Mikl-Leitner: Keine Gespräche mit Aktivisten
Zwei Wochen dauert die Protestaktion der Flüchtlinge in der Votivkirche. Menschenrechtsorganisationen fordern einen direkten Dialog der Politik mit den Flüchtlingen. Den wird es nicht geben. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner erteilt den Forderungen eine Absage.
KURIER: War die polizeiliche Räumung des Protestcamps vor der Votivkirche notwendig? Wer hat die Anordnung gegeben?
Johanna Mikl-Leitner: Ich stehe voll hinter der Entscheidung der Wiener Polizei und der Stadt Wien. Die Polizei hat Interessen der Asylwerber zu schützen, aber auch genauso die Interessen der Bürger. Es kam zu Behinderungen von Passanten, Bettelei, zu Anzeigen wegen Herabwürdigung religiöser Lehren. Die Polizei hat versucht einzuwirken, dass seitens der Aktionisten das Camp abgebaut wird. Hier nicht einzuschreiten wäre Amtsmissbrauch gewesen.
Die Flüchtlinge in der Kirche und NGOs fordern den direkten Dialog mit der Politik. Werden Sie Gespräche führen?
Einige Herren haben offensichtlich vergessen, dass das Innenministerium am runden Tisch gesessen ist und hier eine ganz klare Zusage gegeben hat – nämlich für die Asylwerber warme Unterkünfte zur Verfügung zu stellen. Wir haben aber auch der Forderung nach strukturellen Änderungen der Flüchtlingspolitik eine ganz klare Absage erteilt.
Bedeutet das, dass Sie die Weiterführung des Hungerstreiks in Kauf nehmen?
Generell möchte ich dem vorausschicken, dass es gut ist, dass Flüchtlinge in Österreich so gut versorgt werden wie in kaum einem anderen Land in Europa. Aber man sollte das Verständnis in der Bevölkerung mit weiteren Forderungen auch nicht strapazieren. Und auch ein derartiger Aktionismus, wie er jetzt stattfindet, schadet den Flüchtlingen und wird seitens der Bevölkerung nicht goutiert.
Gibt es damit keine Lösung für offene Fragen wie Bleiberecht oder Löschung der Fingerprints?
Hier gibt es irreale Forderungen, die jeder Rechtsstaatlichkeit entbehren und auch jeder europarechtlichen Vorgabe. Auf derart irreale Forderungen kann nicht eingegangen werden – etwa den Stopp von Überstellungen im Rahmen der Dublin-Verordnung.
Ließe sich die Forderung nach einem leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt nicht auf nationaler Ebene lösen?
Es gibt bereits einen Zugang zum Arbeitsmarkt – drei Monate nach Antragstellung. In Deutschland gibt es das erst nach zwölf Monaten. Und gemäß der EU-Aufnahmerichtlinie muss es einen Zugang spätestens nach einem Jahr geben. Das heißt, dass wir bessere Lösungen haben als unser Nachbarland. Fakt ist, dass es hier zwar Möglichkeiten gibt, dass aber diese Möglichkeiten seitens der Asylwerber nicht ausgeschöpft werden.
Es gibt oft Klagen über die Qualität der Unterkünfte. Sehen Sie hier Verbesserungsmöglichkeiten?
Ich lasse keine Pauschalurteile zu. Wo es Probleme gibt, brauche ich konkrete Namen. Dann werden wir jedem Vorwurf nachgehen. Außerdem werden 25 Prozent aller Quartiere von der Caritas gestellt und auch 25 Prozent der Asylwerber von der Caritas betreut. Weitere von der Diakonie, von der Volkshilfe. Ich möchte hier keinem Betreiber von vornherein unterstellen, dass er seiner Verpflichtung nicht nachkommt.
In der Flüchtlingspolitik ist für Sie also alles in Ordnung? Es gibt keinen Handlungsbedarf?
Wir haben eines der besten Asylsysteme. Die Österreicher können stolz sein auf die Flüchtlingstradition des Landes. Wir werden auch vom UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) immer gelobt wegen unserer Asylverfahren und unserer Unterbringung. Für politisch Verfolgte nach der Genfer Konvention wird es immer Platz geben, aber sicher kein Bleiberecht für alle.
Knapp 40 Asylwerber werden wohl auch Silvester in der drei Grad kalten Wiener Votivkirche verbringen. 14 Betroffene befinden sich nach wie vor im Hungerstreik, „sie trinken aber wieder Wasser bzw. Tee“, sagt Klaus Schwertner von der Caritas. In den letzten zwei Tagen mussten zwölf Flüchtlinge ins Spital gebracht werden – allein am Sonntag rückte die Rettung zwei Mal aus. „Alle konnten das Krankenhaus nach einer ambulanten Behandlung wieder verlassen.“
Indes geht im Hintergrund die Spurensuche weiter. Es geht um die Frage, wer wusste in der Stadt Wien wann über die Räumung des Camps im Sigmund-Freud-Park Bescheid? Wie berichtet, war die Räumung laut Wiens Polizeipräsident Gerhard Pürstl mit der Stadtverwaltung akkordiert. Der grüne Klubobmann David Ellensohn forderte Pürstl nun in einem Brief auf, alle informierten Stellen öffentlich zu nennen.
Kritik an Räumung
„Es wird noch Aufklärungsarbeit notwendig sein“, sagt auch Parteikollege Klaus-Werner Lobo. „Außerdem lassen wir die Räumung rechtlich prüfen.“
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