"Es riecht nicht mal nach einer Leiche"

Muss VfGH-Präsident Holzinger wieder entscheiden?
Vor dem Verfassungsgerichtshof wurden heute die Parteienvertreter befragt - also die Anwälte von FPÖ, Alexander Van der Bellen und der Leiter des Bundeswahlbehörde, Robert Stein.

Die öffentliche Verhandlung um die Wahlanfechtung der Stichwahl zur Bundespräsidentschaft seitens der FPÖ ging heute ab 13:00 Uhr weiter. Es gab Plädoyers der drei Parteien, also der Anwälte der wahlanfechtenden FPÖ genauso wie der Anwälte von Alexander Van der Bellen und des Leiters der Bundeswahlbehörde, Robert Stein.

  • Der Verfassungsgerichtshof will "alles in seiner Macht stehende" tun, damit es bis 6. Juli ein Urteil gibt.
  • Zwei Tage später, am 8. Juli, wird Alexander Van der Bellen angelobt, wenn die Wahl nicht aufgehoben oder neu ausgezählt wird.
  • Heute gaben die Parteienvertreter ihre Plädoyers, danach wurden sie von den Richtern befragt.
  • Das wichtigste Argument der FPÖ-Anwälte: Das Gesetz wurde gebrochen, damit gibt es Spielraum für Manipulationen und deshalb sei die Wahl zu wiederholen.
  • Die Bundeswahlbehörde argumentierte in Person ihres Leiters Robert Stein, dass sie von den Schlampereien und Regelwidrigkeiten nichts wusste, weil in den Akten davon nichts stand.
  • Und die Anwälte von Alexander van der Bellen vertreten die Ansicht, dass eine Manipulation in einer Weise, die das Ergebnis beeinflussen könnte, "fernab jeglicher Lebenserfahrung" sei.

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Ein Kommentar zur ersten Woche der Verhandlungen

Der Liveticker in der Nachlese:

LIVE

Es riecht nicht mal nach einer Leiche

  • |Thomas Trescher

    Damit verabschiede ich mich aus dem Gerichtshof, einen schönen Nachmittag noch!

  • |Thomas Trescher

    Damit ist die Befragung für heute schon wieder beendet. Die Verhandlung wird fortgesetzt, der Gerichtshof, sagt Holzinger, wird alles dafür tun, dass in den vier Wochen Frist zu tun, die endet am 6. Juli – zwei Tage, bevor Alexander Van der Bellen angelobt werden soll.  

  • |Thomas Trescher

    Kann man die Aufgaben an den Wahlleiter delegieren? „Dem würde nichts entgegenstehen“, sagt Stein. „Ich hielte es für unklug, aber ich kann nur mit den Worten des Gesetzes antworten.“

  • |Thomas Trescher

    Was darf der Wahlleiter eigentlich alleine? Davon handelt Paragraph 18 des Gesetzes. Das ist er:

     

    Selbständige Durchführung von Amtshandlungen durch den Wahlleiter

    § 18. (1) Wenn ungeachtet der ordnungsgemäßen Einberufung eine Wahlbehörde, insbesondere am Wahltag, nicht in beschlußfähiger Anzahl zusammentritt oder während der Amtshandlung beschlußunfähig wird und die Dringlichkeit der Amtshandlung einen Aufschub nicht zuläßt, hat der Wahlleiter die Amtshandlung selbständig durchzuführen. In diesem Fall hat er nach Möglichkeit unter Berücksichtigung der Parteienverhältnisse Vertrauensleute heranzuziehen.

    (2) Das gleiche gilt für alle Amtshandlungen einer Wahlbehörde, die überhaupt nicht zusammentreten kann, weil von keiner Partei Vorschläge gemäß § 14 auf Berufung von Beisitzern (Ersatzbeisitzern) eingebracht wurden.

    (3) Außer in den Fällen der Abs. 1 und 2 sowie der §§ 15 Abs. 2, 42 Abs. 1 und 113 kann der Wahlleiter unaufschiebbare Amtshandlungen vornehmen, zu deren Vornahme ihn die Wahlbehörde ausdrücklich ermächtigt hat.

  • |Thomas Trescher

    FPÖ-Anwalt Rohregger fragt, ob zur Registrierung die Wahlbehörde eingeladen werden muss. „Das geht aus den Bestimmungen nicht hervor“, sagt Stein. Das, sagt er, müsste man wohl klarer definieren.  

  • |Thomas Trescher

    Richter Lienbacher fragt nach der unaufschiebbaren Maßnahme, die laut Wahlleiter Stein das Vorsortieren bedeutet. Wie so oft geht es um Paragraph 10 Absatz 6, in dem steht, dass das Registrieren nach dem Einlangen passieren muss, das – gleichzeitige – Vorsortieren ist eine reversible Maßnahme – es ist also ein „Vorvorsortieren“, stellt Lienbacher fest. Insofern, sagt Stein, sei das aber nicht unaufschiebbar.  

