Parteichef-Wahl: Wenn die Basis rebelliert

Schlechte Stimmung in SPÖ-Wien: Letztmalige Kandidatur Michael Häupls könnte danebengehen.
Michael Häupl muss heute auf dem Parteitag der SPÖ-Wien auf die Disziplin seiner Funktionäre hoffen.

Es war vor vier Jahren, im Mai 2011. Die 900 Delegierten zum Wiener SPÖ-Landesparteitag strichen Michael Häupl bei der Wahl zum Parteivorsitzenden auf unter 90 Prozent zusammen. Damals war Häupl 16 Jahre als Bürgermeister im Amt und bekam als Parteichef 89,2 Prozent Zustimmung. "Es ist das Maximum, was man außerhalb von Wahlzeiten als Vorsitzender bekommen kann", erklärte er das magere Ergebnis.

Mit dieser Aussage definierte Häupl damals unwissentlich jene Marke, die auf dem heutigen Wiener SPÖ-Parteitag inoffiziell als Erfolgs-Schwelle gilt: 90 Prozent plus müsse Häupl bekommen, damit er als Spitzenkandidat für die Wahl im Oktober nicht beschädigt wird. "Das wird er auch bekommen", prophezeien führende Funktionäre. In einem Wahljahr könne man in besonderem Maß auf die Disziplin der Delegierten zählen.

Häupls Aussagen gingen meistens daneben

Garantie gibt es trotzdem keine. Vor und auf dem SPÖ-Bundesparteitag im November wurde ebenfalls an die Disziplin der Funktionäre appelliert, dennoch stutzten sie Werner Faymann auf knapp 84 Prozent zurück. Und Häupl hat sich in letzter Zeit weder nach außen noch nach innen Sympathien erworben. Praktisch jede seiner spontanen Aussagen ging daneben. Zu oft kommt der Fiakerschmäh als abgehobene Grobheit rüber. So meinte Häupl, er kenne den Wiener Wahltermin, sage ihn aber nicht. Dann richtete er dem Finanzminister aus, die Frühpensionen der Wiener Beamten gingen diesen nichts an; Mit dem Ausspruch, wenn er eine 22-Stunden-Woche hätte, wäre er am Dienstagmittag mit der Arbeit fertig, brachte er die Lehrer auf die Palme. Gestern kündigte der Zentralverein der Wiener Lehrer an, heuer erstmals den 1. Mai zu boykottieren. Das ist in der Wiener SPÖ nicht irgendwas.

Der "Zentralverein" ist älter als die Partei selbst. Es handelt sich um einen besonders traditionellen, linken Bildungsverein. Ihm gehören die Wiener Pflichtschullehrer plus Kindergärtner an. Als einzige Berufsgruppe marschieren die roten Lehrer am 1. Mai stets geschlossen, während die anderen Berufsgruppen in die Bezirksorganisationen integriert marschieren. "Schockiert über die diffamierenden Aussagen des Wiener Bürgermeisters" und als "Zeichen der Entrüstung" werde der Zentralverein "das erste Mal in der hundertjährigen Geschichte nicht an den Feierlichkeiten zum 1. Mai teilnehmen", gab der Verein gestern bekannt (mehr dazu lesen Sie hier).

Wie bei Alfred Gusenbauer, der auf einer offiziellen Kanzlerreise nach Südamerika 2008 darüber philosophierte, dass in Österreich am Freitag am Nachmittag kaum mehr jemand arbeite, scheint auch bei Häupl das Maß an verträglichen "Sagern" ziemlich voll zu sein. Vergreift sich ein anerkannter Politiker einmal im Ton, wird das meist verziehen, doch Serienfehler können innerparteiliche Eruptionen provozieren. Gusenbauer wurde bald nach seiner Südamerika-Reise abgelöst.

Schlechten Parteitagsergebnissen für Werner Faymann lagen hingegen keine öffentlichen Ausrutscher zugrunde, sondern innerparteilicher Unmut über politische Fehler und schlechte Wahlergebnisse. Faymann hielt zudem auf dem letzten Bundesparteitag eine wenig mitreißende Rede.

Häupl kann, wenn er will, ein guter Redner sein. Dieses Talent wird er heute auf dem Parteitag brauchen.

Schützenhilfe für den Wiener Bürgermeister kommt von der amtsführenden Stadtschulrätin von Wien, Susanne Brandsteidl. Sie spricht sich gegen Gegen "Denkverbote" in der Debatte um die Lehrer-Arbeitszeit aus. Zuletzt hatte Brandsteidls Vorgesetzter, der Wiener Bürgermeister Michael Häupl, mit seinem Spruch "Wenn ich 22 Stunden in der Woche arbeite, bin ich Dienstagmittag fertig" Pädagogen und Parteifreunde verärgert.

"Keine Frage, unsere Lehrer leisten einen fantastischen Job", stellte sie eingangs fest. Das könne gar nicht oft genug gesagt werden. Doch wer sich wegen Häupls Sager vor den Karren jener spannen lasse, die seit Jahrzehnten jede Bildungsreform verweigern, handle kurzsichtig.

Brandsteidl plädiert für eine "Ganztagsschule für alle Kinder, in der es normal ist, dass Schüler und Lehrer von 8 bis 16 Uhr da sind". Dass ein guter Unterricht auch Vor- und Nachbereitung braucht, stehe außer Frage. "Wie das Verhältnis von Unterricht und Vor- und Nachbereitung konkret aussieht, muss jedoch immer diskutabel sein."

In der aktuellen Debatte gehe "es nicht darum, die Lehrerarbeitszeit zu erhöhen. Was diskutiert wird, ist allein das Ausmaß der Lehrverpflichtung innerhalb der Arbeitszeit."

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