als progressiv-konservativ bezeichnet, ist seit Montag neuer Parteichef der schwer angeschlagenen Wiener ÖVP-Stadtpartei.

KURIER: Warum haben Sie eigentlich Ja zu dem Wechsel vom Generalsekretariat in die Wiener Landespartei gesagt? Gernot Blümel: Ich finde es faszinierend, diese Herausforderung zu übernehmen. Wir haben in den letzten Jahren das Projekt „Evolution Volkspartei“ ins Leben gerufen, wo es darum geht, wie bürgerliche Politik der Zukunft aussehen soll. Das hat gezeigt, was alles in der ÖVP möglich ist, es hat viele inhaltliche und strukturelle Neuerungen gegeben. Und deswegen freut mich diese Herausforderung, in Wien mit den Leuten mitzuarbeiten, wie bürgerliche Politik in der Stadt konkret aussehen kann.

Eine Koalition mit der SPÖ schließen Sie nicht aus? Uns geht es um Inhalte. Wir werden Inhalte definieren, die uns wichtig sind, und die werden wir verhandeln. Es kann nicht sein, dass man nur aufgrund von Ämtern und Positionen unbedingt in eine Koalition geht. Das ist genau das, was die Menschen nicht wollen und was zur Politikverdrossenheit führt. Uns geht es darum, bürgerliche Leitthemen zu definieren, diese zu verhandeln, und wenn wir sie durchbringen, dann steht einer Koalition nichts im Weg. Sonst werden wir eben nicht koalieren.

Was sind denn Inhalte, die Sie unbedingt haben wollen? Geben Sie uns ein bisschen Zeit, ich bin erst seit einer knappen Stunde Landesparteiobmann.

VP-Wien will nach Neustart mitregieren
Gernot Blümel, neuer Chef der ÖVP Wien

Wer mit der Geschichte der Wiener ÖVP vertraut ist, weiß, dass es ein Erfolg für ihn ist, wenn ein neuer Chef nicht gleich heruntergemacht wird. Gernot Blümel, seit Montag neuer Landesparteichef, kann sich über ein positives Echo an seinem ersten Arbeitstag freuen – sowie 95,7 Prozent Zustimmung. "Der Gernot ist ein klasser Bursch", meinte sein Vorgänger, der geschasste Manfred Juraczka. "Der kann das", gab ihm Außenminister Sebastian Kurz Rückendeckung.

Generalsekretär

Blümel, Jahrgang 1981, ist seit 2006 für die ÖVP tätig, anfangs mit Sebastian Kurz in der JVP. Nach seinem Philosophiestudium und einem Master of Business Administration an der Wirtschaftsuni Wien wurde Blümel 2006 Internationaler Sekretär der Jungen VP.

VP-Wien will nach Neustart mitregieren
ÖVP-Obmänner mit Amtszeiten seit 1976, Ergebnisse der ÖVP bei Gemeinderatswahlen in Wien - Balkengrafik GRAFIK 1180-15, 88 x 100 mm

2008 kam er als parlamentarischer Mitarbeiter zu Michael Spindelegger, wurde dessen Sekretär im Nationalratspräsidium und ging mit ihm auch ins Außenministerium. Im Dezember 2013, nach der letzten Nationalratswahl, wurde er Generalsekretär der Volkspartei, also quasi der Kettenhund der Partei, der vor allem mit scharfen Presseaussendungen der Partei Profil geben muss.

Blümel, dem Organisationstalent nachgesagt wird, nützte diesen Posten für die "Evolution" der Volkspartei. Er organisierte einen gleichnamigen Erneuerungsprozess der Partei unter Reinhold Mitterlehner. Der intern lange diskutierte Prozess fand im Mai beim Reformparteitag seinen Höhepunkt.

Übrigens: Der neue Parteichef der Schwarzen in Wien ist Niederösterreicher aus Moosbrunn.

Kommentare