  • |Thomas Trescher

    Die Briefwahl ist an sich eine Abwägung, die manipulationsanfällig ist und hat wohl das Ziel, die Wahlbeteiligung zu erhöhen, sagt Schender.

  • |Thomas Trescher

    Richter Müller fragt noch einmal zum Vorsortieren: Welche zusätzliche Risiko gibt es, manipuliert werden kann ja auch nach Öffnen der Lasche? Schender: „Das Schwergewicht meiner Argumentation liegt nicht auf der Manipulation, sondern auf dem Gesetz – ob das jetzt sinnvoll ist oder nicht.“ Der Gesetzgeber habe diesen Trennstrich bewusst gemacht, er gestehe zu, dass auch die Öffnung der Lasche bereits eine Manipulationsgefahr birgt.  

  • |Thomas Trescher

    Es geht jetzt darum, ob die Uhrzeit 9:00 im Gesetz, „ab 9:00“ oder „um 9:00“ bedeutet. Stein geht davon aus, dass „ab 9:00“ die richtige Interpretation ist.

  • |Thomas Trescher

    Stein: „Wir machen über das Gesetz hinaus keine Vorschriften“, also ihm ist es egal, ob vorsortiert wird oder nicht.

  • |Thomas Trescher

    Schender verweist auch Stein auf seinen eigenen Leitfaden, in dem steht, dass die Wahlkarte nach Öffnen einer Lasche zu versperren ist - „kein Wort von Vorsortierung“. Das stehe erst beim Punkt Ermittlung des endgültigen Endergebnisses.

  • |Thomas Trescher

    Es kann nicht Sache des VfGH, Strafbestände festzustellen, sagt FPÖ-Anwalt Schender. Es gehe also nicht darum, Missbrauch nachzuweisen.  

  • |Thomas Trescher

    Das Prinzip des Anscheinsbeweises scheint heraus in der Judikatur, sagt Bürstmayr. In dem Fall sei es aber rein hypothetisch und spekulativ.  

  • |Thomas Trescher

    Richterin Kahr fragt, wenn so viele tausend Wahlkarten vorab geöffnet wurden, wie dann eine Manipulationsmöglichkeit ausgeschlossen werden kann? Bürstmayr: „Wenn in Villach ein Beamter wochenlang Wahlkarten vorab aufgeschlitzt, und dann geht es um ein paar tausend Stimmenabstand geht, dann wäre eine Manipulation denkbar. Aber es geht um das Mengengewicht. Kein einziger der Wahlbezirke hat so viele dem Kandidaten Hofer nicht zugerechnete Stimmen, als dass es für das Ergebnis relevant ist.“  

  • |Thomas Trescher

    Die Beginnzeit der Auszählung sei übrigens nicht immer 9:00 gewesen, das sei auch schon einmal 14:00 gewesen, erzählt Wahlleiter Stein.  

  • |Thomas Trescher

    Holzinger fragt Stein, ob er die Vorsortierung für rechtens hält? „Wir haben das in der Gegenschrift schon ausführlich dargelegt: Schender hat gesagt, das müsste auf zwei Stapel, das wäre bei 30.000 Wahlkarten turmhoch. Das Wahlrecht regelt das nicht, nach unserer Ansicht ist die Vorsortierung zulässig.“ Aber: Es muss die Möglichkeit einer Prüfung geben. Die Vorsortierung sei zulässig, aber keine Sortierung.  

  • |Thomas Trescher

    Sie halten die Sortierung schon für problematisch, fragt Richterin Kahr? „Ja“, sagt Anwalt Schender, „denn wenn schon zwei Stapeln vorgelegt werden, kontrolliert niemand mehr, schon gar nicht, ob bei den ausgeschiedenen Wahlkarten eine gültige dabei ist.“

  • |Thomas Trescher

    Böhmdorfer weist darauf hin, dass der Wahlleiter die Unversehrtheit des Verschlusses überprüfen muss, das sei nunmal das Gesetz.  

  • |Thomas Trescher

    Jeder Briefträger könnte die Lasche abziehen und eine Manipulation vornehmen, in dem er die Wahlkarte ungültig macht, entgegnet Bürstmayr. Aber das sei irrelevant, weil man nicht weiß, was in dem Stimmzettel steht, also ob eine Hofer- oder eine Van-der-Bellen-Stimme ungültig gemacht wird.  

