"Der Kanzler sollte endlich auftauchen"

ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka
ÖVP-Klubchef Lopatka verlangt von Faymann "Klarstellungen" und "Blockade-Ende". Scharfe SPÖ-Replik.

Glühender Europäer“ sei er, hat Werner Faymann einst im KURIER wissen lassen. Heute gipfelt er in Brüssel mit anderen Regierungschefs.

Als glühender Innenpolitiker wird er von der ÖVP nicht gesehen. Deren Klubobmann Reinhold Lopatka sagt: „Der Bundeskanzler soll aus dem Keller an die politische Oberfläche kommen!“ Schon mehrmals wäre Faymann gefordert gewesen, etwa beim Hypo-Sondergesetz und den Budgetnachverhandlungen mit den Ministern. „Er ist aber abgetaucht. Er sollte endlich auftauchen“, befindet Lopatka im KURIER-Gespräch.

Zur „Neuwahldrohung von SPÖ-Gewerkschaftern aus der dritten und fünften Reihe“ müsse sich Faymann äußern. FSG-Chef Wolfgang Katzian und Bau-Holz-Vormann Josef Muchitsch sind Leute aus der dritten und fünften Reihe? „Ich meine deren Sitzreihen im Nationalrat.“

Der Kanzler habe klarzustellen, „dass er und die SPÖ zum Regierungsprogramm stehen, dass er und die SPÖ für Arbeiten und nicht Drohungen stehen“, sagt Lopatka. Bereits einmal habe ein Gewerkschafter, Metallerboss Nürnberger, mit einer Blockade Rot-Schwarz vereitelt: „Er hat im Jahr 2000 das Koalitionsübereinkommen nicht unterschrieben.“ Jetzt gibt es ein solches doch? „Das muss aber akzeptiert werden. Es ist eine Frechheit, uns vorzuwerfen, nicht pakttreu zu sein.“ Katzian hatte kundgetan, bei der ÖVP „Pakttreue“ zu vermissen. Etwa in Sachen Pensionen: Das Bonus-Malus-System für Betriebe werde wegen Widerstands in der ÖVP nicht umgesetzt. Lopatkas Konter: „Der Kanzler soll dafür sorgen, dass die Gewerkschafter und SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer Pensionsreformen nicht länger blockieren.“ Hundstorfer habe zwar eine gewinnende Art. „Damit gewinnen wir aber nichts. Er ist einer der Reformunwilligsten.“

Warum hat die ÖVP mit den „Strukturreformen“ so lange zugewartet? „Auch viele von uns haben geglaubt, wir können auf Reformen verzichten; irgendwie werde das schon gehen. Jetzt gibt es aber eine Sonderlast: die Hypo-Hypothek.“ Das Problem sei: „Die SPÖ-Hauptverantwortlichen haben nicht den Mut zu großen Reformen.“ Das, was schon geschehen sei, „hat Vizekanzler Michael Spindelegger allein machen müssen – Hypo-Abwicklung und Budget“. Faymann habe sich absentiert: „Ein starker Kanzler wäre da massiv dabei gewesen.“ Hat dieser vielleicht im Hintergrund gewirkt? „Das muss dann sehr hintergründig gewesen sein.“

Sollte der Regierungschef gestärkt werden? Mit mehr Befugnissen wie in Deutschland? „Das ist eine nette akademische Diskussion – weil es nicht durchsetzbar ist. Angela Merkel ist eine der Stärksten in Europa. Und was kümmert ihre Richtlinienkompetenz CSU-Chef Seehofer?“

Scharfe SPÖ-Replik

Die SPÖ reagierte noch Dienstag Abend auf Lopatkas Aussagen: Klubchef Andreas Schieder appellierte via APA an die ÖVP, „zur Zusammenarbeit zurückzukommen“ – und griff Spindelegger an. Dieser habe „genug unerfüllte Aufgaben“, etwa den „Dauerbrenner“ Steuerreform: „Es würde reichen, wenn man sich dem widmet, statt zu blockieren.“ Wenn Spindelegger als Finanzminister überfordert sei, dann sollte er sein Ressort „neu aufstellen“ – und sich zwei weitere Staatssekretäre zu Hilfe nehmen. Für SPÖ-Ministerin Doris Bures „attestiert Lopatka Spindelegger bedenkliche Überlastung in dessen Verantwortungsbereich“. Sie sei „bestürzt“ ob des „traurigen Bilds“, das er von Spindelegger zeichne.

Gehörig Druck" wollen die Gewerkschafter mit ihrer Sommer-Kampagne machen – auf die ÖVP. Unterschriften sammeln rote und schwarze ÖGBler: für das Begehren "Lohnsteuer runter!"; gegenfinanziert auch mit Vermögenssteuern. Der SPÖ behagen diese Aktivitäten. Sie drängt ebenfalls auf "Millionärssteuern" & Co. Michael Spindeleggers ÖVP verwahrt sich ja gegen solche.

Nun geht selbst den Roten die ÖGB-Agitation zu weit. FSG-Chef Wolfgang Katzian hat – ob des ÖVP-Widerstands gegen SPÖ-Begehrlichkeiten in Sachen Steuerreform – befunden: Bleibe Spindelegger bei seiner Haltung, "muss es krachen. Wenn gar nichts mehr geht, muss man sich überlegen, ob die Koalition noch Sinn macht."

Zwei prominente Sozialdemokraten weisen Katzian zurecht. "Es ist hoch an der Zeit, dass alle durchatmen und einen Schritt zurück machen. Wahlen herbeizureden hilft nur der FPÖ", sagt Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Er gehe davon aus, dass regulär, also 2018, gewählt werde. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder missfällt Katzians Drohung ebenfalls: "Diese Diskussion ist falsch. Ich denke nicht an das Ende der Koalition, sondern daran, mit welchen Argumenten ich von der Sinnhaftigkeit unserer Vorhaben überzeugen kann."

Jetzt solle einmal die rot-schwarze Steuerreform-Gruppe werken, ergänzt Hundstorfer. Dann, im Herbst, könne man "immer noch auf Wahlkampftöne umschalten". Diese Aussage belegt: Die Gewerkschafter haben die Droh-Karte für die SPÖ zu früh ausgespielt.

Bau-Holz-Gewerkschaftsboss Josef Muchitsch beeindruckt der Rüffel der Rot-Politiker nicht. Er legt via ORF-Radio nach: "Wenn nichts weitergeht, dann wird das eine Zerreißprobe für die Regierung." Gebe es keine Steuerreform, werde "es nicht bis 2018 dauern, bis wir wieder zur Wahlurne gehen".

ÖGB-Vizepräsidentin Sabine Oberhauser, die auch für die SPÖ im Nationalrat sitzt, versucht via KURIER zu beruhigen: "Wir arbeiten momentan an der Kampagne. Ich freue mich sehr über die bereits 101.000 Unterschriften, die uns auf dem Weg zu einer raschen Steuerreform unterstützen. Weitere Fragen stellen sich derzeit nicht." Im September werden ÖGB und Arbeiterkammer ihr Steuerreform-Modell präsentieren.

Nicht nur die ÖVP, auch Faymann ist unter Druck. Am Parteitag im November will er als SPÖ-Chef wiedergewählt werden. Hat er puncto Vermögenssteuern keinen Erfolg bei den Verhandlungen mit der ÖVP zu vermelden, könnte er abgestraft werden. Das wurde er schon 2012 – mit nur 83 Prozent Zustimmung. Damals wegen seines Anti-Wehrpflicht- und U-Ausschuss-Kurses.

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