Länger leben, länger arbeiten? Klassenkampf ums Pensionsalter

„Lebenserwartung und faktisches Pensionsantrittsalter gehen immer weiter auseinander. Das kann sich irgendwann nicht mehr ausgehen.“ - Reinhold Mitterlehner
Neue Pensionskosten-Prognose: VP drängt auf "Automatismus", SP bekräftigt Nein.

Dass jeder zweite ÖVP-Wähler – laut einer OGM-Umfrage für den KURIER – gegen eine Pensionsautomatik ist, irritiert ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner nicht. Der Vizekanzler hält an seiner Forderung fest, wonach das Pensionsantrittsalter automatisch erhöht wird, wenn die Lebenserwartung steigt. Er könne sich nicht an Meinungsumfragen orientieren, argumentierte Mitterlehner gestern staatsmännisch. Man könne nicht nur Schönwetterpolitik machen, sondern müsse sich auch "trüben Aussichten" stellen.

Schwarze Prognosen

Düster schaut es aus schwarzer Perspektive angesichts des gestern präsentierten Gutachtens der Pensionskommission aus. Demnach werden die Ausgaben für die Pensionen von 2,5 Prozent (2014) auf 4,8 Prozent des BIP (2060) steigen werden. Derzeit werden 2,3 Millionen Pensionen ausbezahlt, 2060 werden es 3,4 Millionen sein. Das liegt primär daran, dass die Menschen immer älter werden. Lebenserwartung und faktisches Pensionsantrittsalter würden immer weiter auseinanderklaffen, moniert Mitterlehner. Im Schnitt seien die Bürger 43 Jahre in Ausbildung oder Pension, aber sie würden nur 38 Jahre arbeiten (siehe Grafik). "Das kann sich irgendwann nicht mehr ausgehen. Da muss es Konsequenzen geben", sagt Mitterlehner und plädiert eben für die Automatik – sofern die Politik nicht selbst etwas tue, um das Antrittsalter anzuheben.

Die SPÖ hält nichts von der Automatik – und hat damit vor ihrem Parteitag am Freitag ein ideales Thema, mit dem sie sich deutlich von der ÖVP abgrenzen kann – Klassenkampf um die Pensionen. Kanzler Werner Faymann bekräftigte gestern: "Wir sind der Meinung, dass kein Automat entscheiden soll, sondern die Politik. Mir ist lieber, der Rudi Hundstorfer legt etwas vor als irgendein Automat." Der angesprochene SPÖ-Sozialminister kalmiert: Es gebe weniger Invaliditäts- und Hacklerpensionen – und das von der Regierung geplante Bonus-Malus-System solle mehr Jobs für Ältere bringen. Hundstorfer erklärte zudem, dass in dem Gutachten die Beamtenpensionen nicht berücksichtigt seien. Deren Zahl sinke kontinuierlich: "Die Ausgaben sinken in den kommenden Jahren sehr stark, daher bleiben insgesamt die Aufwendungen des Staates für Pensionen stabil." Faymann ergänzte, um das Antrittsalter zu heben, müsse es genügend Jobs für Ältere geben.

Rote Kalkulationen

Die SPÖ lanciert, es würden sich 120.000 zusätzliche Menschen auf dem Arbeitsmarkt tummeln, wenn z. B. im Jahr 2000 eine Pensionsautomatik eingeführt worden wäre. Dabei hätten im Oktober 2014 bereits 80.000 Personen über 50 Jahren einen Job gesucht.

Einig sind sich Rot und Schwarz nur darin, dass die Konjunktur angekurbelt werden muss, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen.

Länger leben, länger arbeiten? Klassenkampf ums Pensionsalter

Kommentare