  • |Thomas Trescher

    Der Anfechtungswerber wird gefragt, ob Punkte in der Anfechtung zurückgezogen werden? Nein, sagt Anwalt Schender, weil auch in den Bezirken, in sonst Punkte entkräftet wurden, bereits zu früh oder durch unbefugte Personen durchgeführt wurde. Das sei bereits eine Rechtswidrigkeit.

  • |Thomas Trescher

    Windhager: Es geht darum: Was ist faktisch möglich und denkbar? Was könnte stattgefunden haben?  

  • |Thomas Trescher

    Windhager: Wir sind der Meinung, dass es sich im Ergebnis anders darstellt. Es geht um Möglichkeit, wir sind aber der Meinung, dass von dieser Rechtssprechung nicht abgegangen werden muss, weil es einen Spielraum gibt und man sich den Einzelfall anschauen muss – genau dieser Spielraum wurde in dieser Entscheidung eröffnet.  

  • |Thomas Trescher

    Es geht jetzt um die Judikatur, dass bereits der Verdacht der Manipulation reicht, um eine Wahl zu wiederholen. Schnizer führt aus, dass die Judikatur bereits in die 1920er Jahre zurückgeht. Auch bei dieser Entscheidung, sagt Schnizer, wurde ein Beweisverfahren durchgeführt. Und auch damals wurde kein Missbrauch festgestellt. Die Frage Schnizers ist: Wo ist jetzt der Unterschied zu damals?

  • |Thomas Trescher

    Schnizer fragt Bürstmayr nach den 20.000 ungültigen Wahlkarten. Da gehe es explizit um die Stimmzettel, sagt Bürstmayr.

  • |Thomas Trescher

    Richter Schnizer fragt die Anfechtungswerber: Der Verschluss sei nicht eingehalten worden, das sei in der Anfechtungsschrift nicht geltend gemacht worden. Anwalt Schender sagt, das sei passiert, das sei impliziert in dem Vorwurf der Vorsortierung.  In diesem Sinne sei das Argument vorgebracht.

  • |Thomas Trescher

    Richter Schnizer: Es gibt also eine Standleitung des Innenministeriums zu diversen Organisationen wie der APA, dem ORF und der ARGE Daten, sie haben also keine Anhaltspunkte, dass da etwas nach draußen gedrungen ist? Stein bleibt bei seinen 99,9 Prozent Unwahrscheinlichkeit.

  • |Thomas Trescher

    Es geht wieder um die APA-Aussendung um 14:31, dass Hofer fast uneinholbar vorne liegt. Stein glaubt nicht, dass sie auf den Daten des Innenministeriums beruht.  

  • |Thomas Trescher

    Es wird noch immer darüber diskutiert, wie diese Daten veröffentlicht werden, wie sie rezipiert werden. Richterin Kahr fragt, ob der Bundeswahlleiter ein Gesetz befürwortet? Ein einheitlicher Wahlschluss wäre eine Lösung, sagt Stein. Dann könnten keine Ergebnisse nach außen dringen, weil es keine gibt. Es ist Sache des Gesetzgebers, das zu entscheiden. Es gab einmal ein Auszählungsverbot bei der Europawahl 1999. Das war „einmal und nie wieder“, weil es große Schwierigkeiten bei der Auszählung gab.

  • |Thomas Trescher

    Richter Hörtenhuber will genau wissen, wer diese Rohdaten bekommt? „Medien und Forschungseinrichtungen“, sagt Stein. Können Sie ausschließen, dass Daten nach draußen gelangen? „Das können wir nicht ausschließen, aber es ist unwahrscheinlich. Massenmedien haben unseres Wissens nichts veröffentlicht, in sozialen Medien gab es so genannte 'Twittermeldungen' und 'Facebookmeldungen'.“

  • |Thomas Trescher

    Die „Laschenlösung“ sei eine Konsequenz dieser Kritik gewesen, die „gibt es meines Wissens erst seit 2010“, sagt Stein.

  • |Thomas Trescher

    Wurde der Ablauf kritisiert, als nicht machbar bezeichnet? „Ja, das ist in dieser Nuancierung sicher der Fall gewesen“, sagt Stein. Es habe seitdem aber längst Änderungen gegeben.

  • |Thomas Trescher

    Stein sagt, fünf oder sechs Schriftstücke seit 2007 gibt es, dass der Vollzug des Gesetzes „kleinere oder größere“ Schwierigkeiten macht. Seitdem hätte es auch schon Novellen gegeben.  

  • |Thomas Trescher

    Richter Lienbacher wird gefragt, ob APA-Aussendungen vor der Sperrfrist um 17:00 Uhr bekannt geworden sind. Stein sagt, das weiß er nicht, weil sie nicht auf den Daten der Bundeswahlbehörde beruht haben. Anmerkung dazu: Die APA hat am Wahlsonntag kurz nach 14:00 eine Aussendung geschickt, in der es hieß, dass Norbert Hofer fast uneinholbar vorne sei.

  • |Thomas Trescher

    In fast allen europäischen Ländern gäbe es einen einheitlichen Wahlschluss, da sei Österreich in Europa eher die Ausnahme mit seinem frühen Wahlschluss in einzelnen Bundesländern.

  • |Thomas Trescher

    Richter Grabenwarter fragt Bundeswahlleiter Stein zu den Posting auf sozialen Medien. „Eine Person, die auszählt, 'twittert', wie man das auf neudeutsch so schön sagt, ein Gemeindeergebnis und das lässt sich nicht verhindern. Ob das durch ein Gesetz zu verhindern ist, weiß ich nicht.“

  • |Thomas Trescher

    Es werden alle Fälle berichtet, wenn Daten vorab herausgegeben werden, nach Beobachtung der Wahlbehörde ist das nicht vorgekommen, das ist „zu 99,9, aber nicht zu hundert Prozent sicher.“

  • |Thomas Trescher

    Die herausgegebenen Daten sind die Rohdaten von Gemeinden.  

  • |Thomas Trescher

    Richter Hörtenhuber fragt Robert Stein, an wen Wahlergebnisse vorab herausgegeben werden. „An 20 bis 22 Medien“, sagt Stein; das sei seit Jahrzehnten Praxis.

  • |Thomas Trescher

    „Wir bleiben deshalb bei unserer Anregung, die Anfechtung abzuweisen“, sagt Bürstmayr am Ende seines Plädoyers.

  • |Thomas Trescher

    Die Theorie, dass es zu einer Manipulation gekommen sei, die Norbert Hofer um den Sieg gebracht hätte, die einer systematischen Vorgehensweise und großen kriminellen Energie bedurft hätte, ist nur als Verschwörungstheorie zu bezeichnen. Sie sei „fernab jeglicher Lebenserfahrung“.

  • |Thomas Trescher

    Die Schlampereien und Rechtswidrigkeiten seien nicht schönzureden, und der Gerichtshof „wird dafür die richtigen Worte finden“. Aber nach der Rechtssprechung des VfGH hätten spekulative Überlegungen keinen Platz.  

  • |Thomas Trescher

    Gefälschte Stimmzettel wären erstens nachvollziehbar und zweitens hätte eine gewisse Tätergruppe Zugang zu diesen haben müssen.

  • |Thomas Trescher

    Was wären die Möglichkeiten einer Manipulation? Über 30.000 Stimmen für Hofer ungültig zu machen – es gab aber nur 20.000 ungültige Wahlkarten.  

  • |Thomas Trescher

    Einer Anfechtung, so die strenge Judikatur des VfGH, sei schon dann stattzugeben, wenn eine Manipulation nur möglich sei. Das findet Bürstmayr gut und richtig, und er sollte diese Judikatur beibehalten. Aber es sei auszuschließen, dass das bei dieser Anfechtung passiert sei. In keinem einzigen Fall habe eine Manipulation stattgefunden. „Wir haben nicht nur keine Leiche, es stinkt nicht einmal nach einer.“

  • |Thomas Trescher

    Windhager ist fertig, es spricht jetzt noch der zweite Anwalt von Van der Bellen, Georg Bürstmayr.  

  • |Thomas Trescher

    Die Wahlbeisitzer sollten weder lächerlich gemacht werden noch kriminalisiert werden, auch wenn sie in Einzelfällen überfordert waren.

  • |Thomas Trescher

    Das Wahlkartenergebnis war aber nicht auffällig, sondern – auch statistisch gesehen – unauffällig. Bei fast 30 Stunden Verhandlung wurde jeder der 67 Zeugen gefragt, ob sie Verdacht auf Unregelmässigkeiten haben, aber niemand, auch kein FPÖ-Wahlbeisitzer habe einen Verdacht geäußert. Mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ war Manipulation nicht möglich.   

  • |Thomas Trescher

    Was bleibt also übrig? „Nicht mehr viel, da finden wir uns nicht mehr im relevanten Bereich.“ Dass einzelne Behörden vom angedachten Prozedere abgewichen sind, wird nicht abgestritten, aber der Anfechtungswerber habe behauptet, das Briefwahlergebnis wäre auffällig gewesen und erwecke den Anschein, als wäre etwas manipuliert oder falsch gewesen.

  • |Thomas Trescher

    Dass falsche oder unbefugte Personen ausgezählt hätten, habe sich nicht bewahrheitet.  

  • |Thomas Trescher

    In anderen Bezirken seien Fehler passiert, die aber keine Auswirkungen auf das Ergebnis haben können. 

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